Zum Weiterdenken
Auf dieser Seite stellen wir Ihnen die Texte zur Verfügung, die - zumeist - aus der Mitte unseres Kirchenkreises für die Hofgeismarer Allgemeine und die Wolfhager Allgemeine erstellt werden - zum Nachlesen, Nachdenken und Weiterdenken.
23. September
Gedanken zum Sonntag:
Würdevoll und verletzlich
Von Pfarrer Dr. Jochen Gerlach
Ich schaue in drei Gesichter. Sie strahlen. Drei Frauen stehen vor der ganzen Belegschaft. Sie hören, was ich aus ihrem Lebenslauf erzähle und wie die Einrichtungsleiterin ihre jeweilige Eigenart beschreibt und ihnen dankt. Zwei von ihnen arbeiten seit 25 Jahren und eine seit 15 Jahren in der Pflege. Ich darf Ihnen das Kronenkreuz der Diakonie in Gold bzw. in Silber überreichen.
Das Kronenkreuz drückt aus, dass jeder Mensch eine unverlierbare königliche Würde hat und dass jeder Mensch verletzlich ist und Leid zu tragen hat. Das Besondere dieses Momentes liegt in der Herkunft der drei Frauen: Sibirien, Kasachstan und Polen. Was wäre die Pflege in unserem Land ohne die Menschen, die nach dem Fall der Mauer zu uns eingewandert sind? Ohne sie könnten viele Tausende nicht gepflegt werden.
Der Arbeitskräftemangel, der die Pflege und so viele Branchen belastet, kann nur bewältigt werden, wenn Menschen in unser Land zuwandern. Großes Leid bringt sie zu uns. Die Kommunen und Landkreise kommen gegenwärtig an ihre Grenzen und darüber hinaus. Daher muss Zuwanderung gut reguliert werden. Und es braucht unser aller Gastfreundschaft. Es braucht das Bewusstsein, dass jeder Mensch würdevoll und verletzlich ist.
Glaubenssache:
Alles Gute!
Von Pfarrerin Monika Vöcking
Mein Patenkind wird an diesem Wochenende 18 Jahre alt. Ich soll ihr einen Geburtstagsbrief mit guten Wünschen schreiben. Eine Geschenkidee ihrer Geschwister. Was hofft und wünscht man sich für das Leben, wenn man 18 wird? Was hat mich das Leben gelehrt, was ich meiner Patentochter mitgeben möchte?
Ich Blicke auf die Welt, wie sie mir gerade erscheint, mit all den riesigen Herausforderungen. Ein Wunsch kristallisiert sich dabei heraus. Ich wünsche ihr die Fähigkeit zu scheitern und es akzeptieren zu können. Vielleicht geht etwas nicht auf von dem, was man sich für sein Leben erträumt hat, erlebt Phasen, in denen es nicht so gut läuft. Es sind die großen und kleinen Niederlagen, die das Leben für einen bereithält und die man nicht weglächeln kann. Es ist die Erfahrung, das Plan A nicht aufgeht, Plan B und C aber auch nicht. Manchmal wird man von Entwicklungen überrollt, die nicht absehbar waren.
Häufig kann man etwas dafür, oft auch nicht. Beides stimmt! Wenn mein Patenkind vor solchen Ereig¬nissen in ihrem Leben steht, was wird ihr dann helfen? „Meine Kraft ist in den Schwachen mächtig.“, schreibt der Apostel Paulus (2. Kor.12,9). Er hat erlebt, dass Gott ein Herz für die hat, die in ihrem Leben hadern und kämpfen müssen. Es ist eine Riesenaufgabe zu lernen, dass man scheitern darf und das Leben trotzdem weitergeht. Dass man es nicht aus sich heraus schaffen muss, sondern dass es eine Kraft gibt, die von Gott kommt, die verlässlich und uner¬schütterlich ist. Sich darauf zu verlassen, wünsche ich uns allen.
Alles Gute, liebe Paula. Geh deinen Weg! Gottes Kraft begleite dich.
Monika Vöcking ist Pfarrerin im evangelischen Kirchspiel Wettesingen.
16. September
Gedanken zum Sonntag:
„Die Welt steht Kopf“
Von Pfarrerin Ulrike Bundschuh
„Ich werde vergesslich!“ „Wo habe ich denn jetzt die Zeitung hingelegt?“ „Habe ich den Herd ausgemacht?“ Die Diagnose Demenz löst Angst aus und stellt das Leben für viele Betroffene auf den Kopf. Wie ist das, wenn ich mich langsam verliere? Wer bin ich, wenn ich meine eigene Geschichte vergesse? Sie fragen sich, wie es weitergehen kann. Auch die Angehörigen sind unsicher: Wie lange wird er mich noch erkennen? Was kann ich der Erkrankten noch zutrauen?
Rund 1,8 Millionen Menschen leben in Deutschland mit einer demenziellen Erkrankung. Täglich kommen ca. 900 Neuerkrankungen dazu. Aber es gibt Hilfe!
Die diesjährige Woche der Demenz steht unter dem Motto „Die Welt steht Kopf“. Sie bietet Informationen über dementielle Erkrankungen. Sie stellt vielfältige Unterstützungsangebote vor: medizinische und therapeutische Hilfen, Möglichkeiten zur Entlastung von Angehörigen, Anregungen für künstlerische, musikalische und religiöse Begleitung. Vor allem aber ermutigt sie dazu, die Betroffenen zu begleiten. Lasst uns die schweren Wege gemeinsam gehen, in der Nachbarschaft, im Dorf, in der Stadt! Wir werden entdecken, was den Erkrankten guttut und sie stärkt. Angehörige werden entlastet, weil sie sich getragen und unterstützt fühlen. Unsere Gemeinschaft gewinnt neue Kraft. Wir erleben ganz praktisch, was Gott uns in der Taufe zusagt: „Fürchte dich nicht! Ich habe dich bei deinem Namen gerufen, du bist mein!“ (Jesaja 43,1). Gott vergisst mich nicht; Gott kennt meinen Namen, auch wenn ich ihn vergessen habe.
Ob Sie betroffen sind oder sich Sorgen für die Zukunft machen: Sie sind herzlich eingeladen zum Diakonieforum zum Thema „Die Welt steht Kopf!“ am Freitag, dem 22. September 2023, um 18.30 Uhr in der Ev. Familienbildungsstätte Kassel. (Anmeldung: gsf@dw-region-kassel.de)
Einen gesegneten Sonntag,
Ihre Ulrike Bundschuh
Glaubenssache:
Erinnern mit Segen
Von Pfarrer Martin Jung
„Wissen Sie noch wie das war, vor 65, 70 Jahren?“ Eine Frage und die Gesichter am Tisch beginnen zu strahlen. Jeder und jede von Ihnen hat was zu erzählen und nach wenigen Minuten ist der Raum voller Geschichten. Ich höre von Kindern, die auf Getreidewagen herumklettern und im Winter mit dem Schlitten die Berge runterrutschten. Sie erzählen von Mädchen, die immer Zöpfe trugen und von Jungs immer in kurzen Hosen.
Und plötzlich sind ganz viele Bilder vor ihren Augen: von Schulen mit strengen Lehrern und Pfarrern, von Konfirmandenstunden mit endlosem Auswendiglernen von Katechismus und Liedern, und der Pflicht jeden Sonntag in die Kirche zu gehen. Dann kam die mündliche Prüfung und endlich die Konfirmation - in schwarzen Kleidern und Anzügen, mit Einzug und Segen und Feier danach. In diesen Tagen feiern viele Menschen ihre Jubiläumskonfirmation. Sie erinnern sich an die vergangene Zeit. Damals waren sie 14/15 Jahre alt und das ganze Leben lag noch vor ihnen.
Nun sehen sie sich wieder und viele sind gespannt, was in den Jahren passiert ist. Im Vorgespräch höre schon einiges davon: von der Dankbarkeit für Familie, Freundschaft, Partner und Enkel, aber auch von Verlusten und Trauer. Alles bringen die Jubilare an diesen Tag mit in den Gottesdienst. Sie singen „Lobe den Herren“, beten und feiern Abendmahl – so wie einst als sie noch Jugendliche waren. Und beim Segen, da sehe ich sie strahlen, mit all ihren Geschichten, Bildern und Erinnerungen. Die Jungs und Mädchen damals, sie sind gesegnet. Und ich glaube, sie spüren´s.
9. September
Gedanken zum Sonntag:
Alle um einen Tisch!
Von Gemeindereferent Peter Happel
Vor kurzem habe ich einen Bericht im Radio verfolgt. Schon der Einstieg hat mich neugierig gemacht. Der Autor versuchte den Sinn des Lebens mit wenigen Sätzen zu umschreiben.
Sein erster Rat war: “Wenn wir alle Menschen um einen Tisch versammeln und ihnen gutes Essen und Besteck in die Hände geben, gibt es keine Kriege mehr“. Zunächst fand ich den Gedanken ein wenig naiv aber irgendwie ließ er mich nicht mehr los, denn er stimmt ja! Wenn wir die Hände voll haben können wir keine Waffen mehr benutzen! Im Verlauf der Sendung führte er den Gedanken noch etwas weiter aus und lud die Zuhörer dazu ein, sich im direkten Umfeld zu engagieren und sich für Frieden und Versöhnung und ein gutes Miteinander einzusetzen. Das macht froh, gibt dem Leben Sinn und Struktur.
Beim Hören ist mir die „Goldene Regel“ aus der Bibel wieder in den Sinn gekommen, die wie eine Zusammenfassung gelesen werden kann; dort heißt es sinngemäß: Behandle deine Mitmenschen so, wie du selbst behandelt werden möchtest! Im Moment scheint es leider noch nicht möglich, dass sich die gegnerischen Parteien im Ukrainekonflikt und in den Auseinandersetzungen weltweit, um einen Tisch setzen- aber in einer nicht allzu fernen Zukunft- hoffentlich! Vielleicht laden sie sich am Wochenende auch Gäste ein und versammeln Menschen mit unterschiedlichen Ansichten um einen Tisch.
Ich wünsche ihnen die Erfahrung, dass man bei einem guten Essen ruhig unterschiedlicher Meinung sein kann und diese auch einfach mal so stehen bleiben dürfen!
Peter Happel ist Gemeindereferent der katholischen Kirchengemeinde St. Peter in Hofgeismar
Glaubenssache:
„Reise der Hoffnung“
Von Pfarrer Jens Holstein
„Schlechte Nachrichten sind gute Nachrichten.“ Das gilt zumindest für Presse, Funk und Fernsehen. Denn schlechte Nachrichten erzeugen Aufmerksamkeit. Das können wir jeden Tag auf der Titelseite einer großen Boulevardzeitung beobachten. Aber auch die schlechten Nachrichten verschwinden aus unserem Blickfeld. Wo Corona über mehr als zwei Jahre unser Leben bestimmt hat, verblassen allmählich die Erinnerungen. Die Finanzkrise von 2007 ist so gut wie vergessen. An den Bosnienkrieg zwischen 1992 und 1995 können sich nur noch die Älteren wage erinnern. Dabei war auch das ein schrecklicher Krieg mitten in Europa. Schwerste Kriegsverbrechen wurden dort in Bosnien-Herzegowina begangen.
In dieses Land werde ich in der nächsten Woche reisen. Ich werde die Wunden an den Menschen und dem Land anschauen. Aber ich werde auch die andere Seite des Landes betrachten, die wunderschönen historischen Städte, die eindrucksvolle Natur.
In der Hauptstadt Sarajevo fanden vor dem Krieg sogar die olympischen Winterspiele statt. Die bekannte, historische Brücke in Mostar, die im Krieg zerstört wurde, ist wieder aufgebaut worden. In diesem für uns fernen Land gibt es trotz schmerzlicher Vergangenheit und weiterhin schwelenden Konflikten Zeichen der Hoffnung. Dem möchte ich auf dieser Reise nachgehen. Ich trage dabei den Wunsch des Propheten Jesaja in mir. „Nun hat Ruhe und Frieden alle Welt und jubelt fröhlich.“
Ich wünsche mir, dass ich von dieser Reise mit wirklich guten Nachrichten zurückkehre und an dieser Stelle verkünden kann. Wir brauchen Nachrichten, die uns in Zeiten von Krieg und Flucht Hoffnung geben.
2. September
Gedanken zum Sonntag:
Kirche ohne Gottesdienst?
Von Pfarrer Dr. Oliver Schmalz
Urlaub und Kirchenbesuche in fremden Städten – das gehört für mich zusammen, auch in diesem Jahr. Einerseits ist es gerade im Sommer schön, in einen kühlen Raum einzutreten. Andererseits finde ich es immer spannend, andere Kirchen zu sehen.
Doch in diesem Urlaub war ich irritiert: In Quedlinburg kam ich in eine Kirche, die mich faszinierte, bei der mir aber auch etwas fehlte: Der Altarraum wirkte leer, es fehlte ein Tisch und auch ein Kreuz in der Mitte, also das eigentliche Zentrum. Schnell klärte sich auf: Es handelte sich um eine Kulturkirche. Der letzte Gottesdienst wurde dort vor 70 Jahren gefeiert, vor gut 30 Jahren verpachtete die Kirche das Gebäude an die Stadt. Seitdem finden dort Ausstellungen statt, Konzerte und Lesungen. Eine tolle Idee, um eine Kirche, in der keine Gottesdienste mehr stattfinden, täglich zu öffnen und Angebote zu machen.
Das machte mich aber auch nachdenklich: Wie ist es bei uns? Werden wir in einigen Jahren noch Kirchen in allen unseren Dörfern für Gottesdienste benötigen? Was machen wir mit den Kirchen, die wir vielleicht nicht mehr unterhalten können?
Es wird gute Impulse brauchen, eine Kirche weiterhin als Zentrum eines Dorfes zu erhalten, so dass Menschen gerne dort sind. Eine Kulturkirche ist nicht die schlechteste Idee.
Glaubenssache:
Zauber des Anfangs
Von Pfarrerin Katharina Ufholz
Die Ferien gehen zu Ende. Ich sitze an meinem Schreibtisch und tippe die letzten Sätze für den Einschulungsgottesdienst am Sonntag in den PC. Für viele Kinder beginnt in der kommenden Woche ein ganz neuer Lebensabschnitt. Aufregend und spannend ist das!
„Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne.“ Dieser Satz aus einem Gedicht von Hermann Hesse kommt mir in den Sinn. Irgendwie muss ich dabei an Harry Potter, den kleinen Zauberer denken, und wie er sich auf den Weg zu seinem ersten Schultag macht. Wie er auf Gleis 9 ¾ durch die Wand springen muss, um zu seinem Zug zur Zauberschule Hogwarts zu gelangen. Wie er in der Winkelgasse in den sonderbarsten Geschäften seine Schulsachen kauft. Und wie er dann im großen Saal von Hogwarts gespannt darauf wartet, in welches der 4 Häuser ihn der sprechende Hut stecken wird.
„Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne.“ Mein erster Schultag ist genau 35 Jahre her. Ich erinnere mich noch: Für mich war es damals auch so, als beträte ich eine ganz neue Welt. Mein Gleis 9 ¾ war die kleine Bushaltestelle in meinem Dorf, meine Winkelgasse der Schreibwarenladen und mein sprechender Hut meine Klassenlehrerin Frau Walther, die mir verkündete, dass ich ab jetzt Schülerin der 1b sein würde.
Einen Einschulungsgottesdienst gab es bei mir damals übrigens auch. Das erste Foto in meinem Einschulungsalbum zeigt mich mit Schultüte vor der großen Kirchentür. Es ist schön zu wissen: Gott hat diesen Anfang gesegnet, und sein Segen hat mich immer begleitet.
Ich wünsche allen neuen Schulkindern einen „zauberhaften“ ersten Schultag und Gottes Segen für die Schulzeit!
26. August
Gedanken zum Sonntag:
Wozu Kirche?
Von Pfarrer Andreas Kölling
Heute ist wieder jemand aus meiner Kirche ausgetreten. Zumindest habe ich als Gemeindepfarrer heute die Mitteilung erhalten. Ich kenne die Person leider nicht. Aber ich überlege, wer es wohl ist. Da geht eine Person, deren Sichtweise und Gaben uns fehlen werden. Eine Person, die mir hätte sagen können, was wir besser machen sollen. Deren Gedanken uns hätten inspirieren können. Nun wird es dazu wohl nicht mehr kommen. Und das tut mir weh. - Ich frage mich, welche Gründe hinter dem Austritt liegen.
Es wird ja viel Negatives über die Kirche (und andere große Institutionen) gesagt. Ich selbst habe auch Kritik an meiner Kirche. Als Mitarbeiter sehe ich davon vielleicht mehr als andere. Aber ich erlebe auch das Schöne. Glückliche Momente mit Gott z.B. in einer Kirche. Und glückliche Momente mit anderen Christinnen und Christen.
Der Prophet Jesaja sagt, dass er die Gnade Gottes in Erinnerung bringen will. Ja, für mich ist Kirche der Ort, wo mir Gutes widerfährt und wo man mir hilft, das nicht zu vergessen, z.B. durch die Lesungen und Predigten im Gottesdienst. Das baut mich auf, tröstet mich, macht mir Mut für das Leben. Ich brauche das. Und will nicht darauf verzichten. Ob das auch die bedacht hat, die nun ausgetreten ist?
Glaubenssache:
Barthel
Von Pfarrer i.R. Ulrich Trzeciok
„Der zeigt, wo Barthel den Most holt“, so hört man es manchmal in Gesprächen. Gemeint ist eine Person, die unmissverständlich klar macht, wo es in einer Sache „langgeht“, „wo der Hammer hängt“. – Wissen Sie, wo Barthel den Most holt?
Gemeint ist eigentlich der Apostel Bartholomäus, einer der zwölf, die Jesus ausgewählt hatte. Vorgestern, am 24. August, hat die Kirche seinen Gedenktag begangen. Er gilt u. a. als Patron der Winzer und Bauern. Denn um diese Zeit ging und geht es los mit dem Auspressen der Trauben, der Äpfel und Birnen von den Streuobstwiesen zu Most, ein Durstlöscher an heißen Spätsommertagen. Später kann daraus auch Wein entstehen.
Gilt das nicht auch im übertragenen Sinn für das Leben? Da müssen wir oft genug auch erst Mühe und Anstrengung, Arbeit und Druck erfahren, bis wir den „Most“, den Ertrag genießen können. Das funktioniert freilich nur, wenn gute Ware in die Presse kommt, sonst gibt es ein schreckliches, widerliches Ergebnis. Das zeigt uns die „Bartholomäusnacht“ zum 24. August 1572 in Paris, in der Geschichte auch als „Pariser Bluthochzeit“ bekannt. Eigentlich sollte es da –Reformationszeit- im Machtkampf zwischen Katholiken und Protestanten um den französischen Königsthron zu einer Annäherung kommen, durch die Heirat einer katholischen Prinzessin mit einem protestantischen Prinzen. Von der Mutter des Königs veranlasst gab es aber ein Attentat auf den Anführer der Hugenotten und im Gefolge eine Blutorgie. Allein in Paris sind ihr mehr als viertausend Hugenotten zum Opfer gefallen. Und ein neuer Krieg zwischen den Parteien brach aus.
Auch hier bestätigt sich die alte Bauernregel: „Wie Barthel sich verhält, ist der ganze Herbst bestellt.“
Ulrich Trzeciok ist Stadtpfarrer im Ruhestand und Geistlicher Rat aus Naumburg.
19. August
Gedanken zum Sonntag:
Reisesegen
Von Pfarrer David Seibel
Ein Fahrradgottesdienst entlang der Diemel, mit dem Kirchenvorstand unterwegs am Hohen Meißner, eine Urlaubsreise mit der Familie an den Chiemsee. Das waren schöne Reiseerlebnisse, die ich in den letzten Wochen hatte.
Reisen macht Spaß! Das erfahren wir in der Sommer- und Ferienzeit wieder aufs Neue. Aufbrechen, etwas Unbekanntes entdecken, alles hinter sich lassen. Unsere Welt ist so schön und das Reisen rührt die Seele an. Ich muss nicht bleiben, wie und wo ich bin. Die Welt dreht sich, und ich mich mit ihr.
Aber dann denke ich: Sind nicht manche Reisen zugleich Fluchten? Wollen wir vielleicht ab und an auch mal vor den Gegebenheiten unseres Lebens weglaufen? Ja, das muss auch mal sein. Vergessen und Verdrängen können für eine gewisse Zeit eine große Hilfe sein. Das hat sicher jeder von uns schon mal erlebt.
Es ist gut, sich die unterschiedlichen Motive einer Reise klarzumachen. Ich kann die Welt erleben. Ich kann andere Menschen kennenlernen. Ich kann Abstand vom Alltag gewinnen. Nur mich selbst werde ich nicht los, wie weit die Reise auch gehen mag.
Zur Ruhe finden werde ich, wo mich jemand annimmt und mag, wie ich bin. In meinen Gedanken höre ich Worte aus Psalm 139: "Von allen Seiten umgibst du mich und hältst deine Hand über mir." Und: "Nähme ich Flügel der Morgenröte und bliebe am äußersten Meer, so würde auch dort deine Hand mich führen und deine Rechte mich halten."
Ich wünsche uns allen wunderschöne Reisen mit neuen Entdeckungen und mit dem nötigen Abstand vom Alltag. Und egal wo es hingeht: Gott ist mit seinem Segen und mit seiner Liebe dabei.
12. August
Gedanken zum Sonntag
Von Pfarrer Andreas Schreiner
"Wat den eenen sin Uhl, is den annern sin Nachtigall" (Was dem einen seine Eule, ist im anderen seine Nachtigall), sagt ein altes norddeutsches Sprichwort.
Einerseits braucht die Natur den Regen dringend nach den trockenen Sommern der letzten Jahre. Andererseits wären ein bisschen Sonnenschein auch nicht ganz schlecht.
Da klebt sich der eine auf der Straße fest, weil ihm der Klimawandel, so wichtig ist, dass jedes Mittel recht ist, um die Menschen drauf aufmerksam zu machen. Und die andere steckt mit ihrem Auto davor fest und hat in einer halben Stunde ihren Facharzttermin, den sie nach langer Wartezeit endlich bekommen hat, oder sie muss die Kinder vom Kindergarten abholen und ist sowieso schon spät dran, und da ist der Klimaschutz im Moment ziemlich egal, und es kocht der Zorn über die Klimakleber hoch.
In der Politik geht es um konservative, wirtschaftsliberale oder linke Positionen. Wer am Ende recht hat, wird sich erst im Nachhinein herausstellen, wenn überhaupt. Im der Kirche ist uns das auch nicht fremd: sehr konservative Positionen gibt es in unseren Gemeinden genauso wie sehr progressive. Und hier wie dort wird manchmal heftig genug gestritten.
"Wat den eenen sin Uhl, is den annern sin Nachtigall" - Das heißt nicht, dass jeder Recht hat. Geht ja auch gar nicht. Man darf auch streiten. Aber ich vermisse da oft das Verständnis für die anderen. Und mit ein wenig Verständnis ist das Zusammenleben in Familie, Gesellschaft und Kirche viel einfacher und stressfreier.
Glaubenssache:
180 Grad, bitte
Von Pfarrer Sascha Biehn-Tirre
Ich stehe vor dem Medienschrank in meinem Büro. Die Videokamera springt mir ins Auge. Nachdenklich hole ich sie heraus. Noch in der Bewegung fallen mir wichtige Aufnahmeregeln ein. Eine davon: die 180 Grad-Regel. Sie erklärt sich wie folgt: Der Camcorder nimmt mit einer festen Anzahl Bilder in der Sekunde auf. Jede Aufnahme entsteht in einem winzigen Moment, dessen Dauer einstellbar ist. Hintereinander weg abgespielt werden aus vielen Einzelbildern ein Film. Zu viel Zeit je Bild lassen Bewegungen abgehackt erscheinen. Zu wenig erzeugt unschöne Nachzieheffekte. Erst das richtige Verhältnis aus der Anzahl Aufnahmen pro Sekunde und der Aufnahmezeit des Einzelbilds ergibt die passende Bewegung. Und genau das gelingt mithilfe besagter Regel.
Manchmal ist es im Leben wie im Film, denke ich mir. Zu viele zu schnelle Eindrücke hintereinander, zu viele Neuerungen lassen ins Stocken geraten. Es läuft nicht rund. Zu wenig ergibt eine Art Jet-Lag. Dinge ziehen sich wie Kaugummi, machen müde und träge.
Selbst Menschen mit besonderer Gottesnähe sind nicht davor gefeit. Das zeigt der Prophet Elia. Der wandert nach jahrelangem, großem Einsatz für Gott in die Wüste. Legt sich unter einen Wacholder, meint, er hat versagt. Bittet Gott, seine Seele zu holen. Doch der sorgt für ihn und gibt ihm Kraft, seinen Weg weiterzugehen (vgl. 1. Kön 19).
Damit es uns nicht wie Elia geht: manchmal vielleicht lieber einen Schritt langsamer. Eines nach dem anderen. 180 Grad eben. Den Rest Gott anbefehlen. Und aus ihm die Kraft schöpfen, um begleitet weiterzugehen wie der Prophet.
5. August
Gedanken zum Sonntag:
Mit Fug und Recht
Von Pfarrer Sven Wollert
„Das kann ich ja wohl mit Fug und Recht von Dir erwarten!“ Früher habe ich diesen Ausdruck öfter gehört. Doch die Formulierung scheint langsam zu veralten.
Erwartungen haben wir immer noch, vielleicht sogar mehr und höhere als früher. Alles soll funktionieren – natürlich so, wie es mir passt. Jahrelang beschweren wir uns, dass es keine Zinsen mehr aufs Ersparte gibt. Jetzt gibt es wieder Zinsen und die Baufinanzierung wird unbezahlbar. Die Kita soll zu den Zeiten geöffnet sein, zu denen ich sie brauche. Kurzum: Andere sollen dafür sorgen, dass ich mein Leben möglichst ungestört leben kann.
Sind Erwartungen falsch, gar moralisch verwerflich? Wohl kaum. Jesus sagt einmal: „Wem viel gegeben wurde, von dem wird viel verlangt. Und wem viel anvertraut wurde, von dem wird umso mehr gefordert.“ Es geht ihm also darum, dass man mit Fug und Recht von Menschen etwas erwarten kann. Wer große Möglichkeiten hat – egal auf welchem Gebiet – von dem darf man auch viel fordern.
Aber es kommt auf das rechte Maß an. Ich kann vom Lokführer erwarten, dass er in seiner Arbeitszeit hochkonzentriert das Seine tut, damit meine Bahn sicher und pünktlich ankommt. Ich kann aber nicht davon ausgehen, dass er vorher die Gleise in Ordnung gebracht hat, die über Jahrzehnte vernachlässigt wurden.
Wir dürfen Erwartungen haben – an Menschen, ans Leben, an Gott. Aber mit Augenmaß, eben mit Fug und Recht.
29. Juli
Gedanken zum Sonntag:
Licht und Schatten
Von Pfarrerin Irmhild Heinicke
Licht haben wir gerade mehr als genug: Sommersonne satt, aber eben auch Hitzerekorde, Trockenheit und Brände. An den heißen Tagen ist der Schatten meine Rettung. Ich habe eine so empfindliche Haut. Die Rollladen an unseren Fenstern sind wenigstens zum Teil runtergelassen, damit die Hitze nicht auch noch in die Wohnung kommt und es angenehm kühl und schattig bleibt. Auf der anderen Seite: Im Winter fehlt mir das Licht. Da neige ich zu depressiven Verstimmungen und sehne mich nach Sonne und Helligkeit.
Licht und Schatten – beides brauche ich. Und in der Bibel ist beides mit Gottes Zuwendung zu uns verbunden.
Gott schafft mit dem Licht zu Beginn der Schöpfung die Grundlage allen Lebens. Mit Jesus leuchtet das Licht des Lebens in die Welt, in mein Leben. Das soll ich weitergeben in meinem Tun an andere Menschen, die nach Licht suchen: Lebt als Kinder des Lichts: gut, gerecht und glaubwürdig. Ohne Schatten!
Aber ich werde dem Licht von Gott nicht gerecht. Nicht nur die großen Skandale der anderen stehen Gottes Licht im Weg. Ich auch – mit meinen eigenen Fehlern.
Dann kann ich Zuflucht suchen bei Gott: Wie köstlich ist deine Güte, Gott, dass Menschenkinder unter dem Schatten deiner Flügel Zuflucht finden. Der Schatten der Barmherzigkeit Gottes, er ist auch meine Rettung.
Licht des Lebens und schattige Zuflucht bei Gott – beides brauche ich.
Glaubenssache:
Gäste und Fremdlinge
Von Prädikant Günther Dreisbach
Das ist in den evangelischen Gemeinden ab Sonntag für eine Woche lang das Schwerpunktthema. Sich daran zu erinnern, wie mit Gästen und Fremdlingen umzugehen ist. Klar, dazu haben alle ihre eigene Sicht. Und die hängt immer ab von Erfahrungen, die man mit Menschen aus anderen Kulturen gemacht hat. Wer sich »Deutschland den Deutschen« zum Lebensmotto macht, der denkt anders nach über Menschen, die aus anderen Kulturen in Deutschland angekommen sind. Und er fragt auch nicht lange nach den Gründen der Flucht. Hat seine vorfertigte Meinung.
Viele von denen, die gekommen sind, sind getauft worden. Sie haben Ja gesagt zu Jesus. Und sie gehören zur Gemeinde. Die Tauffeste, die in den letzten Wochen gefeiert wurden, haben das ja deutlich gemacht. Da war der ganze Ernst zu spüren: Ich will mein Leben aufbauen auf den Grundlagen des christlichen Glaubens, mit Jesus an meiner Seite. Liebe Leserin, lieber Leser, Sie sagen: Das ist mir zu fromm! Ich kann’s nicht anders sagen. Und ich finde in der Bibel auch keine andere Erklärung.
Aber weil wir auf Jesu Befehl hin getauft sind, machen wir keinen Unterschied mehr zwischen denen, die schon immer in Wolfhagen oder Eberschütz oder Ippinghausen oder Arenborn wohnen und denen, die neu hinzugezogen sind. Nicht die Herkunft ist das Entscheidende, sondern die Taufe. Und die macht Gäste und Fremdlinge zu »Mitbürgern der Heiligen und Gottes Hausgenossen«. Meint Paulus im Brief an die Epheser. Und wir unterschreiben das mit unserer Taufe. Und das spürt man im Umgang miteinander. Ist doch schön so! Und: Nehmen Sie bitte Ihre Taufe ernst.
22. Juli
Schrottwert
Von Pfarrer Dr. Michael Dorhs
Wie viel ist ein Mensch wert? Ungefähr 5 Euro – jedenfalls, wenn’s um den Materialwert geht: Kalk, ein paar weitere chemische Substanzen, viel Wasser – lauter billiges Zeug! Das hört man nicht so gerne! Und es wird leider auch nicht besser, wenn man nach dem Marktwert fragt. Denn dort werden wir auf unsere Arbeitskraft oder unsere Anerkennung reduziert. Wer ist gefragt? Was wird gebraucht?
Auf dem Arbeitsmarkt wie auf dem Beziehungsmarkt geht’s zu wie auf dem Bazar. Es werden Preise gefordert und bezahlt – manchmal viel zu hohe. Das Selbstwertgefühl bleibt dabei oft auf der Strecke, wenn der eigene Wert von anderen nicht anerkannt wird. Man wird angenommen oder abgestoßen, erwählt oder fallen gelassen. Und immer wieder die bange Frage: Wo stehe ich im Vergleich zu den anderen? Anstrengend! Ich plädiere für den Schrottwert als neue Maßeinheit. Schrott gibt es genug in unserem Leben. Bruchlandungen oder das, was uns nur bruchstückhaft gelingt, wo wir geknickt vor den anderen dastehen oder etwas „versemmelt“ haben. Je mehr jemand versucht, sein ganz Eigenes zu finden und dann auch nach außen sichtbar zu machen, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass er mit den von anderen gesetzten Leitplanken des Lebens in Kontakt kommt. Und das geht nie ohne Schrammen ab!
Natürlich wünschte ich mir das Leben als geordneten Bau, planvoll und harmonisch. Aber wenn ich nüchtern auf mein gelebtes und manchmal auch erlittenes Leben blicke, dann tue ich gut daran, auch dessen Schrottwert mit einzukalkulieren.
Schrott sortiert man in der Regel aus, stellt ihn an die Straße oder in den Abstellkeller. Schade! Besser wäre es, wir würden ihn verarbeiten, den Schrott aus dem eigenen Leben.
Als Petrus Verhaftung und Prozess drohten, wurden seine Knie weich. Er verriet Jesus. Dem Druck von außen, den Ängsten von innen hielt er nicht stand. Freundschaften gehen zu Bruch, wenn man die innere Verbundenheit mit einer Freundin oder einem Freund leugnet oder seine tiefsten Überzeugungen verrät. Wer den Bruch und den ganzen Beziehungsschrott dann nicht zum Gerümpel wirft, um schneller darüber hinwegzukommen, der sammelt als Erfahrungsschatz, dass aus Schrott noch was zu machen ist! „Wenn Deine Knie wieder fest werden,“ heißt es in der Bibel, „dann stütze die anderen.“ Das war Jesu Stärke, dass er in den Schwächen noch den Wert erkannte, der in ihnen verborgen ist.
Man fühlt sie lange nach, die Bruchstellen im eigenen Leben. Und man fühlt sie auch bei anderen. Sie sind das Kapital im Umgang mit denjenigen, die unseren Rat und unsere Nähe suchen. Denn es ist der Schrottwert des Lebens, von dem die guten Tröster und die bedingungslosen Freunde zehren.
15. Juli
Glaubenssache:
Mietkautionen
Von Ursula Muth
Vermieter haben es nicht leicht: Immer wieder wird eine Wohnung beim Auszug in miesem Zustand hinterlassen. Wenigstens gleichen Kautionen die Folgen finanziell etwas aus.
Aber es gibt auch die andere Seite: Paul ist ein zuverlässiger junger Mann, der in einer WG wohnte und dort vor allem Ruhe zum Lernen suchte, denn er wollte das Abitur schaffen und studieren. Weil das Haus abgerissen werden sollte, wurde der WG die Wohnung gekündigt. Er bat dann den Vermieter mehrfach um eine Zimmerübergabe, die den einwandfreien Zustand belegen sollte. Aber der hatte keine Zeit – das Objekt war ja auch uninteressant geworden. Die Rückzahlung der Kaution versprach er mündlich –Paul wartet seit vier Jahren vergeblich. Es sind 500 Euro, für Paul viel Geld, das er dringend für die Kaution der neuen Wohnung benötigte. Eltern, die ihn unterstützen, hat er nicht – im Gegenteil, er muss ihre Mietzahlungen mit monatlich 100 € mitfinanzieren.
Die offene Rechnung belastet. Jede zufällige Begegnung mit dem Vermieter ist unangenehm. Kürzlich hörte Paul von einem alten Gesetz Moses: Es fordert die gläubigen Gläubiger auf, alle sieben Jahre den Nächsten die Schulden zu erlassen. Einfach so, um Gottes willen. Eine verrückte Vorstellung für einen Gläubiger! Aber das Gesetz entlastet nicht nur den Schuldner, es macht auch den Kopf des Gebers frei. Paul will diesem Gesetz folgen und den Kopf endlich wieder freibekommen.
Ich staune über seine Großzügigkeit und Konsequenz. Ich hatte das Gesetz so verstanden, dass die Kluft zwischen Arm und Reich nie zu groß werden sollte. Eigentlich eine schöne Utopie.
8. Juli
Glaubenssache
Von Pfarrerin Monika Vöcking
Liebe Leserinnen und Leser,
haben Sie auch manchmal das Gefühl, in der Welt den Durchblick zu verlieren? Es verschiebt sich etwas, und noch kann ich es nicht genau fassen. Die Welt, meine Welt, in der ich lebe, ist im Umbruch. Und noch ist nicht klar, wohin sich diese Welt bewegt. Nicht zum Guten, bin ich versucht zu denken. Dann erinnere ich mich an eine Briefzeile von Ödön von Horvath: „Die Welt ist voller Unruhe, alles ein drunter und drüber, und noch weiß man nichts Gewisses.“, geschrieben 1938.
Zum Glück gehört Optimismus zu einem Grundpfeiler meines Berufes. Nicht etwa, weil ich selbst dauernd optimistisch wäre. Sondern weil ich mich immer wieder damit auseinandersetze, was uns Menschen Mut und Kraft für den Alltag gibt. Ich suche nach Antworten, die mich nicht vertrösten. Ich suche nach Perspektiven, die ich mit anderen teilen kann. Mein Glaube ist in dieser Beziehung eine große Fundgrube. Darüber bin ich sehr häufig sehr erleichtert. Als Orientierung dient mir der Sammelband vieler verschiedener Bücher, Schriften, Gebete und Briefe, genannt Bibel. „Denn Gott hat uns nicht gegeben den Geist der Furcht, sondern der Kraft und der Liebe und der Besonnenheit.“, lese ich (2. Timotheus 1,7).
Ich verstehe das so: es ist wichtig, dass unser Leben nicht durch Angst angetrieben wird: was wird sein – mit der Erde, mit dem Frieden, mit mir, wenn ich älter werde? Gottes Geist hilft mir, mich zu verorten, einen sicheren Stand zu haben. Dann kann ich gelassen werden. Durch Gottes Geist finde ich Kraft und Ruhe in mir. Damit bin ich gewappnet, egal was kommt. Darüber bin ich sehr froh.
Ich wünsche Ihnen den Geist Gottes in Ihrem Leben und einen gesegneten Sonntag,
Ihre Pfarrerin Monika Vöcking
Monika Vöcking ist Pfarrerin im evangelischen Kirchspiel Wettesingen.
1. Juli
Gedanken zum Sonntag:
„Mach mal Pause! So entspannst Du effektiv!“
Von Pfarrer Jonathan Bergau
Über diese Werbeanzeige bin ich gerade gestoßen und muss automatisch lächeln. Auch das noch. Soll ich jetzt auch noch in den Pausen effektiver werden?
Ich denke an meine Oma. Schließe ich die Augen, sehe ich sie stets mit etwas zu tun zwischen den Händen. Sie schält Kartoffeln, schnippelt Bohnen, … . Darüber, Pausen effektiver zu gestalten, hat sie sich wohl nie Gedanken gemacht. Denn wenn eine Freundin oder wir Kinder vorbeikamen, ruhten ihre Hände. Schnell standen Tassen auf dem Tisch und es war Zeit. Pausen ergaben sich und wurden genutzt, auch wenn die Bohnen auf den nächsten Tag warten mussten.
Ich denke an meinen Arbeitsrhythmus. Nun schnibbele ich zwar selten Bohnen, trotzdem sind auch meine Tage gut ausgefüllt. Sie sollen schließlich effektiv genutzt werden. Ich fühle mich ertappt, bin selbst mitten in dem System unserer Zeit gebunden und sehne mich dennoch nach einer Alternative. So lädt schon der Psalmbeter zu einem anderen Lebensentwurf ein: „Dies ist der Tag, den der HERR macht; lasst uns freuen und fröhlich an ihm sein.“ (Ps. 118,24) Ich möchte mich gespannt auf das Geschenk jedes Tages einlassen, um fröhlich arbeiten UND fröhlich Pausen machen zu können. Das wünsche ich auch Ihnen!
Glaubenssache:
Gutes Mittelmaß
Von Pfarrerin Kathrin Wittich-Jung
„Was, wenn ich nur ein mittelmäßiges Leben will?“ Die Frage in ihrem Instagram-Feed springt sie sofort an.
Die Worte treffen sie. Eigentlich hat sie ein schönes Leben. Mit Mann, Kind und Hund im Reihenhaus. Einem Arbeitsplatz, der sie zufrieden macht. Urlaube in Italien und kleinen Alltagsfluchten. Eigentlich könnte alles so schön sein.
Aber da gibt es auch Momente, da ist sie auf einmal unzufrieden mit sich: „Dein Bauch könnte auch flacher sein und deine Haare voller.“ Im Job geht es seit der Elternzeit auch nicht weiter auf der Karriereleiter. Und immer nur Italienurlaub ist ja auch langweilig. Abenteuerurlaub in Thailand – das wäre doch was. Fußspuren auf dieser Welt hinterlassen. Und so kommt sie immer mehr in die Schleife „höher-schneller-weiter“.
„Was, wenn ich nur ein mittelmäßiges Leben will?“
Sie schluckt. Ertappt. Sie denkt an den letzten Urlaub am Gardasee. Da hat ihre Kleine die ersten Schritte gemacht, sie haben das Leben als Familie so richtig ausgekostet. Alle waren zufrieden. Das war richtig schön. Sie mag ihr Leben und ist zufrieden. „Es ist genauso, wie ich es immer wollte“, denkt sie.
Ich denke da an Worte aus der Bibel: „Sei nun wieder zufrieden, meine Seele; denn Gott tut dir Gutes.“
Es ist entlastend, wenn ich nicht wie ein Superman die Welt retten muss. Wenn ich in meinem Leben angekommen bin und nicht rastlos durch das Leben haste.
Und was heißt schon mittelmäßig? Wenn es für mich passt, ist es perfekt. Und das ist es doch, worauf es ankommt. Ein Segen, wenn man genau das Leben lebt, das zu einem passt und dafür dankbar und zufrieden ist.
24. Juni
Gedanken zum Sonntag:
Noch genauso
Von Pfarrerin Renate Wollert
„So schön, wie wir sitzen hier am Feuer im Abendlicht. Weißt du, ich lieb den Gedanken, dass das in zehn Jahren noch genauso ist.“ Zum Abschluss der Musikshow „Sing meinen Song“ haben die Sängerinnen und Sänger fröhlich und wehmütig zugleich zu diesem Song der Band „Silbermond“ getanzt.
Ich wünsche mir das auch: Alles, was schön ist, möge bleiben. Doch was wird in zehn Jahren noch genauso sein, wie es jetzt ist? Die Zeit vergeht wie im Flug. Schon ist wieder der Höhepunkt des Jahres erreicht, bald werden nach der Sommersonnenwende die Tage langsam kürzer.
Die Zeit festhalten, das gelingt nicht. Ich will mich tragen lassen vom Strom der Zeit. Will loslassen können und trotzdem das Gute bewahren. Ich will nach dem suchen, was Halt gibt, auch wenn vieles sich immer wieder verändert.
„Das Gras verdorrt, die Blume verwelkt, aber das Wort unseres Gottes bleibt ewiglich“, lese ich in der Bibel beim Propheten Jesaja. Gott ist bei mir im Wechsel der Zeiten, sein Wort bleibt zuverlässig. Im Vertrauen auf ihn kann ich loslassen, was ich nicht festhalten kann. Und trotzdem und gerade deswegen das Schöne der Gegenwart genießen – und den Gedanken lieben, dass das in zehn Jahren noch genauso ist.
17. Juni
Gedanken zum Sonntag:
Vergessen ist gefährlich
Von Pfarrer Martin Schöppe
Der 17. Juni 1953 steht in der Erinnerung an den Volksaufstand in der ehemaligen DDR. Zentrale Forderungen der Streiks, Massen-Demonstrationen und politischen Proteste waren der Rücktritt der Regierung, freie Wahlen und die Freilassung aller politischen Gefangenen.
Was zu einem Flächenbrand geworden war, wurde mit Hilfe der Stasi und Polizeitruppen des Regimes durch die Sowjetarmee gewaltsam niedergeschlagen. 55 Menschen wurden durch russische Soldaten getötet oder zum Tode verurteilt. Über 55.000 Menschen wurden verhaftet und zu teils langjährigen Haftstrafen verurteilt.
Der Einsatz für Freiheit und Demokratie war hoch und darf nicht vergessen werden. Leider ist das Leben der Menschen im östlichen Teil unseres Landes nie ausreichend gewürdigt und anerkannt worden, weder ihre Erfahrungen noch ihre Erfolge und Herausforderungen im Alltag. Nicht erst durch den Vernichtungskrieg Russlands gegen die Menschen in der Ukraine als auch durch das Erstarken einer rechtsextremen Partei ist deutlich geworden:
Vergessen kann gefährlich werden. Ein Umdenken tut not.
Glaubenssache:
Klebewesen
Von Pfarrer Kai Michael Scheiding
Erinnern Sie sich noch, dass der 17. Juni bis 1990 gesetzlicher Feiertag war? Die Westdeutschen solidarisierten sich im Gedenken mit den Menschen in der DDR, die heute vor 70 Jahren für ein besseres Leben auf die Straße gingen – und ihr Leben verloren, als sie mit bloßen Händen gegen Panzer kämpften.
Auch in unserer Zeit kämpfen in Deutschland Menschen mit ihren Händen auf der Straße für ein besseres Leben in der Zukunft. Den Anfang machte ausgerechnet jene Jugend, der die Älteren gerne nachsagten, sie interessiere sich nur noch für ihr Handy. Jetzt kämpfen sie: mit veganer Ernährung, gendersensibler Sprache, LGBTQ-Toleranz und eben Straßenblockaden. Auch wieder falsch, maulen viele. Doch längst sind die „Klima-Kleber“ keine reine Jugendbewegung mehr, auch Eltern haften für ihre Kinder und Enkel.
Die öffentliche Meinung darüber ist gespalten. Viel hatten die Deutschen zuvor hingenommen: monatelange Lockdowns, Maskenpflicht, Impfungen ohne Langzeitstudien, Preisexplosionen – alles in Duldungsstarre ertragen. Aber wenn man ihre Autos blockiert, werden die Deutschen munter! Vielleicht sagt das mehr uns als Volk aus als über die Jugend.
Ich will damit nicht sagen, dass ich diese Aktionen förderlich finde. Dass mittlerweile aber „not-wendige“ Aktionen dran sind, merkt man, wenn man in den letzten regenlosen Wochen wieder Wasser durch seinen Garten schleppen musste. Und ich sehe, dass unsere Jugend wacher und aktiver ist als viele glaubten. Und Menschen, die für ein besseres Leben für alle Völker (und nicht nur für die eigene kleine Gruppe) kämpfen, verdienen zumindest Respekt.
10. Juni
Gedanken zum Sonntag:
Wie Gott mir, so ich dir...
Von Pfarrerin Jennifer Schwarz
„Er hat aber angefangen.“ So schallt es oft von Spielplätzen oder Schulhöfen. Der andere hat zuerst geschubst, getreten, beleidigt oder anderes böses getan. Und in der Folge wird meist noch etwas kräftiger zurückgeschubst, getreten oder beleidigt. Und schon ist sie da, die Gewaltspirale. Wir sehen sie im Kleinen wie im Großen.
Einer fängt an und andere manchen weiter. Dieses Prinzip kennt auch die Bibel. Und das nicht nur bei dem vielzitierten Satz: „Auge um Auge, Zahn um Zahn.“ Im 1. Johannesbrief lesen wir: „Lasst uns lieben, denn er hat uns zuerst geliebt.“ (1.Joh 4,19)
Auch Liebe kann sich vermehren, wachsen und verbreiten. Gott liebt uns und nimmt uns an mit allem, was zu uns gehört – mit unseren schönen Seiten und auch mit unseren Verfehlungen.
Diese Liebe und Nachsicht, die wir bei Gott erfahren, können auch wir an andere weitergeben zum Beispiel durch ein Lächeln oder ein liebes Wort. Und wir können selbst versuchen nachsichtig miteinander zu sein und erfahrenes Leid nicht noch schlimmer zu vergelten. Gott wünscht sich Frieden für uns und ein Leben ohne Gewalt. Ja, er hat angefangen: Er hat uns zuerst geliebt, damit wir weitermachen.
Glaubenssache:
Langes Wochenende
Von Diakon Alexander von Rüden
Na, genießen Sie auch das lange Wochenende? Ein großer Teil der arbeitenden Bevölkerung hat sich den Freitag als Brückentag zwischen Feiertag und Wochenende freigenommen. Optimal für Kurzurlaub oder Familienbesuch, wunderbar! Solche Entschleunigung des Alltags tut gut!
Aber warum hatten wir eigentlich am Donnerstag den Feiertag mit dem eigenartigen Namen „Fronleichnam“? Heute denken wir bei „Leichnam“ immer an Tote. Vor ungefähr 750 Jahren, als das Fest entstand, hatte dieses Wort noch die gegensätzliche Bedeutung: Es meinte den „lebendigen Leib“. Und der Begriff „fron“ ist ein alter Ausdruck für „Herr“. „Lebendiger Leib des Herrn“ ist also mit Fronleichnam gemeint.
Beim Letzten Abendmahl gab Jesus seinen Aposteln Brot, „sprach das Dankgebet, brach das Brot und sagte: Das ist mein Leib für euch. Tut dies zu meinem Gedächtnis!“ (1 Kor 11,24) Genau daran knüpft Fronleichnam an und wurde daher auch vergangenen Donnerstag wieder vielerorts festlich begangen mit Prozessionen, geschmückten Straßen und Häusern und Freiluftgottesdiensten.
„Zeig draußen, was du drinnen glaubst“ lautete einmal das Motto einer Aktion des Bonifatiuswerks, des katholischen Diaspora-Hilfswerks. Es bringt auf den Punkt, was wir Katholiken an Fronleichnam verdeutlichen wollen: Indem wir das Brot des Abendmahls, das Brot der Eucharistie, auf die Straßen und Plätze unserer Städte tragen, drücken wir damit aus, dass Jesus Christus unter uns ist und uns nahe ist – auf unseren Wegen im Leben und nicht nur im Kirchenraum! Als große Gemeinschaft, als Volk Gottes, sind wir unterwegs – übrigens auch ein Aspekt, den der Deutsche Evangelische Kirchentag, der an diesem langen Wochenende in Nürnberg gefeiert wird, augenscheinlich macht.
3. Juni
Glaubenssache:
Wie bitte?
Von Pfarrer Oliver Jusek
Ich versteh dich einfach nicht!
Die Argumente sind ausgetauscht. Die Standpunkte klargemacht. Wie um alles in der Welt kann mein Gegenüber jetzt nicht zu dem gleichen Schluss kommen wie ich? Das geht doch gar nicht. Es ist nicht zu verstehen. Ich würde am liebsten in das Gegenüber hineinschauen. Was geht darin vor?
Was fühlt mein Gegenüber?
Menschen können so kompliziert sein. Ich verstehe das nicht.
Selbst bei Menschen, die mir nahestehen. Die mir wichtig sind. Die ich liebe. Ich habe eine Ahnung vielleicht, was in ihnen vorgeht. Eine Idee. Aber verstehen? Gar durchschauen? Eher nicht.
Wenn ich schon Menschen nicht verstehe, wie soll ich das dann erst bei Gott schaffen?
Ich erwische mich zu oft bei Gedanken wie: Warum lässt Gott das zu? Warum hat er die Welt so geschaffen, wie sie ist und nicht, wie ich sie für logisch halten würde?
Ich bin sicher, dass Gott viel zu groß ist für den menschlichen Verstand. Paulus ist übrigens der gleichen Meinung, wenn er an die Korinther schreibt: Unser Wissen ist Stückwerk.
Gott kann man nicht verstehen. Muss man aber auch gar nicht. Das ist eine sehr befreiende Nachricht für mich. Ich muss nicht alles bis ins Kleinste verstehen. Muss nicht jede Handlung Gottes nachvollziehen können.
Das hilft mir auch im Blick auf meine Mitmenschen. Ich als Mensch kann nie vollständig verstehen, was Gott ist und was Gott tut. Und so kann ich mich zwar mit meinen Mitmenschen über so manches streiten, aber wer letztlich recht hat, weiß allzuoft nur Gott allein. Damit kann ich meinem Gegenüber in Liebe und Offenheit begegnen. Denn zu verstehen ist das nicht.
27. Mai
Gedanken zum Sonntag:
Zweifeln ist angesagt
Von Arno Backhaus
Wer im richtigen Moment zweifelt, tut andern gut, baut sie auf, sichert ihnen Freiheit, schützt Beziehungen, spart Energie, hält die Umwelt sauber und sein eigenes Herz auch. Es gibt zu Wenige die gut zweifeln!
Viele glauben gerne schlechten Neuigkeiten. Einen bösen Verdacht nehmen sie sich liebend gern zu Herzen. Mit dem Guten tun wir uns zuweilen schwerer. Und definitiv schwer haben es alle, über die wir schlechte Neuigkeiten und Verdächtigungen entgegennehmen. Sie laufen immer häufiger gegen eine unsichtbare Wand. Sie sehen nicht, was ihr Leben schwerer macht, aber sie spüren es auf Schritt und Tritt. Uns liegt das Schlechte gut. Aber es tut nicht gut! Das weiß Gott. Er sagte deshalb deutlich: Sag nichts Unwahres über deinen Nächsten! Mein Rat: Zweifle richtig gut!
Wann immer du etwas Schlechtes über einen andern hörst: Zweifle daran, dass du es richtig verstanden hast. Zweifle, dass du genug weißt. Zweifle an deinem Urteilsvermögen. Denke an Gott! Er ist dein Herr. Er als Schöpfer aller Menschen wird sie letztlich beurteilen. Du kannst ohne Nachteile die Finger davonlassen. Denke an dich! Gott hat dich mit einer Sehnsucht nach Gerechtigkeit und Güte ausgestattet.
Glaubenssache:
Pusteblume
Von Lektorin Anja Mueller-Opfermann
Ja, ich gebe es zu. Auch ich bin ihm in diesem Frühjahr wieder mit Messer und Ausstecher zu Leibe gerückt. Dabei sieht er doch ganz hübsch aus, der Löwenzahn.
Erst leuchtet jede Blüte wie eine kleine gelbe Sonne auf der Wiese, später verwandelt sich diese in eine weiße, flauschig leichte Kugel aus lauter kleinen Schirmchen.
Diese Samen der Pusteblume erinnern mich an Pfingsten und den Heiligen Geist. Nachdem Jesus die Jünger an Himmelfahrt verlassen hatte, saßen diese oft zusammen und erinnerten sich an die Zeit mit Jesus. Frei von Ihrem Glauben zu erzählen, trauten sie sich nicht. Sie waren müde und kraftlos.
Eines Tages hörten die Jünger und Jüngerinnen ein Rauschen, ihre Herzen öffneten sich, und sie fühlten eine neue und starke Energie, die sie in Bewegung setzte. In der Bibel heißt es dazu, dass die Jünger vom heiligen Geist ergriffen wurden. Sie spürten den Drang, an die Öffentlichkeit zu gehen. Keiner von ihnen war mehr ängstlich Sie begannen in allen möglichen Sprachen Gott zu preisen und von Jesus zu erzählen. Das alles gab ihnen den Mut sich auf den Weg zu machen und den Glauben an immer mehr Menschen weiterzugeben.
So ist das auch mit der Pusteblume. Zunächst sind alle Schirmchen eng miteinander verbunden. Pustet man daran gehen die Samenschirmchen auf Reisen und Verbreiten sich. Die Samen finden immer wieder einen Platz, wo sie aufgehen, wachsen und blühen können. Genauso ist es auch mit dem Glauben: Er wurde und wird immer noch weitergetragen. Überall auf der Welt hat sich das Christentum inzwischen verbreitet.
20. Mai
Glaubenssache:
Damit es weiter summt…
Von Pfarrerin Katharina Ufholz
Heute ist Weltbienentag, hätten Sie es gewusst? Die Generalversammlung der Vereinten Nationen hat 2014 den 20. Mai zum World Bee Day ausgerufen. Denn wir haben den kleinen pelzigen Tierchen einiges zu verdanken. 75 % aller Nahrungspflanzen auf der Erde sind von der Bestäubung insbesondere durch Bienen abhängig. Eine Welt ohne Bienen ist also undenkbar.
Es fasziniert mich immer wieder, was in diesen kleinen Insekten steckt. Um ein einziges Glas Honig zu produzieren, fliegt ein Bienenvolk bis zu 3 Millionen Blüten an und legt dabei eine Strecke zurück, die etwa dreimal um die Erde reicht. Was für ein Wunder! Mich erfüllt das mit Ehrfurcht vor dem Leben und vor Gottes Schöpfung.
Wie treffend finde ich da eine Aufschrift am Ratzeburger Dom in Schleswig-Holstein. Dort steht in einer Mauernische ein steinerner Bienenkorb und über ihm die Worte: „Deus in minimis maximus“ – „Gott ist in den Kleinsten der Größte“.
Aber diese Kleinsten sind gefährdet. Schon seit langem ist das Bienensterben in aller Munde. Und in manchen Teilen Deutschlands sind in den letzten dreißig Jahren etwa Dreiviertel aller Insekten verschwunden. Das ist eine Katastrophe!
In der Schöpfungsgeschichte in der Bibel erhalten die Menschen den Auftrag, die Erde zu bebauen und zu bewahren (Gen 2,15). Es ist unsere Aufgabe, das Leben zu beschützen.
Gut also, dass es Tage wie den Weltbienentag gibt, die uns daran erinnern. Wir alle können etwas tun, damit es weiter summt.
13. Mai
Gedanken zum Sonntag:
Zum Muttertag
Von Pfarrer i.R. Karl Christian Kerkmann
Wir, meine Frau und ich, sind jetzt im Lebensabschnitt der Großeltern. Eine liebe Bekannte sagte vor kurzem: „Die schönste Erfindung ist: Großeltern zu sein!“ Auf einer Karte, die uns Weihnachten erreichte, stand – unter einem Babyfoto: „Ein Kind – das sieht Gott ähnlich!“ Gott zeigt sich uns – in dem Kind von Nazareth. Gott wird einer von uns und kommt uns ganz nah.
Ich bin überzeugt: ein Kind – und wir alle – sehen Gott ähnlich. Ganz am Anfang der Bibel steht: „Gott schuf den Menschen zu seinem Bilde!“ Darum: Gott sei Dank! Und den Müttern sei Dank!
Und die Frage stellt sich mir: Was ist eine Mutter? Vor kurzem stand in der HNA im Leitartikel: auf der Internetseite der ARD war, statt von Mutter, von einer „entbindenden Person“ die Rede.
„Etwas so Elementares, unauflöslich mit der Natur des Menschen und seiner Daseinsweise Verbundenes sollte hier bestritten werden.“
Wie auch immer das Verhältnis zur eigenen Mutter war oder ist: Allein in dem Wort „Mutter“ drückt sich ganz viel aus. Da schwingt mit: der Inbegriff von Liebe, Geborgenheit und Verlässlichkeit. Dies wird erfahren und gelebt von Mütter und Vätern, von Großmüttern und Großvätern.
Und das, was wir mit dem Wort Mutter verbinden, „geschieht darüber hinaus in Familien, Partnerschaften, unter Freunden, unter einander Zugewandten, zwischen Menschen mit warmen, offenen Herzen.“
In der Bibel, beim Propheten Jesaja, wird in diesem Sinne ein Gotteswort überliefert: „Ich will euch trösten, wie einen seine Mutter tröstet.“
So möge der ‚Muttertag‘ nicht nur ein Tag des Dankens, sondern auch eine Ermutigung zu „mütterlich/göttlichem“ Handeln sein.
Glaubenssache:
Alt wie ein Baum
Von Pfarrer Jens Holstein
Dieser Tage wurde berichtet, dass die Lebenserwartung in Deutschland im westeuropäischen Vergleich niedrig ist. Die Männer werden gut 78 Jahre alt, Frauen können im Durchschnitt auf 83 Jahre hoffen. Das ist gut biblisch.
Unser Leben währet siebzig Jahre, und wenn’s hoch kommt, so sind’s achtzig Jahre. So lautet die bekannte Weisheit aus dem 90. Psalm. Es heißt dann aber weiter: und was daran köstlich scheint, ist doch nur vergebliche Mühe. Aber ist das heute noch richtig?
Die moderne Medizin und die sozialen Systeme ermöglichen der älteren Generation unserer Tage meist einen gesicherten und rüstigen Ruhestand. Vor allem ist da Raum, das Leben zu gestalten. Viele Ruheständler genießen die Zeit mit Kindern und Enkeln oder haben die Möglichkeit auf Reisen zu gehen. Nie zuvor war diese Altersgruppe so aktiv. Das E-Bike hat viele Menschen in Bewegung gebracht, die sich sonst eher auf die Ofenbank als aufs Fahrrad setzen würden.
Vor einigen Jahren wurde gar von der silbernen Kirche gesprochen. Menschen sind zwar ergraut, können aber aktiv das Leben in der Kirche und darüber hinaus mitgestalten. All das ist Grund, mit Dank und Freude das Leben zu schätzen, das uns von Gott geschenkt ist. Das gilt es zu genießen, aber auch zu würdigen. Zugleich möge das Ansporn sein, die Ressourcen im Alter zu nutzen, um etwas zu bewegen. Das kann in der Familie sein aber auch im Engagement für das Gemeinwohl.
Wenn wir unserem Leben damit einen Sinn geben, dann lohnt es sich alt wie ein Baum zu werden, wie es einst die deutsche Rockgruppe Puhdys besungen hat.
6. Mai
Gedanken zum Sonntag:
Singt!
Von Pfarrer Enwood Longwe
Ich weiß nicht, wie es ihnen mit dem Singen geht, aber für mich hat das Singen immer eine befreiende Kraft. Wenn ich Sorge oder eine Krise habe gehe ich in die Küche, mit Händen spüre ich unser Geschirr und singe meine Sorgen weg. Im Singen bekomme ich neuen Mut, spüre eine Kraft in mir, die mir hilft meine Krisen zu bewältigen. Singen öffnet verschlossene Türen: Gesang erhebt unser Inneres über unseren Körper hinaus. Singen erhebt unseren Geist und Körper aus uns heraus. “ Singen bereitet uns auf Gottes Wunder vor hat Oma uns Kindern immer gesagt.
Klimawandel, Corona, Krieg, Hunger, Steigende Kosten, Hass Verschwörungstheorien, Kulturkämpfe. Die Welt….wir befinden uns im Krisenmodus. Die Krisen sind so eng verzahnt, dass ein Zurück zu gewohnter Stabilität nicht zu erwarten ist. Und wo finde ich in so einer Situation Klarheit, Kraft, Hoffnung. Ich singe! „Ich sing dir mein Lied, in ihm klingt mein Leben. Die Töne, den Klang hast du mir gegeben, von Zeichen der Hoffnung auf steinigen Wegen, du Zukunft des Lebens. Dir sing ich mein Lied,“ heißt es in meinem Lieblingskirchenlied aus Brasilien. Kantate(Singt!) heißt es diesen Sonntag. Was ist ihr Lied? Bleiben Sie behütet!
Pfarrer Enwood Longwe ist evangelischer Seelsorger aus Hofgeismar.
Glaubenssache:
„Und vergiss nicht…!“
Von Jürgen Krackrügge
Vermutlich kennen Sie die Werbung, in der für ein Arzneimittel gegen die Vergesslichkeit geworben wird. Natürlich hat der Ehemann, der dieses Mittel auf seiner Einkaufsliste stehen hatte, den Einkauf nicht vergessen.
Ich durfte in dieser Woche meinen Geburtstag feiern. Bei fortschreitendem Alter muss ich gestehen, dass ich schon mal beim Einkauf etwas vergessen habe. So war es kürzlich die „Rote Grütze“ Packung, die meine Frau sehnlichst erwartete, um diesen leckeren Nachtisch für eine Feier anbieten zu können. Peinlich, aber leider gab es diese Packung nicht bei uns im Bürgerladen. Dort hätte man sie ja schnell holen können. Ich vermute, dass Sie ähnliche Situationen kennen.
Mir fiel spontan zur Überschrift eine Satzergänzung aus der Bibel ein. Da heißt es im Psalm 103: „Und vergiss nicht, was er dir Gutes getan hat.“ Der Psalmdichter fordert zum Lob Gottes auf und sagt, dass es gut sei, sich daran zu erinnern, was Gott nicht schon alles Gute für uns getan hat. Da möchte ich auch gerne in dieses Lob einstimmen. Ich möchte bekennen, dass Gott mir sehr viel Gutes in meinem Leben gegeben hat.
Dabei fällt mir noch eine Bibelstelle ein, die ausdrückt, dass es bei Gott keine Vergesslichkeit gibt: Der Prophet Jesaja drückt es so aus (Jesaja 49 V.15): „Kann eine Mutter ihren Säugling vergessen? Bringt sie es übers Herz, das Neugeborene seinem Schicksal zu überlassen? Und selbst wenn sie es vergessen würde – ich vergesse dich niemals!“ Das ist Gottes fantastisches Versprechen auch für Sie und mich. Gott sei Dank dafür.
29. April
Glaubenssache:
Bunte Fingernägel
Von Pfarrer Dr. Michael Dorhs
Seine Hände waren mir gleich aufgefallen: Alle Fingernägel knallbunt lackiert, jeder Nagel in einer anderen Farbe. Ein Blickfang! Und jeder in der Kneipe schaute tatsächlich hin, wenn er Geld kassierte oder das Bier brachte. Ihn schien das nicht zu stören. Er war sich seiner selbst sicher. Bewundernswert, denn nicht alles, was wir von uns zeigen, stößt auf Gegenliebe. Manchmal kann die Reaktion auch heftig sein.
Ich war Mitte 20, als ich mit einem Ohrring nach Hause kam. Für mich damals ein Versuch auszudrücken, wie ich mich fühlte, wie ich gesehen werden wollte. Aus Sicht meines Vaters aber eine Unmöglichkeit für einen Mann. Die Folge: Gesprächsabbruch für lange Zeit! Wer sich zeigt mit dem, was in ihm ist, der muss damit rechnen, dass sich Menschen von ihm abwenden – vor allem, wenn es um mehr als nur einen Ohrring geht. Das tut weh. Aber was Gott ganz bewusst nur in mir angelegt hat, das ist dafür wieder ein Stückchen sichtbarer geworden. Und natürlich wird es andere geben, denen das gefällt, was sie zu sehen bekommen! Auf einmal finde ich Verbündete und stehe mit meiner Meinung nicht mehr allein da.
Gegenseitig stärken wir uns den Rücken und ermutigen andere, sich ebenfalls mit dem zu zeigen, was sie unverwechselbar macht. Und manchmal ist es auch einfach „dran“, sichtbar zu machen, für was und zu wem man steht, wenn man sich an die Seite eines Freundes stellt, der öffentlich angegriffen wird. Denn das gehört zum Wesen von Freundschaft, dem Freund die eigene Stimme zu leihen, damit auch er gehört und erkennbar wird. So kann sichtbar werden und zur Entfaltung kommen, wie Gott einen jeden und eine jede von uns gemeint hat.
15. April
Gedanken zum Sonntag:
Wer's glaubt wird selig?!
Von Pfarrerin Hannah Tinnefeld
Der erste Sonntag nach Ostern hält uns Situationen vor Augen, die viele von uns kennen. Vielleicht eine Situation wie diese: Da erzählt ein Kollege auf der Arbeit eine unglaubliche Geschichte. Eigentlich wirklich interessant, aber schnell werden die ersten Stimmen laut, die fragen: Wer's glaubt wird selig?! Wo ist eigentlich der Beweis? Also ich glaube ja nur, was ich wirklich sehe.
Solche Aussagen sind natürlich oft kein böser Wille, sondern ein Ausdruck unserer Gesellschaft. Als Menschen liegt es in unserer Natur die Hintergründe von Phänomenen und Aussagen zu erfragen. Wie gut! Sonst wären vielen Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen wohl niemals solch große Durchbrüche, wie beispielsweise die Erfindung des Telefons oder des Internets gelungen. Diese "Ich glaube nur, was ich sehen kann"-Mentalität kann jedoch auch zu einer echten Herausforderung werden.
Gerade erst haben Christen und Christinnen auf der ganzen Welt das Osterfest gefeiert und damit ein Fest, in welchem es um etwas völlig Unfassbares, die Auferstehung geht. Da kommen viele an ihre Grenzen.
Auch die Jünger und Jüngerinnen staunten wohl nicht schlecht, als da am Abend des ersten Tages der Woche ein Mann vor ihnen stand, "Friede sei mit euch" sprach und ihnen seine Hände mit den Kreuzesmalen zeigte. Sein Jünger Thomas konnte es erst glauben, als er die Wunden Jesu auch wirklich berührt hatte. Jesus versteht die Sorgen und Ängste seiner Freunde und Freundinnen. Behutsam hilft er Thomas in dieser Geschichte seinen Glaube wiederzufinden. So konnte er später auch das glauben, was er nicht sofort sehen und verstehen konnte.
Durch diese Geschichte wird noch heute für uns deutlich: Der Geist Gottes zeigt sich auf unterschiedliche Art und Weise in unserer Welt. Nicht alles ist sofort fass- oder verstehbar. Manches braucht Zeit, damit eine andere Perspektive auf die Dinge möglich wird.
Wie gut, dass wir glaube dürfen! "Selig sind, die nicht sehen und doch glauben", verspricht uns Jesus.
Glaubenssache:
Wie neu geboren
Von Dekan Wolfgang Heinicke
Opas Ansage war klar: "Erst wenn du alt genug bist, darfst du mit in den Stall, wenn ein Kälbchen geboren wird." Und irgendwann war ich alt genug, um leise zu sein, dass die Kuh keinen Schreck bekommt; um den Erwachsenen nicht im Weg zu stehen, wenn sie Geburtshilfe leisten. Der erfahrenste Nachbar übernahm die Untersuchung: Er wusch sich die Hände, ölte den Arm mit Speiseöl ein und tastete sich voran. Erleichterung, als er melden konnte: "Et ligget richtich röm" – Das Kalb liegt richtig, mit Vorderbeinen und Kopf voran, dann wird hoffentlich alles gutgehen. Und es ging alles gut.
Als unsere Töchter geboren wurden, habe ich versucht, meine Frau zu unterstützen und der Hebamme nicht im Weg zu stehen. Ich habe Ängste um Frau und Kind ausgestanden. Und dann der Moment, als nach großer Anstrengung erst der Kopf und dann sehr schnell das ganze Kind in unserer Mitte war. Ein Wunder, "ein Blick in die Schöpfungsstunde" singt Reinhard Mey von diesem Augenblick.
In diesen Tagen werden wir unsere Mutter begraben. Mich tröstet dabei ein Gedanke Luthers: "Es geht beim Sterben zu, wie wenn ein Kind aus der kleinen Wohnung in seiner Mutter Leib mit Gefahr und Ängsten in diesen weiten Himmel und diese weite Erde geboren wird. So geht der Mensch durch die enge Pforte des Todes aus diesem Leben. Und obwohl die Welt, in der wir jetzt leben, groß und weit scheint, ist sie doch gegen den zukünftigen Himmel viel enger und kleiner als der Mutter Leib gegen den Himmel, den wir heute sehen."
Darum heißt das Sterben der Christen eine "neue Geburt".
8. April
Gedanken zum Sonntag:
Ostern in Zeiten des Krieges
Von Pfarrerin Ulrike Bundschuh
Wie ein Sturm wirbelt der Geist der Auferstehung die Soldaten durch die Luft. Ihre Waffen und ihre Panzer haben keine Macht. Der Marmorsarg bricht auf; der Tod kann Christus nicht festhalten. Das Leben behält den Sieg, die Hoffnung auf Frieden lässt sich nicht zerstören.
Der Maler Matthias Grünewald stellt auf dem Isenheimer Altar in Colmar dar, wie der auferstandene Christus sich befreit aus seinem Grab und die Wächter ihn nicht festhalten können.
Was heißt das in dieser besonderen Situation, in der das Völkerrecht täglich gebrochen wird, in der Menschen im Krieg sterben, fliehen und ihre Lebensgrundlagen verlieren?
Dass Christus lebt, heißt: wir geben die Hoffnung nicht auf, dass Menschen in Frieden auf dieser Erde leben! Wir geben die Hoffnung nicht auf, dass Menschen ein Leben führen in Würde, in Freiheit und Gerechtigkeit.
Dass Christus lebt, heißt: wir lassen uns nicht entmutigen, selbst wenn die Aufgaben zu groß scheinen: wir üben uns in Gastfreundschaft und nehmen die Menschen auf, die kein Zuhause mehr haben, wir teilen z.B. mithilfe der Tafeln; wir unterstützen, wo es nötig ist; wir öffnen unsere Räume und Herzen.
Der Glaube an die Auferstehung lässt uns Wege suchen, die der Kriegslogik von Macht und Gewalt widerstehen:
Seit Jahrzehnten üben wir in unseren Orten, unseren Gemeinden, in Schulen, in Sportvereinen, wie wir miteinander unser Leben im Frieden gestalten können. Wie das Leben in der einen Welt für alle gehen kann: gewaltfrei und lösungsorientiert. Es sind die kleinen Mosaiksteine, aus denen ein Ganzes wird!
„Christus ist unser Friede!“ Aus dieser österlichen Kraft leben wir – auch und gerade in dieser Zeit!
Christ ist erstanden – er ist wahrhaftig auferstanden! Halleluja!
Glaubenssache:
Schlag auf Schlag
Von Prädikant Günther Dreisbach
Vorgestern Gründonnerstag, gestern Karfreitag, heute Karsamstag, morgen Ostern. Übermorgen Ostermontag. Es geht Schlag auf Schlag in diesen Tagen. Und manche konnten Ostern gar nicht abwarten. Osterfeuer schon am Gründonnerstag. Die Freude, das Fest der Auferstehung Jesu Christi zu feiern, ist nicht zu bremsen. Und das ist gut so. Das ist schön!
Aber heute ist erst einmal Karsamstag. Ein komischer Tag. In den Geschichten von der Passion Jesu wird der Tag als Sabbat bezeichnet, an dem die frommen Juden nach dem Gesetz ruhten. Da kennt der Fromme keinen Spaß. Am Sabbat arbeitet er nicht. Das ist ein ganz altes Gebot. Und danach wird sich gerichtet. Und danach richten sich auch die, die das Geschehen um den Tod Jesu auf Golgatha begleiten. Denn in der Ruhe scheint die Kraft zu liegen. Natürlich weiß ich: Ruhe nach dem Gesetz ist »out«. Und auch dass es in der Bibel empfohlen wird, ist »out«. Die Frauen am Grab Jesu, die in der Ruhe Kraft bekommen haben, das schöne Ereignis zu feiern, das vor ihnen liegt, würden heute ja nur noch müde belächelt.
Aber die haben sich auf Ostern gefreut. So wie wir uns darüber freuen. Mit sogar einem zusätzlichen freien Tag. So wichtig ist uns allen die Auferstehung Jesu, der Sieg des Lebens über den Tod! Das feiern wir Ostern. Betrachten wir den zusätzlichen freien Tag doch als Gabe Gottes. Und am besten danken wir ihm das, wenn wir einen der vielen Gottesdienste besuchen, die angeboten werden – auch in dieser Zeitung. Es ist Ostern: Der Herr ist auferstanden, Halleluja! Er ist wahrhaftig auferstanden, Halleluja!
1. April
Gedanken zum Sonntag:
Nähe und Geborgenheit
Von Pfarrer David Seibel
Als hoffnungslos und lebensbedrohlich können wir die aktuelle Weltlage beschreiben. Nur drei Beispiele: Wieder wird von einer Bankenkriese gesprochen. Beim Klimaschutz verhärten sich die Fronten. In Europa ist seit über einem Jahr Krieg und es ist kein Ende in Sicht.
Mit dem Einzug Jesu in Jerusalem am Palmsonntag beginnt die Karwoche. Die Menschen damals sind ganz aus dem Häuschen. Der Retter, der Friedensbringer, der wahre König kommt! Und dann werden sämtliche Hoffnungen zerschlagen. Leben wird zerstört. Doch so endet die Geschichte Jesu nicht. Es ist die Erfahrung von Nähe und Geborgenheit, die damals neues Leben möglich macht. Die Jüngerinnen und Jünger spüren an Ostern, dass Jesu mitten unter ihnen ist. Durch die Verbundenheit mit ihm und untereinander fühlen sie sich geborgen. Das gibt ihnen Kraft. Statt Hoffnungslosigkeit und Tod spüren sie das Leben und einen tiefen Glauben: Gottes Liebe ist stärker als der Tod.
Die Erfahrungen von Bedrohung und Resignation treffen uns Menschen im Innersten. Sie machen Angst. Die wirksamsten Gegenmittel sind Nähe und Geborgenheit. Und das können wir uns immer schenken, egal wie verrückt die Welt gerade spielt. Wir können uns einander zuwenden. Wir können aneinander denken. Und wem es möglich ist, der kann für andere beten. Schon die kleinsten Zeichen von Nähe und Geborgenheit reichen, um unsere Welt zu verändern. Damit Menschen neue Hoffnung schöpfen und gut leben können. Und damit wir alle Ostern feiern können.
Glaubenssache
Von Pfarrer i.R. Ulrich Trzeciok
„Himmelhoch jauchzend – zu Tode betrübt“, man muss nicht erst an einer bipolaren Störung leiden, um zu wissen, wie es einem in solch einer Gefühlslage ergeht. Diese hält uns auch die Passionswoche bereit, morgen mit dem Palmsonntag beginnend.
Jesus von Nazaret zieht zum Paschafest feierlich in Jerusalem ein: Menschenmassen am Wegesrand umjubeln ihn „Hosanna dem Sohne Davids“, Palmwedel werden geschwungen, , Textilien über den Straßendreck gebreitet. Aber es ist kein roter Teppich, denn wenige Tage später ist alles vorbei: „Ans Kreuz mit ihm“. Tiefer als ins Grab am Karfreitag kann man dem Tod nicht kommen. Und seine Anhängerschaft ist zu Tode betrübt verschwunden.
Christen, die –gleich welcher Konfession- ihren Glauben ernst nehmen, werden sich in den kommenden Tagen dieser Spannung stellen. Sie wissen: Jesus zieht nicht wie ein irdischer Triumphator dahin, wie ein Ritter auf seinem Schlachtross, er reitet auf einem Esel, dem Arbeitstier der einfachen Leute, er kommt als sanftmütiger Friedenskönig – wie der Prophet Sacharja es angekündet hatte. Am Karfreitag scheint seine Friedensbotschaft der Gewalt zu erliegen. Christen haben erfahren, dass zu Ostern nicht wieder ein vergängliches „Himmelhoch jauchzend“ folgen darf, sondern das Bemühen, den zugesagten Frieden in der Welt weiter zu geben. So wie ein wenig Sauerteig eine große Menge Mehl zu genießbarem Brot werden lässt; Lebensbrot.
Ulrich Trzeciok ist Stadtpfarrer im Ruhestand und Geistlicher Rat aus Naumburg.
25. März
Gedanken zum Sonntag
Von Pfarrer Andreas Schreiner
Langsam nähert sich auch in diesem Jahr die Fastenzeit ihrem Ende. Wir begehen an diesem Sonntag schon den fünften Sonntag der Fastenzeit, „Passionssonntag“ oder „Judica“ genannt. „Judica“ nach dem lateinischen Eröffnungsvers der Liturgie an diesem Sonntag, „Verschaff mir recht, o Gott“. Passionssonntag, weil nun der Schwerpunkt in der Liturgie bis Ostern auf der Passion, dem Leiden Christi liegt.
In der deutschen katholischen Kirche kommt noch ein weiterer Aspekt dazu: es ist in jedem Jahr am fünften Fastensonntag der Misereorsonntag. Misereor ist die Organisation der deutschen Bischöfe für Entwicklungszusammenarbeit. Früher sagte man auch „Entwicklungshilfe“. In vielen, vielleicht in meisten Gemeinden wird der Gottesdienst an diesem Sonntag besonders unter diesem Gesichtspunkt gestaltet, oft als Abschluss einer längeren Fastenaktion.
„Frau. Macht. Veränderung.“ ist das Leitmotiv in diesem Jahr. Und Misereor stellt besonders Frauen auf Madagaskar in den Mittelpunkt, die um Veränderung in ihrer Gesellschaft ringen. Madagaskar ist eines der am wenigsten entwickelten Länder dieser Erde. Dabei hat es viele natürliche Ressourcen, fruchtbares Ackerland und vor allem unglaublich viel Potential in seinen jungen Menschen.
Madagaskar, so wie alle ärmeren Länder dieser Erde, die ja meist auf der Südhalbkugel liegen, hat viel mehr mit Nahrungsmittelkrise, steigenden Energiekosten und Inflation zu kämpfen als die reicheren Länder des Nordens. Und deswegen möchte ich Ihnen an diesem Wochenende Misereor und all die anderen Organisationen und Hilfswerke ans Herz legen, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, unsere Erde für alle Menschen lebenswerter und schöner zu machen.
Andreas Schreiner ist katholischer Pfarrer in Immenhausen, Vellmar, Ihringshausen und Reinhardshagen.
Glaubenssache:
Unerzählte Geschichten
Von Pfarrerin Isabell Paul
Schon vorbei? Dieses Gefühl habe ich oft nach Filmen und Büchern, die mich begeistert haben. Da bleiben viele Fragen in mir zurück. Ich denke an den Nebencharakter, den ich gerne näher kennengelernt hätte. Was ist mit seiner Geschichte? All diejenigen, die nicht im Fokus einer Erzählung stehen, die aber meine Aufmerksamkeit erregt haben und deren Geschichten offenbleiben – was ist mit denen?
Genau an dieser Stelle setzt die Fantasie ein – das finde ich großartig. Hier eröffnen sich plötzlich so viele Möglichkeiten.
Was hat die Stiefschwester aus „Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“ zu der gemacht, die sie ist?
In biblischen Texten ist das auch so – es gibt Nebenfiguren, die neugierig machen und Dinge, die offen bleiben. Im Johannesevangelium gibt es einen Namenlosen. „Lieblingsjünger“ wird er genannt. Er ist der, der immer wieder im engen Kontakt mit Jesus steht, der die wichtigen Fragen stellt und der Jesus erkennt, wenn andere es nicht tun. Um ihn ranken sich viele Fragen – Wer war dieser Lieblingsjünger? Der Text beantwortet sie nicht.
Ich glaube, das ist der Grund, wieso die unerzählten Geschichten so viel Reiz haben. Diese offenen Stellen lassen die Gedanken frei – Was wäre wenn?
Wenn Aschenbrödels Stiefschwester nur so getan hat, als wäre der Schuhe zu klein, weil sie den Prinzen gar nicht wollte?
Wenn der Lieblingsjünger dir etwas über dich erzählt? Was, wenn der Lieblingsjünger deinen Namen trägt? Du bist jemand, der etwas von Gott in der Welt entdeckt, wo andere es nicht tun. Jemand, der die wichtigen Fragen stellt.
Was wäre, wenn ich diesen Gedanken mit in die Woche nehme?
18. März
Gedanken zum Sonntag:
Angst und Beten
Von Pfarrer Dr. Jochen Gerlach
Er sitzt vor mir und ich spüre den Druck, unter dem er steht. Der Personalmangel, der Krankenstand, der Kostendruck, das lastet auf ihm. Wir suchen nach dem nächsten möglichen Schritt. Menschen, die Verantwortung für Dienstpläne und Abläufe tragen, haben derzeit in vielen Branchen Schweres zu bewältigen. Klar, vieles kann hier nur politisch gelöst werden. Persönlich hilft es, eine andere Haltung einzuüben.
Psalm 27 bietet uns Worte an, die ein Mensch vor 2500 Jahren unter Druck und in Angst gebetet hat. Er spricht von seiner Angst, seinen Kämpfen, vom Gefühl, dass Gott fern ist und davon, dass er verlassen ist.
„Gott ist mein Licht und meine Freiheit, vor wem sollte ich mich fürchten?“, so beginnt das Gebet. Wenn ich bete, suche ich die Stille, finde Worte für meine Situation. Ich lasse mich auf das Auf und Ab der Gefühle und Gedanken ein. Ich spreche die Angst aus. Das ist der erste Schritt sie zu regulieren. Wenn ich dann „Gott“ sage, die alles durchdringende Macht, die weder bewiesen noch geleugnet werden kann, dann weite ich meinen Blick. Wenn ich „Gott“ sage, dann blicke ich auf meine Situation von außen. Dann wird alles entmachtet und an seinen Platz gerückt: Zwänge, Menschen, ich selbst. Beten schenkt mir ein Stück Freiheit.
Glaubenssache:
Sieben Wochen ohne
Von Lektorin Maryam Parikhahzarmehr
„Sieben Woche ohne Verzagtheit“ ist das diesjährige Motto der evangelischen Fastenaktion. Das ist schön gesagt. Aber es fällt mir nicht leicht, nicht verzagt zu sein. Meine Gedanken sind bei den Mädchen im Iran, auf die Giftattacken ausgeübt werden. Während in Deutschland Konzepte zum Wohl der Schülerinnen und Schüler erstellt werden, sehen wir, wie im Iran Schulmädchen vergiftet werden. Warum? Es gibt keine Erklärung. Kann ich da unverzagt sein? Ich kann es nicht. Der iranische Präsident macht die Feinde des Iran dafür verantwortlich. Und er meint die USA und Israel. Eltern fühlen sich ratlos, wollen ihre Kinder nicht mehr in die Schule schicken. Ich bin dankbar, dass unsere Außenministerin Annalena Baerbock diesen Skandal, der an iranischen Mädchen geschieht, deutlich beim Namen genannt hat. Und ich bete dafür, dass den Mädchen geholfen wird, Mädchen, die so alt sind wie meine Töchter.
Ich tue mich schwer mit „Sieben Wochen ohne Verzagtheit“. Aber ich bete. Ja, ich bete. Ich vertraue darauf, dass Jesus, an dessen Leidensweg wir in dieser Passionszeit denken, mein Beten hört. Ich will ihm in den Ohren liegen. Ich will ihm von meiner Verzagtheit erzählen. Und ich hoffe, dass er mein Gebet hört und hilft.
Zu den Themen der Aktion „Sieben Wochen ohne“ gehört auch das Segnen. Das ist die Zuversicht, dass Gott uns nicht allein lässt. Meine kleine Tochter hat kürzlich das Segenszeichen, das Kreuz, für sich entdeckt. Manchmal zeichnet sie uns ein Kreuz auf die Stirn. Das lässt uns hoffen: Gott lässt uns nicht allein. Und die bedrohten Mädchen in meiner Heimat auch nicht.
11. März
Gedanken zum Sonntag:
Sehnsucht nach...
Von Pfarrer Jonathan Bergau
Schnee, Kälte, Schmuddelwetter. Ich habe die Schnauze voll vom Winter. Ich sehne mich nach Sonne, Wärme, nach Frühling. Auch die Tulpen auf dem Esstisch können meine Laune nicht heben. „Ab in den Süden, bloß weg von hier“, denke ich manchmal.
Ich denke an den vergangenen Sommer zurück. Damals saß ich schwitzend hier am Schreibtisch. Die Sonne spiegelte sich in meinem Bildschirm und erschwerte das Arbeiten. Ich hatte die Schnauze davon voll und ersehnte Abkühlung. „Ab in den Norden, bloß weg von hier“, dachte ich damals manchmal.
Vielleicht denken Sie, dem kann man es auch nicht recht machen. Im Winter will er es wärmer haben und im Sommer kälter. Ich gebe zu, ich erschrecke selbst über mich. Nicht nur bei der Frage nach dem Wetter, auch in vielen anderen Bereichen geht es mir so. Ich spüre eine tiefe Sehnsucht nach Dingen, die ich gerade nicht haben kann. Wohin mit dieser Sehnsucht? Eine Reise in den Süden oder in den Norden je nach Jahreszeit könnte meine Sehnsucht nach Wärme oder Kälte zumindest teilweise befriedigen. Die Sehnsucht nach der Lösung der großen Fragen des Lebens lässt sich nicht so einfach stillen. Ich sehne mich nach heilen Beziehungen, nach Gesundheit, nach dem Ende der Kriege, … .
Als Fragender, als Sehnsüchtiger stimme ich ein in das Lied: „Dass du, Gott, das Sehnen, den Durst stillst, bitten wir. Wir hoffen auf dich, sei da, sei uns nahe, Gott.“ Ich stimme mit meinen Sehnsüchten ein auch für die, denen die Stimme wegbleibt.
Glaubenssache:
Männer an den Herd!
Von Pfarrer Johannes Heicke
Zwei Termine fallen jedes Jahr nah zusammen: Der Weltfrauentag am 8. März und der Weltgebetstag am ersten Freitag im März, der von Frauen überall aus der Welt vorbereitet wird. Ich finde es erstaunlich, wie progressiv die Bibel in diesen Fragen ist – jedenfalls wenn man sie vor ihrem historischen Hintergrund betrachtet: „Hier ist nicht Mann noch Frau, denn ihr seid allesamt einer in Christus“ (Galater 3, 28) steht da zum Beispiel oder „Ordnet euch einander unter“ (Epheser 5, 21). Leider hat die Kirche viel zu oft auf die vielen anderen Stellen geschaut (und tut es noch heute), die der damaligen Männerherrschaft verhaftet waren – anstatt darauf zu sehen, wie revolutionär auch Jesus mit den Frauen umging.
Beim Lesen der Artikel zum Weltfrauentag fiel mir allerdings eine Schieflage auf: Da wird von Politik und Arbeitgebenden gefordert, in männerdominierten Berufen zum Beispiel in der Industrie dafür zu sorgen, dass Familie und Beruf besser zu vereinbaren sind, damit auch Frauen in diesen Berufen arbeiten können. Mein Eindruck ist, dass die fehlende Familienfreundlichkeit nicht nur an der Politik und den Arbeitgebenden liegt, sondern auch daran, dass wir Männer oft selbst nicht dafür kämpfen, die gleichen Kinder-Betreuungszeiten in Anspruch zu nehmen wie unsere Frauen. Am Ende ist uns unsere Karriere eben doch wichtiger als Gleichberechtigung und Familie, und wir geben unseren Frauen nur wohl oder übel, was sie fordern. Unbewusst gehen wir doch davon aus, dass sie den Großteil des Haushalts und der Erziehung übernehmen. Zuerst müssen wir uns also an unsere eigene Nase fassen.
4. März
Gedanken zum Sonntag:
Engel ohne Grenzen
Von Dekan Wolfgang Heinicke
Am 4. März 1948, heute vor 65 Jahren, starb sie an Krebs im Alter von 59 Jahren: Elsa Brandström. Ihr Vater war schwedischer Offizier im Auslandsdienst im russischen Sankt Petersburg. Dort wuchs sie auf, war Teil der höheren Gesellschaft. Sie meldet sich zu Beginn des 1. Weltkriegs freiwillig als Krankenschwester der russischen Armee. 1915 soll sie für das schwedische Rote Kreuz für die deutschen Kriegsgefangenen in Sibirien eine medizinische Grundversorgung organisieren. Die Lager sind völlig überfüllt und unterversorgt, bis zu 80 % der Menschen sterben. Im Kampf gegen diese Zustände ist sie erfolgreich. In einem Lager sinkt die Sterblichkeit auf 18 %. Kein Wunder, dass sie „Engel von Sibirien“ genannt wurde.
Nach dem 1. Weltkrieg organisiert sie in Deutschland ein Sanatorium für ehemalige Kriegsgefangene, betreibt ein Kinderheim. Sie ist sehr anerkannt, erhält die Ehrendoktorwürde der Universität Tübingen. Die Nazis hätten sich gerne mit ihr geschmückt; aber mit ihnen will sie nicht zusammenarbeiten. Gemeinsam mit ihrem Mann, einem deutschen Hochschullehrer und Sozialisten, und ihrer Tochter Brita geht sie 1933 in die USA. Sie kümmert sich dort um Menschen aus Deutschland und Österreich, die vor dem Nazi-Terror fliehen müssen.
Wie gut, wenn mutige Menschen sich durch Grenzen aller Art nicht aufhalten lassen, einander beizustehen. Wir brauchen sie gerade sehr.
Glaubenssache:
Nicht aufgeben.
Von Pfarrerin Pille Heckmann-Talvar
Als ich Kind war, hatte ich vor zwei Sachen fürchterliche Angst: vor dem Zahnarzt und vor der Erbsensuppe. Immer Ende September fuhr ein großer
Bus auf den Schulhof. Nach der ersten Erfahrung mit diesem Bus, als nämlich die Zahl meiner Milchzähne dabei gründlich reduziert wurde, bekam ich Angst. Bis ich einmal strahlend in die Klasse zurückkehrte: „Alles
in Ordnung“. Zahnarzt musste sein!
Aber Erbsensuppe! Die Sache machte noch schlimmer, dass die Lehrerin, die daneben stand, mit ihrem knochigen Zeigefinger auf meinen Kopf klopfte: „Da gibt es noch etwas!“ Natürlich gab es da noch etwas: diese hässlichen Möhrenstücke mit Zwiebeln. Ich verzichtete auf diese Suppe. Stattdessen ging ich zu Onkel Alex in seine Werkstatt. Er sah mich kurz an, als ich mich auf meinem Hocker zusammenkroch. Kein Wort hat er gesagt, hämmerte oder hobelte weiter, dann begann er ganz leise zu singen. „Kindlein, Kindlein, alles gut, mein Kindlein.“ „Was, du warst beim Alex?“ Hat man mich gefragt. „Er ist ein Gläubiger!“ Das klang wie: „Der ist ja ein Verrückter“.
Beim nächsten Besuch fragte ich Alex: Was bedeutet das, ein „Gläubiger“? Er deutete an das kleine Kreuz an der Wand. Es hing zwischen den Sägen und Hämmern. Es war immer da. Ich dachte, es ist so eine Art Werkzeug, deshalb habe ihn ihm keine besondere Bedeutung beigemessen. „Gläubig sein“, sagte Alex, „bedeutet, die Hoffnung nicht aufzugeben, dass es trotz allem wieder gut wird.“ Und er begann wieder zu summen: „Kindlein, Kindlein…“. Wie gut, dass es Onkel Alex gab. Mit ihm habe ich die schlimmsten Zeiten mit der Erbsensuppe gut überstanden. Das Kreuz aber, auf das er damals deutete, das ist zum Begleiter meines Lebens geworden. Mit den Worten des Liederdichters Eckhard Bücken: „Kreuz, zu dem ich fliehe aus der Dunkelheit; statt der Angst und Mühe ist nun Hoffnungszeit.“
So einen schlichten Glauben, wünsche ich Ihnen, liebe Leserinnen, in dieser so unsicheren Zeit.
25. Februar
Glaubenssache:
Grenzen verschieben
Von Pfarrer Sascha Biehn-Tirre
Himmelhochjauchzend, zu Tode betrübt lautet dieser Tage das Motto. Gerade noch faschingsfröhliche Ausgelassenheit, jetzt Fasten und Rückschau auf die eigenen Fehler. Natürlich: Ich kann Jahreslauf Jahreslauf sein lassen. Doch dann entgeht mir die tiefere Bedeutung hinter den Zeiten und das, worauf sie mich vielleicht hinweisen.
Im Fasching kann ich im Spiel die Grenzen überschreiten: Auf Zeit und in der Gewissheit, dass ich zu ´Normal´ zurückkehren werde. Anders sein, als es mir sonst aufgegeben ist. Was belastet, wird auf die Schippe genommen oder an den Rand gestellt. Gesellschaftliches, das sonst ohnmächtig macht, wird aufgegriffen, angeprangert, verurteilt. Die Fastenzeit hingegen fokussiert uns auf das Wesentliche. Jährlich erinnert sie uns, dass eine Umkehr, ein ´Anders´, ´Besser ´, ´Jetzt Richtig´ möglich ist. Wer leben will, muss beides: Immer wieder Grenzen überschreiten, um über sich hinauszukommen. Und auf das Richtige und Wesentliche zurückkehren. In der Religion fließt beides zusammen: Wenn im römischen Reich des ersten Jahrhunderts Herren und Sklaven, Frauen und Männer als Gemeinde Gesellschaftsunterschiede überwinden, sich gleichberechtigt begegnen. Wenn Menschen sich im Krieg gegen Angreifer wehren müssen, als Christen aber am Frieden als Maßstab und göttlichem Ziel für uns festhalten. Wenn der furchtbare Nachbar trotz allem mein Nächster ist und wir gemeinsam von Gott geschaffen und damit gewollt sind.
Die Grenzen zu verschieben, immer mehr zum Wesentlichen, darauf kommt es an. Der Glaube setzt uns dazu in Bewegung. Sind Sie dabei?
18. Februar
Gedanken zum Sonntag:
Liebe - Brot und Rosen
Von Pfarrer Karl Waldeck
Mit dem Rosenmontag startet die kommende Woche. Nicht jeder feiert Karneval, doch Rosen lieben alle: ihre Schönheit und ihren Duft. Die Rose ist Symbol der Liebe - am vergangenen Dienstag war Valentinstag.
Doch steht die Rose nicht nur für romantische Liebe. Von Nächstenliebe, Brot und Rosen erzählt eine Geschichte, die 800 Jahren alt ist. Ihre Hauptperson ist die junge Thüringer Landgräfin und spätere Heilige Elisabeth - eine tatkräftige Freundin der Armen. Eines Tages geht Elisabeth von der Wartburg in die Stadt Eisenach, um den Armen Brot zu bringen – einen ganzen Korb voll! Ein solcher Ausflug und so viel Barmherzigkeit werden von ihrer adligen Verwandtschaft nicht gern gesehen. Auf dem Weg trifft sie ihre Schwiegermutter - manche sagen auch ihren Mann. Elisabeth wird gefragt, was sie in ihrem Korb trägt. „Rosen“, antwortet Elisabeth – und lüftet das Tuch: Tatsächlich enthält der Korb nur Rosen – ein Wunder! Die Armen vergisst Elisabeth dabei nicht.
Eine schöne Legende ist das, und sie hat eine gute Botschaft: Hilfe - Brot - und Schönheit - Rosen - gehen gut zusammen: Genauso ist es mit der Liebe: Mein Herz kann ich einem einzelnen Menschen schenken und zugleich offene Augen und tätige Hände für meine Mitmenschen haben – als Nächstenliebe.
11. Februar
Gedanken zum Sonntag:
Prinzessin sein
Von Pfarrerin Irmhild Heinicke
Sie ist so gerne Prinzessin. Meine Enkelin Charlotte trägt das Prinzessinnenkleid im Grunde seit Weihnachten am liebsten jeden Tag. Es steht ihr gut. Bei den kommenden Karnevalsfeiern werden auch viele andere kleine und große Prinzessinnen zu sehen sein.
Prinzessin sein: etwas Besonderes sein, hübsch, angesehen, ohne irgendwelche Belastungen und Sorgen des Alltags. Davon kann man träumen. Als kleiner Mensch oder als großer Mensch. Und wie schön, wenn man wenigstens zur Karnevalszeit einmal in eine ganz andere Rolle hineinschlüpfen kann.
Oft sind es eher ‚Traumrollen‘, die uns schön oder mächtig oder zumindest lustig zeigen. Manchmal zeigen wir mit den Kostümen aber auch etwas von den dunklen Seiten. Gruselkostüme zeigen bei allem Spaß doch auch, dass es solche dunklen Seiten in Menschen, in mir gibt. So oder so zeigen Kostüme etwas von mir, von meinen Wünschen, meinen versteckten Fähigkeiten, meinen noch besser versteckten Abgründen. Wenigstens zum Karneval haben wir die Gelegenheit, uns noch einmal ganz anders darzustellen, nicht festgelegt auf das, was sonst den Erfordernissen des Lebens entspricht. ‚Eigentlich bin ich ganz anders. Ich komm′ nur viel zu selten dazu‘ singt Udo Lindenberg.
Wer bin ich eigentlich wirklich? Es gibt so vieles, was zu mir gehört. Schönes und ehrlicherweise auch Schwieriges und Falsches. Wer bin ich eigentlich wirklich? Die Bibel antwortet: Du bist Gottes Kind, egal, was du sonst noch bist. Und wenn Gott ein König ist, dann bin ich seine Prinzessin (oder sein Prinz). Und Gott sieht, was in mir steckt, im Guten und im Schlechten. Er sieht mich und sieht dich mit den Augen der Liebe. Ein Lied zur Jahreslosung sagt: ‚Du siehst mich, wer ich bin und werden kann. Du siehst mich, so wie ich bin, nimmst du mich an. Du siehst mich, nimmst deinen liebevollen Blick nicht von mir. Du siehst mich an‘.
Glaubenssache:
Liebe festhalten
Von Pfarrer Martin Jung
Er sitzt da und hält ihre Hand. Er heißt Mesut und seine Tochter hieß Irmak. Das Erdbeben in der Türkei ist vorbei und Mesut hat alles verloren. Er sitzt vor den Trümmern seines Hauses. Seine Tochter ist tot. Eingeklemmt unter Betonplatten ist nur ihre Hand zu sehen. Und Mesut hält sie. Ganz vorsichtig liegt ihre in seiner Hand. Er kann nicht loslassen. Sein Blick ist leer und der Schock sitzt tief. Dieses Bild von Mesut Hancer ging durch alle Medien.
Und mich hat es tief berührt. Denn er spürt wahrscheinlich, dass seine Tochter tot ist, aber seine Liebe zu ihr ist so stark, dass er sie nicht loslassen will. Er will festhalten an ihr, an dem gemeinsamen Leben und an dem, was war.
Wenn jemand stirbt, ihn festhalten wollen – das kenne ich. Menschen, die mich mein ganzes Leben begleitet haben, sterben einmal und ich muss damit klarkommen. Ich kann nicht mehr zu ihnen sprechen, sie nicht mehr umarmen und nicht mehr mit ihnen leben. Manchmal erwarten wir den Tod, aber oft kommt er dann doch plötzlich. Der Tod ist stark und mächtig. Das sehe ich bei Mesut Hancer. Aber ich sehe bei ihm noch mehr. Da ist Liebe. Eine Liebe, die selbst der Tod nicht zerstören kann. Diese Liebe, so glaube ich, ist uns von Gott geschenkt. Sie macht das Leben reich und schön, aber auch schmerzhaft bei jedem Verlust.
Und doch halte ich mich an Gottes Liebe fest. Sie tröstet mich in manchem Leid und gibt mir Hoffnung, über den Tod und den Schmerz hinaus. Mesut Hancer musste seine Tochter loslassen. Aber an der Liebe wird er festhalten. Viel Kraft und Halt – das wünsche ich ihm und allen Menschen in der Türkei und in Syrien.
4. Februar
Jetzt ist die Zeit!
Von Pfarrerin Katja Simon
Der Ball ist rund und das Spiel dauert 90 Minuten. So lautet einer der berühmt gewordenen Sätze von Sepp Herberger, dem Trainer der deutschen Weltmeisterelf von Bern 1954. Wer ein Fußballspiel anschaut, orientiert sich an der Zeit. Wann beginnt das Spiel? In der wievielten Minute des Spiels befinden wir uns? Und gerne rufen die Fans in Richtung Spielfeld oder TV „Jetzt!“, wenn endlich das Tor fallen sollte. Dabei müssen die Begeisterten aufmerksam sein. Mittendrin im Spiel sein. Nur Zuschauen bringt nicht viel.
„Jetzt ist die Zeit“ - so lautet die Überschrift über dem Kirchentag in Nürnberg, der am kommenden Kirchentagssonntag in den Mittelpunkt gerückt wird. In der fränkischen Metropole wird gemeinsam auch mit Nichtevangelischen gebetet, gesungen, gefeiert, gegessen und debattiert. So ist der Kirchentag selbst eine gut gefüllte Zeit mit tollen Begegnungen. Wie das Reich Gottes mitten unter uns. Das Mitmachen steht im Mittelpunkt. Nicht nur das Zuschauen.
Es ist aber zugleich auch eine Ermahnung und ein Weckruf: „Jetzt ist die Zeit“. Die vier biblischen Worte stammen aus einer Predigt, in der Johannes der Täufer sagt: „Die Zeit ist erfüllt. Das Reich Gottes ist nahegekommen. Es ist nun Zeit, umzukehren und Buße zu tun.“ Mit dieser Botschaft will uns der Kirchentag ermutigen: Gott traut der Menschheit zu, dass sie innehält, anhält, umkehrt und einen neuen Weg einschlägt. „Jetzt ist die Zeit“, sagt der Kirchentag nicht, um den zeitgestressten Menschen noch mehr zu stressen. Aber er vermittelt die klare Erkenntnis: „Jetzt ist die Zeit, um loszulegen. Denn unsere Zeit ist davon gekennzeichnet, dass wir die Nebenwirkungen unseres Handelns nicht auf Morgen schieben können: Klimawandel, Energiekrise und Frieden.“
So lädt der Kirchentag dazu ein, sich mit anderen zu verbünden, Gedanken zu tauschen, Pläne zu schmieden und Schwerter umzuschmieden. Damit das Reich Gottes mitten in dieser Welt beginnen kann und für andere spürbar wird. Er lädt die Müden ein, aufzutanken und die Mitgerissenen, auch andere zu begeistern. Er erinnert an die Zusage und Verheißung Gottes: Ich bin mit euch alle Tage.
28. Januar
Gedanken zum Sonntag:
Die Liebe Gottes
Von Diakon Jürgen Jaklin
Ich erlebe es immer wieder bei Begegnungen, Familienfeiern
oder Festen, dass man eingeschätzt wird.
Die erste Frage: was machst Du beruflich.... und sie kennen dann
den Katalog, der noch abgefragt wird.
In der Familie muss dann noch erzählt werden, was noch alles
angeschafft wurde, wo der Urlaub verlebt wurde, usw.
Unser christlicher Glaube basiert zum Glück nicht auf diese
Erfolgserlebnisse!
Und, wir müssen nicht lügen!
Unsere christlichen Grundwerte liegen in einem ganz
anderem Bereich.
Wer von uns kennt sie noch..
Barmherzigkeit, Liebe, Herzensreinheit, Friedenswillen
und Seligkeit.
Die dauerhafte Zuwendung Gottes, seine unendliche Liebe
schenkt er uns ohne Bedingung!
In der Bergpredigt hinterlässt er uns die Grundwerte
unseres Glaubens - sein Vermächtnis.
Wir müssen uns entscheiden, wie er es von Petrus
verlangt hat: Quo Vadis!?
Wohin führt Dein Weg?
Der Weg bedeutet nicht: Egoismus, dem Glück nachjagen und ohne Grundlage
zu Kritisieren, sondern sich selber einzubringen!
Als Beistand, erleben wir die Liebe Gottes!
Ihr Diakon Jürgen Jaklin
Jürgen Jaklin ist Diakon der katholischen Kirchengemeinde St. Peter in Hofgeismar.
Glaubenssache:
Computer schreibt Andacht
Von Pfarrer Philipp Torben Ruess
Texte und Andachten zu Schreiben ist harte Arbeit. Vor allem der Schritt davor: Über was will ich eigentlich schreiben? Stimmt die grundlegende Idee, ist der Text schnell geschrieben. Aber dieser erste Schritt ist richtig anstrengend. Manchmal fehlt die entscheidende Idee, die den Text interessant und lesenswert macht. Kommt bei mir noch Zeitdruck dazu, dann hilft mir eine kurze Recherche im Internet. Selbst wenn man im Anschluss keine gute Idee hat, fanden sich ein paar Absätze, die man vielleicht neu zusammensetzen kann. Die Andacht ist dann nur so La-La und ein Plagiat. Aber wie mein Mentor schon sagte: Besser gut kopiert, als schlecht erfunden. Nur eine Gewohnheit sollte das nicht werden.
Bestimmt haben Sie in den letzten Wochen schon von ChatGPT gehört. Einer Künstlichen Intelligenz, die Texte schreiben kann. In meiner digitalen Bubble wurde schnell diskutiert, ob ChatGPT vielen Kreativen die Schreibarbeit abnehmen kann. In meinen Versuchen konnte ich der Software zumindest halbwegs passable Andachten entlocken. Aber nur dann, wenn ich im Vorlauf auch eine gute Idee für den Schreibauftrag hatte. Eigentlich nicht weiter verwunderlich. Denn so genial die Software ist, im Hintergrund nimmt sie auch nur vorhandene Texte und setzt Sie neu zusammen, nur eben schneller als ein Mensch.
Aber so richtig gut und lesenswert war das alles nicht, manchmal sogar Hanebüchen. Eben Versatzstücke aus Texten, die man im Internet so finden kann. Auf absehbare Zeit also auch nur ein Hilfsmittel, das so gut ist, wie derjenige der es bedient und aufzeigt, wie wertvoll eine gute Idee ist.
21. Januar
Gedanken zum Sonntag:
Ich schäme mich nicht
Von Pfarrer Sven Wollert
Es war ganz einfach, Standard für einen guten Torwart wie ihn – eigentlich: Die verunglückte Flanke oben abfangen, zwei oder drei Schritte, den Ball nach vorne werfen und den Konter einleiten. Dumm nur, dass der Ball jetzt hinten im Netz liegt: Durch die Handschuhe geflutscht …
Nun steht er da und weit und breit kein Loch im Erdboden zu finden, um darin zu versinken. Er schämt sich – vor den Mitspielern, den Zuschauern, vor allem aber vor sich selbst.
Auch ich kenne Situationen, in denen Flucht eine sinnvolle Alternative scheint, weil ich anderen nicht unter die Augen kommen will. Und es gibt Themen, die man schamvoll umschifft. Das eigene Geld gehört zumindest in Deutschland dazu. Beim Thema Sexualität ist zuletzt einiges in Bewegung geraten, aber auch da wird von vielen immer noch nobel geschwiegen.
Inzwischen scheint auch der Glaube wieder auf die Tabu-Liste zu rutschen. Der sei Privatsache, heißt es dann. Der leitende Pfarrer der evangelischen Kirche im Rheinland sprach in dieser Woche davon, dass die Worte des Glaubens für viele inzwischen wie Klingonisch klängen – eine Kunstsprache, die für die Serie „Raumschiff Enterprise“ erdacht wurde.
So ungewohnt es mir erscheint, ist die Situation doch nicht neu. Mindestens in der Anfangszeit der Kirche war es wohl ähnlich. „Ich schäme mich des Evangeliums nicht!“ schreibt Paulus an die Gemeinde in Rom. Deswegen will er zu ihnen kommen und die Frohe Botschaft bezeugen. Aus gutem Grund – damals er, heute wir, auch ich.
Glaubenssache:
Von wegen Provinz!
Von Pfarrer Karl-Alfred Dautermann
Was für ein Gottesdienst! Da sitzen wirklich Menschen aus aller Herren Länder vor mir. Ukrainer, eine junge Frau aus Belarus, Iraner, Syrer, Pakistani, Togoer und sogar eine Frau aus Mexiko. Was für ein buntes Bild mitten in der deutschen Provinz. Längst ist die Welt auch bei uns angekommen.
Der Wochenspruch erinnert mich daran: „Es werden kommen von Osten und Westen, von Norden und Süden, die zu Tisch sitzen werden im Reich Gottes“, sagt Jesus in Lukas 13,29. Für Jesus ist das kein Schreckensszenario, sondern die Erfüllung seiner Träume. Menschen aus der ganzen Welt, vereint im Glauben an ihn. So wird es sein in Gottes neuer Welt. Gewöhnen wir uns daran! Freuen wir uns daran!
Natürlich bleibt das auch eine Herausforderung. Die Sprachbarriere, die kulturelle Verschiedenheit hat schon für manches Missverständnis gesorgt. Und manchmal, da ist es richtig anstrengend. Da braucht es Geduld und Liebe. Aber es lohnt sich. So wie beim Weihnachtsgottesdienst mit 100 ukrainischen Flüchtlingen vom Baby bis zum Greis. Da wurde gesungen und gespielt, gepredigt und gegessen, da wurde gelacht und natürlich auch geweint. Aber die Herzen waren einander zugetan. Der Geruch der Liebe verbreitete sich. So war es richtig. Ein kleiner Vorgeschmack auf den Himmel.
Sie bleiben skeptisch? Dann möchte ich Ihnen Mut machen. Es ist gar nicht so schwer. Das Herz in die Hand und den ersten Schritt getan, das erste Wort gesprochen, und sei es mit Google-Übersetzer. Ich verspreche Ihnen, eine neue Welt tut sich auf. Und vielleicht ist es sogar Gottes neue Welt. Wir leben schließlich nicht mehr in der Provinz.
14. Januar
Gedanken zum Sonntag:
Freiraum für Gott
Von Pfarrer David Seibel
Mit dem Sonntag beginnt nach christlichem Verständnis die neue Woche, mit dem Montag dann die neue Arbeitswoche. Vor aller Arbeit liegen also Ruhe und Erholung. Am nächsten Tag kann es dann mit frischer Kraft ans Werk gehen.
Der Sonntag bietet zum einen Freiräume für sich selbst und für die Familie. Zum anderen bietet er Gelegenheit für den Gottesdienst oder die persönliche Zwiesprache mit Gott. Anregung dafür kann der jeweilige Wochenspruch sein. Für die neue Woche lautet dieser: „Aus seinem Reichtum hat er uns beschenkt, uns alle mit grenzenloser Güte überschüttet.“ (Joh 1,16)
Ich bin reich beschenkt und grenzenlos geliebt. Welch stärkende Zusage für die neue Woche! Vom Reichtum und von der Güte Jesu ist hier die Rede. Ich überlege: Was gibt mir Jesus? Und wie merke ich das in meinem Alltag?
Jesus gibt mir einen Zugang zu Gott. Liebe und Zuwendung sind dabei für mich die treffendsten Begriffe. Wenn ich Liebe und Zuwendung in meinem Alltag spüre, ist das etwas Großartiges. Dann fühle ich mich tatsächlich reich beschenkt und mit grenzenloser Güte überschüttet. Ich bin gespannt auf dieses Wirken Gottes in meinem Leben in der kommenden Woche.
Glaubenssache:
Mache dich auf!
Von Ursula Muth
Ava hat es in die Freiheit geschafft! Aus der Unterdrückung im Iran ist ihr die Flucht nach Deutschland gelungen. Sie hatte als Archäologin in einem interessanten Projekt im Norden des Iran gearbeitet und sich dabei in einen Kollegen verliebt. Nach der Heirat lebte Ava in seiner Familie nach seinen Vorstellungen vom Islam. Sie hielt sich an die fünf gemeinsamen Gebetszeiten. Sie saß beim Beten hinter ihm, damit er sich ganz auf Gott konzentrieren konnte. Sie verließ nur noch in Begleitung das Haus und trug dabei den schwarzen Tschador. Das war eng, völlig fremdbestimmt. Sie verlor mit ihrem Glauben auch ihre Identität. Verzweifelt trennte sie sich von ihrem Mann.
Aber als alleinstehende Frau lebt es sich schwer im Iran. Ihre Herkunftsfamilie verachtete sie. Als die Proteste gegen das Mullahregime begannen, keimte in ihr Hoffnung auf Veränderung auf. Aber als sie hilflos mitansehen musste, wie eine Freundin brutal von den Sicherheitskräften verschleppt wurde, war Ava am Ende ihrer Kräfte. Zwei Kolleginnen erzählten mehr und mehr von ihrem christlichen Glauben. Hier hatten auch die Frauen etwas zu sagen. Der Respekt vor dem Mitmenschen bestimmte das Denken. In den Büchern der Bibel, fand sie heraus, werden die großen Fragen nach Gott und den Menschen aus sehr verschiedenen Perspektiven verhandelt – Christinnen und Christen bleiben offen im Denken und Begegnen. Ava las, dass die Geschichte Israels mit einem Auszug und langer Wüstenwanderung begann, dass Abraham von Gott zum Aufbrechen aufgefordert wurde und dass Jesus immer unterwegs war zu den Menschen. Sie hörte Gottes „Geh, mache dich auf!“ Plötzlich wusste sie: So wollte sie leben, als Frau respektiert und unterwegs zu neuen (Denk-)Erfahrungen.
Am Donnerstag hat Ava ihr Gespräch beim Bundesamt. Es wird entscheiden, ob sie in Deutschland bleiben darf, weil sie Christin geworden ist.
7. Januar
Gedanken zum Sonntag
"Du bist ein Gott, der mich sieht"
Von Pfarrer Markus Schnepel
"1, 2, 3 und weg bin ich", rufen die Kinder auf dem Kirchplatz. Sie gehen in die Hocke und halten sich die Augen zu. Dann sind sie weg; nicht mehr zu sehen. Davon sind sie fest überzeugt.
Der wohlige Schauer besteht in der Spannung, weg zu sein, und doch zu wissen, dass die anderen noch da sind und ich ganz leicht die Augen auf machen kann, wir uns sehen und alles gut ist. Wehe, da wäre niemand mehr, wenn die Augen aufgehen. Ein Alptraum.
"Du bist ein Gott, der mich sieht", ist die Jahreslosung für das Jahr 2023. In einer komplizierten Situation voller Abhängigkeiten und Unterdrückungen von Hagar auf den ersten Seiten der Bibel gesprochen. Gott begegnet ihr, sieht sie in ihrer schwierigen Lage und macht ihr so Mut. Lebensmut.
Gott sieht mich an. Jetzt, in jedem Augenblick. Vielleicht durch die Augen der anderen, durch seine Schöpfung, durch einen besonderen Moment der Berührung. Es bleibt kompliziert. Mitunter traurig und leidvoll. Aber Gott sieht mich liebevoll an. Nicht als Überwacher und Kontrolleur.
Ich habe eine Weile gebraucht, um dieses Bild von Gott abzulegen. Jetzt tut es mir gut, gesehen zu werden. Ohne Bewertung, einfach so. Gott übersieht mich nicht. Mit allem, was gerade so in mir und um mich los ist.
Der Blick in das Jahr 2023 ist mit vielen Unsicherheiten verbunden. "1, 2, 3 ich bin hier!" rufe ich und fühle mich gesehen. Oder wie beim Kinderspiel: "1, 2, 3 ich bin frei!". So kann das Jahr kommen.
"Du bist ein Gott, der mich sieht."
Glaubenssache
Gott sieht mich
Von Lektor Günter Schnellenpfeil
Wir denken oft, dass Gott wegschaut, bei allen Unglücken die jeden Tag passieren. Müsste er nicht eingreifen? Warum lässt er das zu? Berechtigte Fragen. Wir haben keine Antwort für diese Seite Gottes. Doch, bist du dankbar für den vergangenen Tag, wenn er gut war und du behütet wurdest?
Bei der Jahreslosung 2023 aus 1. Mose 16,13, geht es um die schwangere Sklavin Hagar; bei ihr steht momentan die Welt auf dem Kopf. Sie flieht vor den Demütigungen ihrer Herrin Sara in die Wüste. Das Kind in ihrem Bauch ist von Abraham, weil seine Frau Sara bisher nicht schwanger wurde. Diese hatte Abraham überredet mit ihrer Sklavin einen Nachkommen zu zeugen.
Doch an dem Wüstenbrunnen kommt es zu einer unerwarteten Begegnung mit Gottes Engel. Dieser nennt den künftigen Namen des Ungeborenen und wie sein Wesen sein wird. Er zeichnet sogar ihren weiteren Lebensweg auf, doch zunächst wird sie zurück zu Sara geschickt. Vertraut spricht Hagar: "Du bist ein Gott der mich sieht".
Schon verwunderlich, dass Gott ausgerechnet einer am Rande der Gesellschaft stehenden Person, nachgeht. Ja mehr noch, er hilft ihr. Das bedeutet doch, dass Gott uns tagtäglich viel näher ist, als wir uns das vorstellen. Dass er Menschen in Not beisteht, haben wir evtl. schon gehört, gelesen oder selbst erfahren.
Unser Leben ist vor Gott, wie ein aufgeschlagenes Buch. Er hat einen Plan mit einem Jeden von uns. Sein Eingreifen, wann auch immer, oder auch das Unterlassen, erschließt sich uns nicht. Doch können wir - vertrauensvoll - zu Gott beten, bitten, auch klagen, was uns bedrückt, denn ER sieht uns!