Zum Weiterdenken - 2022
Auf dieser Seite stellen wir Ihnen die Texte zur Verfügung, die - zumeist - aus der Mitte unseres Kirchenkreises für die Hofgeismarer Allgemeine und die Wolfhager Allgemeine erstellt werden - zum Nachlesen, Nachdenken und Weiterdenken.
31. Dezember
Gedanken zum Sonntag:
Heimat
Von Pfarrer Martin Schöppe
Seit 2018 heißt das Bundesinnenministerium „Bundesministerium des Innern und für Heimat“. Vorher tauchte der Begriff „Heimat“ im Namen nicht auf. Wer etwa in den 80ziger oder 90ziger Jahren die Begriffe Deutschland oder Heimat gebrauchte, galt schnell als rechtsradikal. Die Politik hat einen sich seit Jahren in der Gesellschaft verstärkenden Trend aufgegriffen, dem Gefühl von Heimat eine stärke Bedeutung zuzusprechen.
Nicht nur junge Menschen suchen wieder nach etwas, was in einer sich immer schneller verändernden Welt Halt und Sicherheit bieten kann. Heimat ist aber ein schillernder Begriff. Für den einen bedeutet Heimat die Sprache, Kultur oder Musik, für andere eine bestimmte Weise Weihnachten zu feiern. Das Gefühl von Heimat kann an ein Haus, eine Stadt oder Tradition oder Erlebnisse gebunden sein. Sich daran zu orientieren, kann Halt, Sicherheit und Stärke vermitteln. Andererseits braucht alles Leben Veränderung. Was sich nicht mehr verändert ist tot. Ich denke, der Neujahrstag als Feiertag hilft dabei, das vergangene Jahr loszulassen und sich der neuen Zeit zuzuwenden. Wir wünschen uns ein gutes neues Jahr.
Vielleicht ist das ein Stück Heimatgefühl, dem sich viele Menschen anschließen können: zu wissen, dass jeder Mensch mit seinem Leben immer auch „unterwegs“ ist.
Glaubenssache:
Sehnsucht nach Frieden
Von Lektorin Maryam Parikhahzarmehr
Das herausfordernde Jahr 2022 liegt nun hinter uns. Ein Jahr voller Leid und Schmerz. Wir haben einen Krieg in Europa erlebt. Gewalt gegen Frauen im Iran steht an der Tagesordnung, Inflation und Energiekrise haben uns in Angst versetzt. Alle haben sich gefragt: Wie soll es weitergehen? Wir fühlen uns erschöpft und sind ratlos. Einige haben die Lösung in der Trennung gefunden und sind aus der Kirche ausgetreten. Es mag sein, dass der Austritt eine finanzielle Lösung ist. Es mag sein, dass die Spuren des vergangenen Jahres, nicht aus unserer Gegenwart herausgelöst werden. Es mag sein, dass unklar ist, was uns erwartet. Aber lasst uns in dieser schweren Situation zusammenhalten. Lasst uns unser Beisammensein nicht verlieren, unsere Gemeinschaft. Denn wir brauchen heute mehr als je Frieden, Verbundenheit und Zusammenhalt.
In dieser Nacht bricht ein neues Jahr an. Jesaja schrieb an die Israeliten im Exil: "Gedenkt nicht an das Alte und achtet nicht auf das Vorige! Denn siehe, ich will ein Neues machen; jetzt soll es aufwachsen, und ihr werdet's erfahren, dass ich Weg in der Wüste mache und Wasserströme in der Einöde". Nun geschieht im Exil für das Volk Israel etwas Neues, das vorher niemand gedacht und vorgesehen hatte. Das Neue gelangt zu den Menschen, wo es keine Hoffnung mehr gibt.
Lasst uns mit Zuversicht ins neue Jahr schauen und Gott wahrnehmen. Ein Wunder für die sehnende Welt nach Frieden und ein Jahr voller Helligkeit, Hoffnung und Gesundheit. Möge Gottes Anwesenheit und Wärme allen ein gesegnetes neues Jahr 2023 schenken.
24. Dezember
Heiligabend-Wanderung
Von Dekan Wolfgang Heinicke
Wir müssen 15 oder 16 Jahre alt gewesen sein. Heiliger Abend. Nach der Bescherung und der in den Augen unserer Mütter angemessenen - für uns allerdings übermäßig langen - Zeit im Familienkreis treffen wir uns an der einzigen Telefonzelle in unserem Dorf. Wir haben uns verabredet. Kaum jemand ist auf der Straße. Wenn mein Freund und ich jemanden begegnen, wünschen wir ihm "Frohe Weihnachten" und gehen zielstrebig weiter. Wir wollen schließlich noch nach Wolfhagen in die Stadtkirche. Das sind sechs Kilometer auf der meist leeren Landstraße zu Fuß. Auf dem Weg reden wir: Über Enttäuschungen und Überraschungen unter dem Weihnachtsbaum, über Schwieriges und Schönes der letzten Zeit, von Ideen für das kommende Jahr. Und natürlich auch darüber, ob „sie“ wohl kommen würde. "Sie" kam. Sie hatte ihrer Mutter erklärt, dass sie nochmal in die Kirche wollte. Wie hätte die da Nein sagen können?
Wir tauchen ein in die besondere Atmosphäre des Spätgottesdienstes, der Christmette. Und da hat alles Platz, was uns beschäftigt hat: das Gelungene und das Schwierige in der Familie, die Freude auf besondere Menschen, die Trauer über Verstorbene, die Liebe und die Lust. Platz ist auch für die Sehnsucht: nach Ende des Streits, nach Frieden, nach gelingendem Leben. Der Kirchenraum birgt uns, das gedämpfte Licht entzieht uns der allzu strengen Beobachtung, und die Musik gibt Raum für das innere Erleben, besingt und bejubelt, dass Gott kommt. Zu uns.
Dafür lohnt sich der Weg in den Gottesdienst, alle Jahre wieder.
Gottes Wege
Weihnachtsandacht mit Krippenspiel des Kirchenbezirks Wilhelmsthal-Liebenau
17. Dezember
Gedanken zum Sonntag:
Die Bedeutung des Adventskranzes
Von Pfarrer Christian Brandt
Liebe Leserinnen und Leser,
am Sonntag feiern wir den 4. Advent. Dann sind es nur noch sechs Tage bis Weihnachten. Für viele ist das wie so eine Art Schlussspurt. Es wird überlegt, was noch alles zu besorgen ist. Mancher hat sich eine Liste gemacht mit den Erledigungen, die noch anstehen – auch in unseren Gemeinden: Die Vorbereitungen für die Weihnachtsgottesdienste sind in vollem Gange.
Der Christbaum muss noch geschmückt werden und die Krippe aufgestellt. Gut, dass am Sonntag noch Advent ist! Viele Menschen nehmen sich dann etwas Zeit, um die Kerzen auf dem Adventskranz anzuzünden. Umso weiter die Adventszeit voranschreitet, umso mehr Lichter brennen. Das ist eine gute Möglichkeit, um zur Ruhe zu kommen und sich auf das zu konzentrieren, was an Weihnachten wirklich wichtig ist.
Der Adventskranz mit seinem wachsenden Licht soll uns daran erinnern, dass wir auf die Ankunft Jesu, dem Licht der Welt warten. Und davon kann man auch singen: „Macht hoch die Tür, die Tor macht weit, es kommt der Herr der Herrlichkeit“ (EG 1). Gut, dass wir solche Symbole wie den Adventkranz haben, die uns das Warten auf Weihnachten erleichtern.
Glaubenssache:
Die vierte Kerze
Von Pfarrer i.R. Ulrich Trzeciok
„ … sehet, die vierte Kerze brennt“, so singen wir morgen in den Kirchen, und vielleicht auch daheim. Das bedeutet: nur noch wenige Tage bis zum Weihnachtsfest! O je, werden manche stöhnen und an all das denken, was bis dahin noch zu machen, zu besorgen, zu organisieren ist. Hoffentlich werden dann auch alle, von den Großeltern bis zu den Enkelkindern zufrieden und friedlich sein.
Wunderschön, freuen sich andere, bald ist es soweit: „Gott selber wird kommen, er zögert nicht“. Denn darum geht es: Gott wird Mensch, einer von uns. Immanuel – Gott mit uns, so lautet der Name des Kindes der Verheißung, die der Prophet Jesaja verkündet. (In der Leseordnung der katholischen Kirche wird sie am vierten Adventsonntag vorgetragen). Der skeptische König Ahas will sie freilich nicht annehmen. „Gott ist mit uns“, das bedeutet: Er ist auf unserer Seite, geht den Lebensweg mit uns von der Geburt bis in den Tod, und dann über den Tod hinaus in ein neues, endgültiges Leben. Dann soll es einen Wechsel geben: Nicht mehr „Er mit uns“ auf der Seite der Menschen, sondern „wir mit Ihm“ auf der Seite Gottes.
Das ist keine billige Vertröstung auf ein besseres Jenseits, sondern Aufforderung zu schauen: Wo und wie kann ich ihm schon hier begegnen, auf ihn zugehen, mit ihm gehen? Mit seinen Worten und seinem Handeln zeigt er uns, wie das gehen kann. Darum: „Freut euch, ihr Christen, freuet euch sehr, schon ist nahe der Herr.“
Ulrich Trzeciok ist Stadtpfarrer im Ruhestand und Geistlicher Rat aus Naumburg.
10. Dezember
Gedanken zum Sonntag:
Advent - Die Wohnung bereiten ist wie das Herz bereiten
Von Pfarrerin Christina Schnepel
Mache den Raum deines Zeltes weit, breite die Zeltplanen deiner Wohnung aus, spare nicht! Mach deine Zeltseile lang, stecke deine Zeltpflöcke fest! (Jesaja 54, 2)
Für viele gehört das Schmücken der Wohnung in der Adventszeit zur Vorbereitung auf Weihnachten ganz elementar dazu. Grün auf den Tisch, Duft in die Luft und Licht in die Fenster. Dabei passiert weit mehr als Dekoration, denn das Herz macht sich bereit wie die Wohnung.
Der Bibelvers aus Jesaja spricht mich an, weil sich vermittelt, dass es nicht nur um ein äußeres Vorbereiten geht.
Das Zelt bin ich, der Raum ist mein Herz.
Klarheit, Helle, Weite und Großzügigkeit, lese ich in dem kurzen Vers, aber auch Halt und Sicherheit. So möchte ich mein Herz vorbereiten im Advent, möchte beharrlich und aufrecht sein und innerlich weit bleiben.
Wie weit kann ich meine Seile spannen? Für wen und wofür möchte ich Raum haben? Worin stecken meine Pflöcke? Für was möchte ich (mich) schenken?
Gott kommt mit einem „Fürchte dich nicht!“ zu jeder von uns – dafür will ich bereit sein, Raum und Zeit haben. So möchte ich in meinem Zelt sein und erwarten.
Glaubenssache
Von Pfarrer Oliver Jusek
Draußen ist es kalt. Der erste Schnee ist schon wieder geschmolzen. Es ist eher Matsch als Schnee. Gerade regnet es. Irgendwie ist es garstig draußen.
Ich sitze auf dem Sofa. Bin in die Decke eingekuschelt und ich starre.
Ich starre auf die Krippe. Bestimmt schon zehn Minuten. Letztens habe ich gelernt, dass man fröhlich wird, wenn man lacht. Nicht, weil etwas lustig ist, sondern rein mechanisch. Mundwinkel hoch und wenn man gut ist, dann lacht man sogar laut.
Und tatsächlich wird man durch das reine Tun fröhlicher. Hab ich schon probiert. Hat geklappt.
Jetzt versuche ich in Adventsstimmung zu kommen. Also starre ich auf die Krippe.
Klappt irgendwie nicht. Ich frage mich, was das eigentlich ist, diese allgegenwärtige adventliche Stimmung. Ist es ein Gefühl im Bauch? Oder sind es Plätzchen im Bauch?
Es stellt sich jedenfalls nicht ein, wenn man auf eine Krippe starrt. Soviel ist mal sicher.
Eigentlich geht es im Advent ja ums Warten. Wir warten auf die Geburt Jesu. Wir warten auf den Retter der Welt. Und weil wir wissen, dass wir seinen Geburtstag am 25.12 feiern, ist es eigentlich kein Warten, eher ein Besinnen. Ein Besinnen darauf, was zählt. Ein Besinnen darauf, dass Gott auf diese Welt gekommen ist. Für mich. Weil er mir nahe sein wollte. Weil ich ihm wichtig bin.
Vielleicht ist das ja diese Adventsstimmung. Sich darauf besinnen, dass ich Gott wichtig bin. Dass er alles auf sich nimmt, um für mich da zu sein. Keine Mühen scheut. Für mich!
Ein bisschen wie in dem Adventslied: Seht, die gute Zeit ist nah, Gott kommt auf die Erde, kommt und ist für alle da, kommt, das Frieden werde.
Ich glaube, das ist Adventsstimmung.
3. Dezember
Gedanken zum Sonntag:
Unter den Sternen von…
Von Gemeindereferent Peter Happel
Über Mitgefühl und Hilfsbereitschaft
Während meiner Corona-Infektion gingen meine Gedanken oft zu den Menschen, die auf der Straße leben. Wo finden sie Schutz und Geborgenheit, wenn sie krank sind und Wärme ganz besonders brauchen?
Eindringlich thematisiert das ein Film, den ich in der Mediathek der ARD gefunden habe. Mittelpunkt der Erzählung ist eine obdachlose Frau mittleren Alters, die unter den Brücken von Paris lebt. In einer kalten Winternacht taucht vor ihrem Unterschlupf ein kleiner Junge aus Eritrea auf. Zunächst versucht Christine das Kind wieder los zu werden. Doch er weicht nicht mehr von ihrer Seite Als die beiden durch ein Missgeschick die Unterkunft aufgeben müssen, beginnen sie zusammen die Mutter von Suli zu suchen. Dabei entdeckt Christine eine tiefe Menschlichkeit und Hilfsbereitschaft in sich wieder, die sie längst verloren glaubte. Nach einer abenteuerlichen Suche finden sie die Mutter wieder, die kurz vor der Abschiebung steht.
Ich bin davon überzeugt, dass erst wieder Frieden in die Welt und die Herzen der Menschen einkehrt, wenn wir wirklich versuchen mitzuempfinden wie es anderen geht. Vielleicht ist Empathie ein Schlüssel für viele Schwierigkeiten unserer Zeit. So können Menschen wie Christine- aus dem Film oder die heiligen Bischöfe Martin und Nikolaus auch heute noch unser Denken und Handeln inspirieren!
Ich wünsche ihnen einen schönen 2. Advent.
Peter Happel ist Gemeindereferent der katholischen Kirchengemeinde St. Peter in Hofgeismar.
Glaubenssache:
Ein Lichtlein brennt
Von Prädikant Günther Dreisbach
»Advent, Advent, ein Lichtlein brennt. Erst eins, dann zwei, dann drei, dann vier, dann steht das Christkind vor der Tür.« So sagen’s die Kinder am Nikolausabend auf. Und manche ergänzen dann etwas frech: »Und wenn das fünfte Lichtlein brennt, dann hast du Weihnachten verpennt.«
Was können wir dagegen tun, dass wir Weihnachten nicht verpennen? Es ist eine ernste Frage, eine adventliche Frage. Und für die Christen, die an Weihnachten die Geburt Jesu feiern – was denn auch sonst? – ist es eine lebensentscheidende Frage. Eine Frage, die in den Versandhauskatalogen, die für Weihnachten werben, nicht gestellt wird. Dafür sind ja schließlich auch wir Christen da.
Unsere Gemeinden, die freien und die lutherischen, die katholischen und die evangelisch-landeskirchlichen. Die kümmern sich im Advent darum, dass niemand Weihnachten verpennt. Die laden ein zu Gottesdiensten und Friedensgebeten, zu Musiken, in denen auf die Weihnachtsbotschaft hingewiesen wird, zu Adventsfeiern in den Gruppen und Kreisen. Die Botschaft wird nicht vorweggenommen. Warten ist angebracht. Warten will eingeübt sein. Dafür ist die Adventszeit da.
Und dann kommt Weihnachten. Dann feiern wir die Geburt Jesu, die Geburt des Heilandes. Und da wollen immer so viele gern mitfeiern, dass die Kirchen »aus den Nähten platzen«. Und das ist sehr schön. Dann hat das Warten endlich ein Ende. Dann singen alle laut und vernehmlich, worauf es Weihnachten ankommt: »Welt ging verloren. Christ ist geboren.« Erst Weihnachten. Bis dahin heißt es abwarten. Warten auf Jesus. Und Weihnachten nicht verpennen.
26. November
Gedanken zum Sonntag:
With a little help from my friends…
Von Pfarrerin i.R. Anne Hammann
Vor einiger Zeit ging ich durch die Fußgängerzone und sah einen jungen Mann, der ein schwarzes T-Shirt mit einer auffällig großen weißen Schrift trug. Ich las: I am looking for a friend – ich suche einen Freund.
Meinte der junge Mann das ernst? Suchte er wirklich einen Freund und das auf diesem Weg?
Ich sah ihm ins Gesicht, in die Augen und meinte tatsächlich, so etwas wie Einsamkeit darin zu finden.
Viele Menschen in unserem Land sind einsam. Nicht nur alte, zunehmend auch junge Menschen sind von Einsamkeit betroffen und leiden darunter. Sie suchen buchstäblich einen Freund oder eine Freundin. Denn es ist schön, nicht allein, sondern mindestens zu zweit zu sein. Die Beatles haben die Unterstützung, die Menschen durch Freundschaften erfahren dürfen, in ihrem berühmten Lied „With a little help of my friends“ auf den Punkt gebracht.
Ausschau halten nach einem Menschen, nach jemandem, der meine Einsamkeit teilt und so durchbricht – ist das nicht der adventliche Blick, liebe Leserinnen und Leser, die Sehnsucht des Advents?
Morgen feiern wir den ersten Advent, und das Wort über diesem besonderen Sonntag heißt:
„Siehe, dein König kommt zu dir, ein Gerechter und ein Helfer.“ (Sacharja 9,9b)
Es gibt also jemanden, es kommt jemand, der unsere Einsamkeit teilen und heilen will, der uns helfen kann und wird, den nichts, was uns betrifft kalt lässt.
In Wahrheit sind wir niemals wirklich einsam, weil Jesus Christus immer schon auf dem Weg zu uns ist, immer schon mit uns spricht, immer schon im Sinn hat, wie er uns helfen kann. With a little help from Jesus Christ – gewissermaßen.
In diesem Sinn lasst uns vertrauensvoll in die Adventszeit gehen – manchmal allein aber niemals einsam.
Anne Hammann ist Pfarrerin i.R. aus Kassel.
Glaubenssache:
Es gibt Hoffnung
Von Jürgen Krackrügge
Freuen Sie sich auch auf die Adventszeit? Endlich wird die dunkle Jahreszeit wenigstens etwas durch den Schein der Lichter zum Advent erhellt. Klar weiß ich, dass die Energiekrise uns sensibel macht für den zusätzlichen Stromverbrauch in diesen Wochen. Aber ich bekenne gerne, dass ich auch in diesem Jahr meine Kerzen und Lichterketten (LED-bestückt) aufleuchten lasse. Für mich sind diese Lichter vor allem auch ein Ausdruck der Freude über die für den Advent verkündigte Botschaft der Bibel.
Der Prophet Sacharja hatte in Gottes Auftrag seinem Volk die Nachricht übermittelt: „Siehe, dein König kommt zu dir, ein Gerechter und ein Helfer.“ (Sach.9 V.9b) Wenn man sich mit der Geschichte dieses Bibelwortes beschäftigt, dann merkt man, dass die Zeit damals durchaus mit unserer heutigen Zeit vergleichbar war. Auch damals herrschten Krieg, Flucht und Vertreibung und damit verbundene Not.
Gott zeigt mit seiner Botschaft, dass es Hoffnung gibt, aus der misslichen Lage heraus zu kommen. Und das hängt mit einer Person zusammen. Sacharja weist mit diesem Wort auf die Ankunft Jesu hin, der als Sohn Gottes der Herrscher sein wird, der Frieden und Heil den Völkern bringt. Genau darum feiern wir mit dem Weihnachtsfest diese Ankunft des Gottessohnes Jesus. Dieser Herr ist kein Despot sondern ein von Gott gesandter Friedensfürst. Jesus ist der Grund aller Hoffnung.
Ich wünsche ihnen, dass Sie auch in diesem chaotischen Jahr Freude in der vor uns liegenden Adventszeit haben, weil Sie sich mit Ihrem Leben diesem Herrn anvertrauen dürfen. Er ist auch für Sie gekommen.
19. November
Gedanken zum Sonntag:
Eine ist es …
Von Pfarrer Sven Wollert
Es gibt manche, die regen sich richtig über sie auf. Wenn man in Calden über die Wilhelmsthaler Straße auf die Johannes-Kirche zukommt, kann man es lesen: „Eine ist deine letzte.“ So steht es in den vier Ecken des Zifferblatts der Kirchturmuhr.
Als das Blatt vor ein paar Jahren restauriert wurde, blieb der Schriftzug erhalten. „Können Sie da nicht was machen oder zumindest sagen? Das ist doch furchtbar! Man will doch nicht jedes Mal so unvorbereitet …“ So wurde ich angesprochen, obwohl ich mit der Entscheidung natürlich nichts zu tun hatte.
Das Sterben und den Tod haben viele von uns aus ihrem Alltag verbannt. Wenn man sich damit beschäftigt, könnte das ja bedeuten, dass es einen selbst betrifft.
Ich kenne die Welt nur mit mir. Sie mir vorzustellen, ohne dass ich dabei bin, fällt mir leicht und schwer zugleich. Aber es nützt ja nichts, deswegen den Kopf in den Sand zu stecken und so zu tun, als ginge mich das Thema gar nichts an. Andersherum wird ein Schuh daraus: Das Leben verliert an Wert, wenn ich verdränge, dass es ein endliches, ja knappes Gut ist.
Am morgigen Ewigkeitssonntag werden sich viele wieder unangenehm gedrängt fühlen, dem Thema Sterben und Tod zu begegnen. Und doch bin ich sicher, dass es für unser Leben und unseren Glauben wichtig ist. Deshalb habe ich damals auch gesagt: „Ich finde das Zifferblatt gut.“
Glaubenssache:
Danach das Gericht
Von Prädikant Günther Dreisbach
Ein bisschen mulmig war’s mir immer, wenn Dekan Wassermann im Gottesdienst Verstorbene abkündigte. Er verband das mit einem Bibelwort: »Es ist dem Menschen gesetzt zu sterben, danach aber das Gericht.« Und auch wenn’s mir etwas mulmig war, es war natürlich ehrlich vom Dekan, das nicht außer Acht zu lassen, was wir Sonntag für Sonntag im Glaubensbekenntnis bekennen: dass Christus kommen wird, »zu richten die Lebenden und die Toten«. Oder bekennen wir’s einfach nur so, glauben aber nicht daran?
Die beiden letzten Wochen des Kirchenjahres vom Volkstrauertag an bis zum Sonnabend vor dem ersten Adventssonntag haben es ja »in sich«. Es sind ernste Tage. Und wir bedenken in den Gottesdiensten ernste Texte. Wir erinnern an die Verstorbenen des letzten Kirchenjahres. Allein im Seniorenzentrum waren es in einem Jahr 48 Frauen und Männer, die von Gott »heimgerufen« wurden, wie wir in unserer kirchlichen Hochsprache sagen. Und wenn wir erinnern, verknüpfen wir das mit der Hoffnung der Auferstehung am jüngsten Tage. Und wir tun das in der Hoffnung auf das ewige Leben.
Für uns als Christen ist das in aller Not unserer Zeit eine durchdringende Hoffnung. Die Hoffnung heißt: Wir sehen durch den Horizont ein wunderbares Licht. Das nennen wir Ewigkeit. Ob wir dabei sind? Der französische Philosoph Voltaire hat es einmal so gesagt: »Im Himmel werden wir uns über drei Dinge wundern. Erstens: Menschen zu treffen, die wir dort nicht erwartet haben. Zweitens: Menschen nicht zu sehen, die wir dort erwartet hätten. Und drittens: uns selbst dort zu treffen.« Das ist doch tröstlich.
12. November
Gedanken zum Sonntag:
Memento Mori
Von Pfarrer Christian Trappe
Wenn im antiken Rom ein siegreicher Feldherrn im Triumphzug in die Stadt geleitet wurde, dann stand auf dem Streitwagen ein Diener hinter ihm, der ihm unablässig ins Ohr murmelte: „Memento Mori“ (Bedenke, dass du sterblich bist). Das sollte den menschlichen Größenwahn, der Caesaren und Zaren manchmal befällt, in Grenzen halten.
In dieser christlichen Tradition hat sich das Memento Mori dann zu einer spirituellen Übung für Jedermann und jede Frau weiterentwickelt.
Wie Heutigen neigen oftmals eher dazu, den Tod auszublenden. Aber was wir verdrängen, sitzt uns dann als Angst im Nacken und steuert unbewusst unser Verhalten.
Wer sich hingegen mit dem Tod vertraut macht, verliert die Angst davor und kann vielleicht sogar Frieden schließen mit der eigenen Endlichkeit.
Ja, vielleicht lebt man dann sogar intensiver, weil jeder Tag oder jeder Augenblick als kostbar erfahren wird.
Wolfgang Amadeus Mozart jedenfalls schrieb von sich: „Ich lege mich nie zu Bette, ohne zu bedenken, dass ich vielleicht, so jung ich bin, den anderen Tag nicht mehr sein werde – und es wird doch kein Mensch sagen können, dass ich im Umgang mürrisch oder traurig wäre.“ Das ist der Wochenspruch, der uns durch die kommende Woche leiten will:
„Lehre uns bedenken, dass wir sterben müssen, auf dass wir klug werden.“ Ps 90,12
Glaubenssache:
Nie wieder Krieg!
Von Pfarrer Dr. Michael Dorhs
Am Ende hatten sie alles verloren. Ihr Haus, ihre Heimat und sogar ihr Leben. Als die Waffen endlich schwiegen, war eine ganze Welt untergangen. Was heute Millionen von Ukrainern erleiden müssen, war 1945 auch das Schicksal meiner Großeltern und unzähliger anderer Ostpreußen, Pommern oder Schlesier. Sie versteckten sich im Wald vor den anrückenden sowjetischen Truppen. Sie sahen aus der Ferne ihre Häuser brennen. Und sie waren hilflos der brutalen Gewalt marodierender Soldaten ausgeliefert.
65 Millionen Tote hat der 2. Weltkrieg gefordert, weltweit, davon die Hälfte Zivilisten! Hinzu kamen zerbombte Städte und verletzte Seelen. „Nie wieder Krieg!“ Diesen Grundkonsens der bundesdeutschen Gesellschaft hat die evangelische Kirche aus tiefster Überzeugung unterstützt. Auch die Aussöhnung mit den von Nazi-Deutschland so geschundenen Nachbarn im Osten. Inzwischen bröckelt dieser Konsens.
Angesichts des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine geht es um deutsche Waffenlieferungen zu Verteidigungszwecken. Aber steigt damit nicht auch die Gefahr, schleichend in diesen Krieg mit hineingezogen zu werden? Ein echtes Dilemma! „Seid klug wie die Schlangen und ohne Falsch wie die Tauben“ (Mt 10,16). Das war Jesu Ratschlag für solche Situationen. Immer wieder abwägen, wie weit man gehen kann, ohne selbst zur Kriegspartei zu werden. Gespräche zu suchen, Verhandlungen anzubieten, erscheinen sie auch noch so aussichtslos. Jesu Friedensbotschaft etwas zuzutrauen.
Und ehrlich auch Wünsche zurückzuweisen, die wir nicht erfüllen können. Als Christen bleiben wir nüchtern und realistisch. Damit wir am Ende nicht alles verlieren.
5. November
Gedanken zum Sonntag:
Novemberstimmung
Von Pfarrer Andreas Schreiner
„Autumn Leaves“, oder „Les Feuilles Mortes“ wie es im französischen Original heißt, ist ein wunderschönes melancholisches Lied über vergangene Liebe. Viele große Künstler haben es gesungen, Edith Piaf und Frank Sinatra zum Beispiel. Die fallenden Blätter im Herbst sind die Sinnbilder der Vergänglichkeit in diesem Lied Wenn Sie es nicht kennen: einfach mal bei YouTube danach suchen. Es lohnt sich.
Herbst und besonders November ist immer auch eine Zeit der Nachdenklichkeit, der Stille, der Melancholie. Die bunten Farben des Sommers verwandeln sich jeden Tag ein bißchen mehr in die braunen und grauen Farben des Herbstes, es wird kälter, trüber und dunkler, und erst wenn im Advent die bunten Weihnachtsdekorationen auftauchen, wird es wieder bunter und fröhlicher.
Kein Wunder, daß der November bei uns der Monat des Totengedenkens ist. Bei uns Katholiken sind da natürlich vor allem die Tage von Allerheiligen und Allerseelen, dann ist da der staatliche Volkstrauertag und bei den evangelischen Christen endet der November mit dem Toten- oder Ewigkeitssonntag.
Aber wir Christen bleiben nicht beim melancholischen Gedenken an die Vergänglichkeit alles Irdischen stehen. Wir glauben, dass unsere Verstorbenen im Sterben auferstehen ins Leben, dass wir sie zwar hier und jetzt loslassen müssen, aber dass sie am Ziel ihres Lebens sind, nicht am Ende. Bei aller Traurigkeit und Melancholie: Wir denken an unsere Toten in Vertrauen, Glauben und Hoffnung.
Andreas Schreiner ist katholischer Pfarrer in Immenhausen, Vellmar, Ihringshausen und Reinhardshagen.
Glaubenssache:
Zu schnell unterwegs
Von Pfarrer Friedemann Rahn
Ich bin geblitzt worden. Ärgerlich. Das verwaschene Beweisfoto zeigt mich, mit meinen Gedanken offenbar ganz woanders. Ja, ich weiß, ich war da in Hektik. Aber jetzt, bei Lichte besehen, war es völlig unnötig so zu rasen. Ich bin damals dadurch auch kein Stück pünktlicher gewesen.
„…denn es fähret schnell dahin, als flögen wir davon.“ Plötzlich fallen mir die Verse aus Psalm 90 ein. Irgendwie scheinen in der letzten Zeit immer mehr Dinge auf einmal stattzufinden. Das Wiederhochfahren nach den Lockdowns hat eine unglaubliche Hektik und Terminfülle mit sich gebracht. Oder haben die Lockdowns nur aufgezeigt, dass wir uns längst zu viel zugemutet haben? Ich weiß es nicht; ich merke nur, dass ich dauergehetzt bin.
„Wir bringen unsre Jahre zu wie ein Geschwätz“, weiß der 90. Psalm von uns Menschen. Belangloses und Wichtiges wechseln sich plaudernd ab, ständig mischt sich Neues ein. So Manches erweist sich am Ende als unwichtig, „vergebliche Unruhe“, wie es die Bibel nennt. Wäre Anderes nicht wichtiger gewesen? Der Brief an den Freund zum Beispiel, der längst hätte geschrieben werden sollen, statt der vierzigsten Messenger-Nachricht heute?
„Lehre uns bedenken, dass wir sterben müssen, auf dass wir klug werden“, heißt es im Psalm weiter. Und zwar nicht als Warnung, möglichst nichts zu verpassen und darum immer mehr immer schneller zu machen. Sondern als Hinweis, die begrenzte Zeit sehr ausgewählt zu verbringen.
Selbstbegrenzung wäre gut. Ich werde in der nächsten Zeit aufmerksamer fahren. Und mir genau überlegen, was heute wichtig ist. Was wird – es wird ausreichend sein.
29. Oktober
Gedanken zum Sonntag:
Nur Mut!
Von Pfarrerin Adelheid Römer-Bornmann
Mit „Nur Mut!“, oder so ähnlich wirbt eine bekannte Illustrierte in diesen Tagen für ihre neueste Ausgabe. Sie verspricht Tipps im Umgang mit der aktuellen Zukunftsangst der Menschen. Wege, wie Krisen überstanden werden können, sollen aufgezeigt werden.
Diese Ankündigung macht mich neugierig. Gibt es denn wirklich eine Art Patent-Rezept, um in schwierigen Lebenssituationen besser durchzukommen? Gute gemeinte Ratschläge reichen vom Festhalten an positiven Erinnerungen bis zu Durchhalteparolen. „Es kommen auch wieder bessere Zeiten“. Nicht selten ertappe ich mich dabei, wie mir in ernsten Gesprächen ähnliche Phrasen über die Lippen kommen. In ihnen spiegeln sich Hilflosigkeit und Ohnmacht angesichts persönlicher Schicksalsschläge. Was kann ich in dieser Situation betroffenen Menschen Sinnvolles sagen? Dass einfach für sie Dasein und miteinander Aushalten oft eine größere Hilfe sind als jedes gut gemeinte Wort, vergesse ich manchmal.
Im Blick auf die derzeitige schwierige Lage in unserem Land, der Bedrohung in Europa und der Welt, spüre ich Hilflosigkeit und Ohnmacht überdeutlich. Innerlich sträube ich mich gegen die Angst vor der Zukunft und doch ist sie irgendwo in mir drin. Die Augen vor der Realität verschließen bringt allerdingst so viel, wie das Pfeifen im dunklen Keller. Ich möchte die Angst ernstnehmen, ohne mich von ihr beherrschen zu lassen. „Nur Mut!“. Ich weiß nicht, was die Fachmenschen in der Illustrierten empfehlen.- In einem hat die Überschrift recht: Wir brauchen Mut, um Leben zu gestalten und Krisen zu überstehen. Mut macht in jedem Fall auch Jesu Versprechen: Siehe, ich bin bei Euch alle Tage, bis ans Ende der Welt!
Glaubenssache:
Luther und die Drachen
Von Lektorin Anja Mueller-Opfermann
Jetzt im Herbst und bei windigem Wetter kann man sie wieder beobachten: Drachen, hoch am Himmel, in bunten Farben und nur durch eine Schnur mit dem Besitzer verbunden. Für mich ist ein Drachen ein Symbol für Freiheit.
Auch im Glauben schenkt uns Gott viele Freiheiten.
Doch dieses Gefühl hatten die Christen nicht immer. Zur Zeit Martin Luthers schränkte die Kirche die Menschen durch viele Regeln und Vorschriften ein. Sie lebten in der ständigen Angst nicht gottgefällig genug zu sein und nach dem Tod in die Hölle zu kommen. Von dieser Sorge lebte der Ablasshandel. Ablassbriefe, die von der Kirche verkauft wurden, sollten Sünden vergeben können und die Zeit im Fegefeuer verkürzen.Auch Martin Luther kannte diese Angst, doch durch intensives Bibelstudium begreift er nach und nach, dass davon gar nichts in der Bibel steht. Luther entdeckte, dass Gott die Menschen liebt und im Leben, im Sterben und nach dem Tod auf ihrer Seite ist. Diese Erkenntnis hat Luther frei gemacht und somutig, dass er dies an die Menschen seiner Zeit weitergeben musste. Er wandte sich gegen den Ablasshandel und erzählte den Menschen erstmals in ihrer Sprache, was wirklich in der Bibel steht. Damit begann im Jahr 1517 die Reformation.
Die Drachen am Himmel erinnern mich immer wieder an das, was Luther für uns entdeckt hat. Wir dürfen uns durch die Liebe Gottes frei fühlen wir die Drachen am Himmel. Durch die Schnur sind wir jedoch mit Gott verbunden. Er gibt uns Halt und Verankerung. Im Wind können wir Gottes Geist spüren, der in die Lüfte hebt und uns auch trägt, wenn Wolken aufziehen.
22. Oktober
Gedanken zum Sonntag:
Interesse an Sozialkontakten
Von Arno Backhaus
Immer mehr Menschen horten Vorräte, um sich auf schwierige Zeiten vorzubereiten. Von Vorbereitung schreibt schon der Psalmist in Psalm 90, 12 „Lehre uns Herr, dass wir sterben müssen, auf dass wir klug werden.“ Eine viel größere Krise als die Aktuelle steht uns ja allen noch bevor. Früher oder später. Wenn wir am Ende unseres Lebens angekommen sind, ob durch den Corona Virus, andere Krankheiten, einen Unfall, oder auch, weil unser Leben im Alter zu Ende geht. Gott macht uns keine Angst mit dem Tod, er will, dass wir klug und intelligent werden, dass wir unseren Kopf einsetzen und das Ende nicht einfach so auf uns zukommen lassen.
Gott ist an Sozialkontakten interessiert, er möchte eine Ewigkeit mit uns gemeinsam verbringen. Weil aber Gott ein Gentleman ist, zwingt er keinen dazu. Er lädt uns ein, Kontakt mit ihm aufzunehmen. Er will uns trösten und ermutigen. Gerade in Zeiten in denen wir evtl. wieder Sozialkontakte weitgehendst vermeiden sollen, könnten wir doch vermehrt göttliche Kontakte suchen.
Nehmen Sie sich doch mal eine Bibel und lesen Sie täglich einen Psalm, sprechen Sie mit Gott, danken Sie ihm, klagen Sie ihm Ihr Leid, bitten Sie Gott um Beistand, beten Sie für Ihre Angehörigen, Nachbarn, Arbeitskollegen, für Politiker, für den Frieden (nicht nur in der Ukraine) und für die vielen Flüchtlinge weltweit.
Glaubenssache:
„Schwerter zu Pflugscharen?“
Von Pfarrer Jens Holstein
Ich kann mich noch genau erinnern, wo ich heute vor 39 Jahren war – im Bonner Hofgarten. Wir waren mit dem Bus angereist zur Demonstration gegen die Nachrüstung mit atomaren Mittelstreckenraketen mit der Bezeichnung Pershing II. Etwa 150000 Menschen hatten sich dort versammelt, um mitten im Kalten Krieg ihren Willen zum Frieden zu bekunden. Willy Brandt, ehemaliger Bundeskanzler, sprach auf dem Podium, bezog Position gegen den NATO-Doppelbeschluss. Damals hatte ich wie viele junge Menschen heute hehre Motive und zugleich die Vorstellung von einer besseren Welt.
In meinem Studium habe ich nach Antworten gesucht, mich eingehend mit der Bergpredigt beschäftigt. Kann man wirklich die linke Backe hinhalten, wenn der bösartige Aggressor die rechte bereits attackiert hat? Das gilt umso mehr im Großen, wenn ein Diktator mit seinem Machtapparat ganze Völker bedroht. Wohin führt das, wenn man einem Gewaltherrscher keinen Einhalt gebietet? Wladimir Putin hat das Appetit auf mehr gemacht.
Damit ist die achtbare Gesinnung nicht mehr kritiklos durchzuhalten, stellt sich die Frage der Verantwortung. Und auf diese Frage gibt es leider keine eindeutige Antwort. Vielmehr erzeugt sie einen unauflösbaren Gewissenskonflikt.
Dennoch will ich die Vision des Propheten Micha nicht voreilig verwerfen. „Schwerter zu Pflugscharen“ war sein Bild von einer friedlichen Zukunft. Frieden kann es nur geben, wenn Menschen diesen Frieden wollen. Zuweilen brauchen wir als Maßstab dafür Utopien, wohlwissend, dass sie hier und jetzt nicht Realität werden.
15. Oktober
Gedanken zum Sonntag:
Herbstblues
Von Pfarrer Markus Schnepel
Neben mir in der Magnolie kruschelt es heftig. Zwei Amseln sichern sich fette rote Beeren. Ich schaue in das Blätterwerk, das sich langsam von sattem Grün in Gold-Gelb verwandelt. Noch nie gesehen, dass dieser Baum auch Früchte trägt und dass die Vögel sie mögen.
Jesus, der uns zum Christus wird, hat mal gesagt: „Seht euch die Vögel an! Sie säen nicht, sie ernten nicht, sie sammeln keine Vorräte in Scheunen. Trotzdem ernährt sie euer Vater im Himmel. Seid ihr nicht viel mehr wert als sie?“
Ob wir viel mehr wert sind, bin ich nicht sicher. Aber viel mehr Sorgen machen wir uns bestimmt. Mich befällt dieser Tage immer wieder eine Art Herbstblues. Ich blinzle in die Sonne und sehe das bunte Laub. Das ist schön. Und doch überkommt mich gerade dann der Blues der Vergänglichkeit. Wie viele Menschen würden gerne säen und ernten und können es nicht. Sei es, weil der Krieg es nicht zulässt, sei es, weil der Klimawandel ihre Böden in eine dürre Landschaft verwandelt hat. Sei es, weil sie die Energiekosten nicht mehr aufbringen können. Wenn mich als privilegiertem Menschen schon der Blues überfällt, wie viel mehr viele andere. Der Herbst führt uns die Vergänglichkeit vor Augen. Auch unsere eigene.
Ein Patentrezept dagegen habe ich nicht. Aber ich schaue den Vögeln zu, wie sie das sammeln, was sie wirklich brauchen. Mehr nicht. Ich höre ihren Gesang und summe mit. Irgendeine Melodie, die mir einfällt. Vielleicht einen alten Gospel. Schön ist, wenn man dann noch andre findet die mitsummen oder singen. Wie morgen auf dem Hofgeismarer Markplatz beim Gospelgottesdienst. Lasst uns den Herbstblues teilen, uns die Weisheit der Natur zeigen, zusammen singen und so gemeinsam mit Gottvertrauen in den Winter gehen.
Glaubenssache:
Leerstellen unseres Lebens
Von Pfarrer Lars Bachmann
Wir haben sie getilgt. Vielleicht weil sie vielfach als antiquiert gelten. Auch in Gesprächen kommen sie kaum noch vor. Und die meisten Jugendlichen und jungen Erwachsenen, die mir in der Schule begegnen, können selten zum Ausdruck bringen, woran sie ihr Leben orientieren. Ja, Gott und der Nächste (der Bruder und die Schwester) scheinen kaum noch eine relevante Rolle zu spielen. Allenfalls noch der nächste Familienangehörige ist noch im Blick, jedenfalls dort, wo Familien noch intakt sind. Interessieren wir uns wirklich für den Bruder und die Schwester im weiteren Sinne? Versuchen wir nicht, unsere eigene Komfortzone solange wie möglich und mit allen Mitteln zu erhalten.
Wir können sehr lange Verständnis haben für alles Mögliche. Wir können in unserer von anderen geschützten Komfortzone entspannt äußern, dass nichts gut sei. Dabei schauen wir wissend der Zerstörung menschlichen Lebens zu, weil wir alles mit einem Zweifel versehen. Vor lauter Zweifel reden wir und kommen nicht ins Handeln. Dabei haben wir doch eine Lebensregel, die uns an einer lebenswerten Welt bauen lässt. „Dies Gebot haben wir von ihm, dass, wer Gott liebt, dass der auch seinen Bruder liebe" (1. Joh 4,2). Ich bin davon überzeugt, dass uns diese kluge Lebensregel das schenkt, was wir suchen und vielleicht nur nicht in Worte fassen können.
Wie wäre es also, wenn wir Liebe verströmen, indem wir Gott und den Nächsten wie einen Bruder oder eine Schwester lieben und unser Handeln nicht nur an unserer Wirtschafts- und Arbeitskraft orientieren. Geben wir uns und dem Leben eine Chance und lassen wir uns von der Liebe verwandeln. Friede sei mit euch und allen Menschen.
Glaubenssache:
PIN 1162
Von Prädikant Günther Dreisbach
Mit Sorge schauen sie in ihre Heimat, die Iraner, die – viele des Glaubens an den Herrn Jesus Christus wegen – ihre Heimat verlassen haben, verlassen mussten, die wenigsten: verlassen wollten. Das Land ist in Aufruhr. Und die, die schon längst nicht mehr Gäste und Fremdlinge in unseren Gemeinden sind, sondern zu uns gehören, sind fassungslos, beten, hoffen, weinen. Man kann es nicht begreifen, dass ein nicht richtig getragenes Kopftuch ein Land zur Erschütterung bringt.
Und in diesen Tagen und Wochen kreisen die Gebete in unseren Gemeinden, die persönlichen und die in unseren Gottesdiensten und die Friedensgebete in den Kirchen und auf dem Marktplatz auch um die schwierige Lage »zu Hause«. Was macht das mit den Freunden, mit den Familien, die wir zurücklassen mussten, die wir zurückgelassen haben? Gut, dass wir als Christen eine Adresse für diese Fragen haben. Gut, dass wir nicht auf uns allein gestellt sind. Gut, dass wir uns an eine Adresse erinnern können, die zuverlässig ist, immer, ein Leben lang. Die PIN dafür steht in Psalm 116, Vers 2: »Denn Gott neigte sein Ohr zu mir; darum will ich ihn mein Leben lang anrufen.«
PIN 1162 ist zuverlässig. Ich bekomme direkten Kontakt zu Gott. Und ich kann Gott in den Ohren liegen: Mach dem Krieg in der Ukraine ein Ende. Mach dem Hunger ein Ende. Gib, dass die Machthaber im Iran an das Ende ihrer Macht kommen. Es gibt so viel zu bitten in unseren Tagen. Wählen Sie PIN 1162. Klar: Wir verzweifeln daran, dass Gott nicht sofort hört. Aber sollten wir deshalb aufhören, ihm in den Ohren zu liegen?
1. Oktober
Gedanken zum Sonntag:
Dankbar oder stolz?
Von Pfarrer Dr. Jochen Gerlach
„Stolz ist etwas Gutes“, entgegnet mir der Handwerker. „Wenn ich mit meinen Leuten einen Dachstuhl fertig gestellt habe, wenn wir das Werk unserer Hände betrachten und sehen, wie wir die kleinen und größeren Schwierigkeiten gemeistert haben, dann bin ich stolz auf das, was wir erreicht haben.“ Das hat mich überzeugt. Nach dem Gespräch kann ich mehr mit dem Wort „Stolz“ anfangen.
Andererseits stellt Paulus, der Handwerker und Apostel, die provokante Frage (1.Kor 4,7): „Was hast du, das du nicht empfangen hast?“ Ja, es ist nicht mein Verdienst, dass ich in ein wohlhabendes Land hineingeboren wurde. Die Familie, in der wir aufwuchsen, und alle unsere erblichen Anlagen, prägen unseren Charakter. Dazu gehören auch die eigene Schaffenskraft und der Ideenreichtum. Auch im späteren Leben gibt es Menschen, die uns zum Beispiel als Lehrende wichtige Impulse geben. Immer sind wir die Beschenkten. Wir können also zutiefst dankbar sein. Aber auch stolz, wenn uns etwas gelingt, bei dem wir umsichtig und geschickt anwenden konnten, was uns vom Leben – von Gott – mitgegeben wurde.
Dankbar sein bewahrt uns vor Hochmut und macht uns bereit zu teilen. Das kann in den kommenden Monaten für unsere Gesellschaft wichtig werden.
Glaubenssache:
Dankfest? Ernsthaft?
Von Pfarrer Kai Michael Scheiding
Bemerkenswert oft scheinen kirchliche Feste im Widerspruch zu unserer Lebenswirklichkeit zu stehen. Zum Beispiel jetzt: Viele Menschen haben Angst vor der Energiekostenexplosion, vor einer Eskalation des Ukraine-Krieges, vor einer neuen Corona-Welle. Und wir feiern morgen ein Dankfest? Echt jetzt?
Kann man Gott angesichts der geopolitischen und geoklimatischen Situation danken? Wofür?
Vieles, was ich habe und genießen darf, verdanke ich zweifellos meinem eigenen Schweiß. Aber nicht alles. Dass ich in diesem Teil der Welt leben darf und nicht in einem Kriegs- oder Hungergebiet. Dass ich in dieser Zeit leben darf und nicht wie mein Opa und mein Uropa in einen Krieg ziehen muss. Dass ich bisher weder schwere Krankheiten noch Unfälle hatte. Oder diese überstanden habe. Dass ich einen Menschen gefunden habe, der mich liebt und zu dem ich gehören darf. Das alles habe ich nicht mir selbst zu verdanken. All das ist auch mein „täglich Brot“, von dem ich lebe. Für all das und vieles mehr kann ich danken.
Der nächste logische Schritt ist dann, dass ich meinen Segen nicht horte und hamstere, sondern einen Teil davon weitergebe an Menschen, die es nicht so guthaben. Ein wichtiger Baustein dazu ist zum Beispiel die Kirchensteuer, mit der Sie ein Stück Ihres Segens weitergeben und die soziale Arbeit der Kirchen unterstützen.
Das bewusste und aktive Danken für den Segen, der trotz allem auch da ist, ist ein gutes Korrektiv, um das sorgengeplagte Lebensgefühl etwas zurechtzurücken. Es in eine Perspektive zu setzen. Gerade weil ein Dankfest im Moment etwas anachronistisch wirkt, ist es wichtig.
24. September
Gedanken zum Sonntag:
Danke sagen ist nicht kinderleicht!
Von Pfarrer Jonathan Bergau
„Wie sagt man?“, höre ich die Eltern vor mir an der Fleischtheke ihr 3-jähriges Kind fragen. „Danke!“, folgt die verschämte Antwort als es die Scheibe Fleischwurst in den Händen hält und sofort verspeist.
Manchmal muss ich auch ans Danken erinnert werden. Ich sehe die Nöte und die Probleme in dieser Welt. Da ist es mir ganz und gar nicht nach Danken.
Noch einmal an die Fleischtheke: „Ich will ‚ne Scheibe Wurst!“, so schallte es wenige Minuten zuvor lautstark durch den Supermarkt.
Das was ich will, kann ich oft gut benennen. Wie viele Menschen mache auch ich mir derzeit Gedanken, wie wir gut durch den Winter kommen sollen.
Das Kind an der Fleischtheke schreit seine Wünsche und Hoffnungen einfach so in die Welt. Es ist gestattet, sie Sorgen und Nöte zu benennen. Wir dürfen Sie sogar Gott in die Ohren schreien. Unsere Klage hat bei ihm einen guten Platz. Und dann …
Dann hilft mir immer wieder der Hinweis darauf, für was ich dankbar sein kann. Ich merke, dass das trotz allem eine ganze Menge ist.
Lassen Sie sich nicht nur aber auch in den Erntedankgottesdiensten unserer Gemeinden, dazu einladen, Ihren Sorgen und Klagen aber auch Ihrer Dankbarkeit vor Gott einen Raum zu geben.
Glaubenssache:
Symphonie der Welt
Von Pfarrerin Kathrin Wittich-Jung
Stellen Sie sich das mal vor: Sie sitzen im Konzertsaal.
Der Pianist betritt den Raum und setzt sich an das Klavier. Rückt die Seiten der Partitur zurecht, setzt seine Brille auf. Holt eine Stoppuhr aus dem Frack und schließt den Deckel der Tastatur.
Er blickt auf die Stoppuhr. Und tut sonst nichts.
Keine virtuosen Klavierklänge. Einfach nur Stille.
4 Minuten und 33 Sekunden. So heißt das Stück von John Cage.
Bei der ersten Aufführung war die Empörung groß. Unverschämt: 4 Minuten 33 einfach nur Stille!
Schnell stellte man fest: So still ist Stille gar nicht:
Ich höre die Geräusche der anderen Menschen. Das Rascheln der Kleidung. Das Scharren der Füße. Vielleicht höre ich meinen Herzschlag und meinen Atem. Die Stimmen auf der Straße. Und dann ist das irgendwie doch wie Musik.
John Cage war der Meinung: Das Stück kann man auch an anderen Orten und sogar ohne Interpreten aufführen, denn die Geräusche der Welt komponieren diese Minuten.
Ich könnte es sogar selbst: Einfach nur mal dasitzen und auf die Welt um mich herum hören. Alle Geräte sind aus. Einen Moment keine Nachrichten und Musik.
Ich höre in die Welt hinein und ein bisschen auch in mich selbst.
Ich glaube, im Alltag braucht es manchmal ein paar Minuten wie diese. Der Kopf ist oft übervoll von Nachrichten über Krieg und Sorgen. Da ist keine Zeit mehr, auf die schöne Musik der Welt zu hören.
In den paar Minuten komme ich zur Ruhe, meine Gedanken ordnen sich dabei.
4 Minuten 33 mit mir, der Welt und irgendwie auch mit Gott.
Ich vertraue darauf: Er setzt sich in den ruhigen Minuten auch einfach daneben und hört zu: Auf meine Worte, die ich ihm in diesen ruhigen Minuten sagen kann.
17. September
Gedanken zum Sonntag:
Ein Lied auf den Lippen
Von Pfarrerin Renate Wollert
„Ich verstehe nicht, warum die Welt so ist, aber ich hoffe wirklich, die Musik macht sie besser.“ Sänger Rea Garvey hatte bei „The Voice of Germany“ Tränen in den Augen, nachdem Khrystyna aus Kiew ihr Lied gesungen hatte. „Ich denke, Musik kann helfen, dass Menschen zusammenhalten,“ stimmte die junge Frau zu.
Viele von uns wünschen sich eine bessere Welt, in der wir Menschen zusammenhalten. Gemeinsam Musik zu machen und zu singen kann uns Kraft geben und Hoffnung wecken.
In unseren Kirchen singen wir Lieder von Menschen, die vor hunderten von Jahren Krieg und Not erlebt haben und Halt und Trost bei Gott finden. Wir singen auch Lieder aus unserer Zeit, die fröhlich Gott loben oder nachdenklich um seinen Frieden bitten. Wir können mit diesen Liedern ausdrücken, was uns Angst macht und was uns Hoffnung gibt.
An diesem Sonntag wollen wir das bei einem Gottesdienst mit viel Musik für alle Gemeinden des Kirchenkreises um 11 Uhr in der Stadtkirche Wolfhagen erlebbar machen.
Musik kann helfen, dass Menschen zusammenhalten – und lässt uns auf eine bessere Welt hoffen. Und vielleicht begleiten uns dann die Lieder, die wir gemeinsam singen, und gehen immer wieder durch Kopf und Herz und leicht von den Lippen.
Glaubenssache:
ZWEI ODER DREI
Von Prädikant Günther Dreisbach
Als Prädikant komme ich viel in den Gemeinden rum. Und mich bewegt, dass der Gottesdienstbesuch am Sonntag immer schlechter zu werden scheint. Fast klingt es schon wie eine Entschuldigung, wenn die Küsterin Jesus zitiert: »Wo zwei oder drei versammelt sind in meinem Namen, da bin ich mitten unter ihnen.« Wobei Jesus das gar nicht im Blick auf den Syna-gogenbesuch gesagt hat. Manchmal fühle ich mich erinnert an den Touristen in einem kleinen niederbayrischen Dorf, der zu dem Einheimischen sagt: »Da haben Sie aber ein wunderschönes Gotteshaus.« »Ja, ja«, nickt der, »wir schonen es auch sehr.«
Was ist zu tun? Müssen Gotteshäuser geschont werden? »Ja klar«, werden einige sagen, »sonst müssen wir ja noch mehr in die Unterhaltung stecken.« »Ja klar, aber«, werden andere sagen, »doch für eine Stunde in der Woche solch ein Gebäude unterhalten, das ist doch total unwirtschaftlich.« Aber das sind ja alles oberflächliche Fragen, die man stellen kann und stellen muss.
Viel mehr muss man fragen: Brauchen Menschen den Dienst, den Gott an ihnen tut, nicht mehr? Brauchen sie nicht mehr den Zuspruch der Vergebung? Brauchen sie nicht mehr die Gemeinschaft im Singen und im Beten und in der Feier des heiligen Mahles? Brauchen sie nicht mehr die Gemeinschaft unter Gottes Wort?
Nachdenklich macht mich immer wieder die Aussage des Küsters bei der Frage nach der Anzahl der Plätze in der Kirche: »Wenn nicht alle reingehen, gehen alle rein. Aber wenn alle reingehen, gehen nicht alle rein.« Übrigens: Wann morgen Gottesdienst in Ihrer Gemeinde ist, lesen Sie in dieser Zeitung.
10. September
Gedanken zum Sonntag:
24. Sonntag im Jahreskreis
Von Diakon Jürgen Jaklin
Und wieder einmal das Gleichnis vom verlorenem Sohn.
Für die, die es noch in Erinnerung haben, wird es in diesen Tagen ganz aktuell! Es scheint mir oft so ,dass wir unseren Glauben nach dem aktuellen Geschehen ausrichten!
Es ist unter anderem heute so, dass sehr viel gelogen wird, so, dass sich oft die Balken biegen. Einige Länder haben sogar Ministerien errichtet, deren Aufgabe es ist, nur Unwahrheiten zu verbreiten, um so die Menschen zu verunsichern.
Warum geben wir gerade in diesen Zeiten unseren Glauben auf, der uns in solchen Situtionen helfen kann und soll.
Jesus Christus ist auch so einer Lügenmaschinerie zum
Opfer gefallen, ja er wurde aufgrund vieler Lügen
gequält und getötet. Haben wir nichts daraus gelernt?!
Wenn wir unseren Glauben aufgrund mancher Informationen
aufgegeben haben, so macht es uns Gott sehr einfach
wieder zu ihm in die rettende Nähe zurückzukehren.
Gott möchte unseren eigenem Weg nicht entgegenstehen.
Er gibt uns nach wie vor die Freiheit uns zu entscheiden
für wen oder für was. Wenn wir uns wieder für ihn entscheiden sollten, er wartet nicht auf ein Wort der Entschuldigung!
Er nimmt uns mit voller Freude in seine Arme!
Ja, das ist unser Glaube!
Die Tür steht immer offen.
Es ist jeder, jederzeit voller Freude herzlich willkommen!
Liebe Christen
Wir alle sind Kinder eines Vaters! Er liebt uns alle!
Trauen wir uns!
Jürgen Jaklin ist Diakon der katholischen Kirchengemeinde St. Peter in Hofgeismar.
Glaubenssache:
Kinderkirche
Von Pfarrer Karl-Alfred Dautermann
Seit ein paar Wochen darf ich mitmachen bei der Kinderkirche in Ippinghausen, nicht gerade gewöhnlich mit 60 Jahren, aber es macht einen irren Spaß. Den Kindern biblische Geschichten und Werte nahezubringen, das ist einer der Gründe, warum ich mal Pastor geworden bin.
Spricht doch zu mir die Mitarbeiterin der Ev. Kirche: „Du lass uns mal die Geschichte vom verlorenen Sohn erzählen. - Ach nee, die kennen doch schon alle, da langweilen wir die Kinder.“ Doch tatsächlich, von 14 Kindern kannten nur 4 Kinder die Erzählung Jesu vom liebenden Vater. Es gibt wohl kaum ein Gleichnis Jesu, das uns das Wesen Gottes mit seiner Liebe so nahe bringt, wie die Geschichte aus Lukas 15. So großartig ist Gott, und so verwirrt sind wir Menschen. – Wie, Sie kennen die Geschichte auch nicht? – Wie, Sie haben die Geschichte ihren Kindern oder Enkelkindern auch noch nie erzählt? – Dann wird es aber höchste Zeit, gerade auch in diesen krisenhaften Tagen. Wie sonst sollten wir selbst und unsere Kinder denn noch Vertrauen fassen können in eine unbekannte Zukunft, wenn wir nicht wüssten, dass über allem dennoch ein liebevoller Vater im Himmel auf uns wartet. Meinen wir wirklich, wir könnten unser Leben nur allein aus eigener Kraft bewältigen? Der verlorene Sohn ist dabei im Schweinestall gelandet.
- Und als ich den Kindern dann noch erzählte, dass Jesus Christus den umgekehrten Weg gegangen ist, vom Königreich im Himmel zu uns in den Schweinestall, damit wir den Weg nach Hause finden, da war das Staunen vollendet. – Vielleicht lesen sie es selbst noch einmal nach in Lukas 15, und dann erzählen sie es ihren Kindern. Es lohnt sich!
3. September
Glaubenssache:
Eine Tüte voller Wünsche
Von Diakon Alexander von Rüden
Kürzlich hat zu Hause das große Basteln begonnen: Die Schultüte wird fertiggestellt, denn unser älterer Sohn wird kommende Woche eingeschult – wie so viele weitere Kinder in Hessen. Spannung, Vorfreude und Aufregung sind groß. Und eine Schultüte gehört einfach dazu!
Bestimmt haben die Eltern der diesjährigen Erstklässler viel Schönes in die Schultüten ihrer Kinder hinein gepackt. Sie wollen ihnen ja ganz viel Gutes mitgeben für den Anfang in der Schule. Außer all den Gegenständen und Gaumenfreuden, die eingepackt worden sind, lassen sich ziemlich sicher auch Liebe und Geborgenheit, Unterstützungszusagen und Glückwünsche darin finden – unsichtbar, aber dennoch da!
Ich möchte noch einen weiteren guten Wunsch in die Schultüten mit hineintun, für den bestimmt noch ein Zwischenraum frei ist: Gottes Segen! Der ist sogar noch mehr als ein guter Wunsch. Er ist eine Kraft von Gott, und die möge die Kinder erfüllen an allen Tagen: an solchen, an denen es gut läuft in der Schule, aber auch an jenen, an denen vielleicht das ein oder andere Problem auftritt. Gott füllt die Schultüte mit der Zusage: „Habt keine Angst, ich bin für euch da, auf mich könnt ihr euch verlassen, denn ihr seid meine geliebten Kinder!“ (vgl. 1. Johannesbrief 3,1)
Kinder und Jugendliche, die schon seit längerem in der Schule sind, können vielleicht bestätigen, dass es Situationen gibt, zu denen man rückblickend mit Fug und Recht sagen kann: „Gott sei Dank“.
Das Vertrauen auf Gottes Schutz und seine Wegbegleitung wünsche ich allen, die jetzt vor neuen Herausforderungen stehen, insbesondere allen Schulanfängern und ihren Familien.
27. August
Gedanken zum Sonntag:
Mut ist Angst, die gebetet hat
Von Pfarrerin Kristina Bretschneider
Sind Sie auch manchmal mutlos, etwa wenn Sie an den kommenden Winter denken und was uns da noch erwarten mag? Oder wenn Sie unsicher sind, ob Sie sich über diesen Traumsommer eigentlich freuen können beim Anblick der vertrockneten Rasenflächen und der tiefen Risse im Erdboden, die uns die Dramatik des Klimawandels beängstigend vor Augen führen? Ganz zu schweigen davon, dass ein Ende des Krieges in der Ukraine nicht in Sicht ist und dass Corona uns auch weiterhin nicht in Ruhe lassen wird. Ja, es sind schwierige Zeiten, Krisenzeiten. Und der Mut kann uns angesichts all dessen tatsächlich verloren gehen.
In meinem Andachtsbuch, in das ich täglich hineinschaue, liegt eine Karte mit dem kurzen Satz: ‚Mut ist Angst, die gebetet hat.‘ Für mich ist dies ein echter Mutmachsatz. Er stammt von Corrie ten Boom, einer Christin aus den Niederlanden, die während der Naziherrschaft den Mut hatte, jüdischen Menschen zu helfen. Corrie ten Boom war nicht aus sich heraus mutiger als andere Menschen. Aber sie kannte eine Adresse, an die sie sich mitsamt ihrer Angst wenden konnte. Aus ihrem Gottvertrauen hat sie Mut für sich selbst und damit auch für andere Menschen gewonnen. Die vielen Angstmacher sind dadurch nicht aus der Welt geschafft, damals nicht und heute leider auch nicht. Aber sie sind ein Stück weit gebannt. So wird die Mutlosigkeit kleiner – durch die Kraft des Gebets.
Deshalb möchte ich auch dieser Kraft vertrauen. Und ich möchte Sie ermutigen, dies ebenfalls zu tun. Denn: ‚Mut ist Angst, die gebetet hat.‘ Gott schenke uns solchen Mut!
Glaubenssache:
Filchner trifft Lübcke
Von Prädikant Günther Dreisbach
Ich stelle mir vor: in der Ewigkeit trifft sich Wilhelm Filchner mit Walter Lübcke. Filchner war ein deutscher Geophysiker, Forschungsreisender und Reiseschriftsteller und auch Mitglied der Gesellschaft für Rassenhygiene, die 1945 aufgelöst wurde. 1960 wurde die Gesamtschule in Wolfhagen nach ihm benannt. Lübcke war ein deutscher Politiker, der sich nicht verbieten ließ, ein Kreuz in seinem Dienstzimmer im Kasseler Regierungspräsidium aufzuhängen und der sich engagiert für die Flüchtlinge im Regierungsbezirk Kassel einsetzte. 2019 wurde er von einem rechtsextremen Täter auf der Terrasse seines Wohnhauses in Istha erschossen.
Schnell kam der Gedanke auf, die Schule nach ihm zu benennen. In dieser Zeit suchte man vielerorts nach Fehlern in der Vergangenheit von Menschen. Und erinnerte sich an Filchners Nähe zum Nazi-Regime. Da konnte man mit argumentieren. Und tat damit Walter Lübcke posthum etwas Gutes. Schön, dass die Schule nach ihm benannt wurde.
Ich weiß nicht, warum ich jetzt an ein Wort Jesu denke, das er Männern als Antwort darauf gab, dass sie eine Ehebrecherin zu ihm brachten: Muss die Frau gesteinigt werden? Das war die Strafe für das Vergehen. Jesus rettet die Situation: »Wer von euch ohne Schuld ist, der werfe den ersten Stein.« Ich denke, dass alle, die sich für die Umbenennung der Schule stark gemacht haben, diese Frage nach der eigenen Schuld gestellt und dann entschieden haben: Filchner nein. Lübcke ja. Und ich stelle mir vor, die beiden Verewigten treffen sich im Himmelreich. Ich vermute, sie haben sich viel zu erzählen.
20. August
Gedanken zum Sonntag:
Israel begegnen
Von Pfarrer Karl Waldeck
Die Kirche begeht den morgigen Sonntag als „Israelsonntag“. Sein Thema ist das Verhältnis der Christenheit zum Volk Israel, zum Judentum. Wechselvoll ist es seit langem: Schuld hat es geprägt, Diskriminierung, auch Gewalt seitens der christlichen Mehrheitsgesellschaft, schon bevor der Nationalsozialismus das Judentum vollends vernichten wollte.
75 Jahre ist das her. Vieles ist seitdem besser geworden. Die Kirchen haben erkannt, dass der Gott Jesu der Gott Abrahams und Saras ist und Israel bis heute die Treue hält. Vertrauen zwischen Christen und Juden ist gewachsen. Doch das ist kein Grund zur Beruhigung; es gilt, wachsam zu bleiben: Der Antisemitismus ist nicht verschwunden; er zeigt sich offen: nicht nur in einzelnen Kunstwerken der Documenta, sondern auch in der deutschen Gesellschaft.
Kann man Vorurteile überwinden? Man kann ihnen zumindest vorbeugen – durch Erinnerung und Begegnung. Vor der NS-Katastrophe hatte es auch eine gute Nachbarschaft von Christen und Juden gegeben: Das Stadtmuseum Hofgeismar bietet hierzu einen guten Einblick. In der Gegenwart kommt es darauf an, einander zu begegnen. Seit mehr als einer Generation leben wieder mehr Juden in Deutschland, auch in unserer Region. Auch hier gilt: Es ist gut, wenn man aufeinander hört, miteinander spricht und nicht übereinander - nicht nur am Israelsonntag.
Glaubenssache:
Kennen Sie Kunigunde?
Von Ursula Muth
Sie war immerhin Kaiserin und stiftete 1017 das Kloster Kaufungen – kein Wunder also, dass in Kassel eine Kirche nach ihr geweiht wurde: St. Kunigundis im Kasseler Osten. Sie wird nicht mehr als Gottesdienstraum genutzt, aber Taufbecken, Altar und Heiligenbilder sind noch da; jetzt stehen sie im Dialog mit Skulpturen, die ein documenta-Kollektiv aus Haiti installiert hat. Mein Blick geht nach vorn zum Altar: Links steht das Skelett einer Madonna in blauem Tüll. Der Totenkopf erschreckt mich. Diese Maria wiegt eine kaputte Puppe in ihren Armen, darüber balanciert sie eine Bibel und eine Uhr. Nebenan wird eine Kreuzwegstation – die Kreuzesabnahme Christi – mit einem Gemälde konfrontiert, auf dem drei nackte Frauen eine Schlange halten. Auferstehungsbilder am Himmel des Chorraumes sind mit Klebestreifen bearbeitet. Christus ist beispielsweise der Mund zugeklebt. Ich flaniere staunend von Skulptur zu Skulptur, gebaut aus Totenschädeln und Metallschrott, teils mit Waffen ausgerüstet.
Das Inventar dieser Kirche, das einmal der Anbetung diente, das Würde ausstrahlte, wird von Schlangen, Metallschrott und einem undefinierbaren Sound im Raum regelrecht angegriffen. Mir tut das weh. So fühlt sich Gewalt an, Krieg vielleicht und Tod. Es gibt kein Tabu, nichts ist heilig.
Am Ausgang verweile ich noch einen Moment neben dem großen steinernen Taufbecken, gefüllt mit trockenem Sand. Dann trete ich hinaus in die auf 36° aufgeheizte Atmosphäre und mache mich auf den Heimweg, vorbei an den Industrieruinen von Salzmann und Co. „Und ob ich schon wanderte im finsteren Tal, fürcht ich kein Unglück, denn du bist bei mir, dein Stecken und Stab trösten mich.“
13. August
Gedanken zum Sonntag:
Eine saubere Sache
Von Pfarrer Martin Schöppe
Über viele Jahre hat er mitgeholfen, die Stadt Hofgeismar und ihre Parkanlagen sauber zu halten. Mit seinem kleinen Handwagen der Stadt war er Tag für Tag in Hofgeismar unterwegs. Oft bin ich ihm begegnet. Kein Dreck war ihm zu viel, der wieder einmal Teile der Bleiche oder Birkenallee nach nächtlichen Feiern zu einer Müllhalde gemacht hatte. Kein Papierschnipsel hat er übersehen und kein „Guten Morgen“ überhört.
Er gehörte sicher zu denen, die man als gute Seele der Plätze und Wege bezeichnen kann, auf denen wir leben. Wie mag er sich gefühlt haben, als gerade in den letzten Jahren der Dreck immer mehr zunahm und viele ihren Abfall einfach fallen ließen? Dabei freundlich, geduldig und verlässlich zu bleiben hat ihn ausgezeichnet. Seit er im wohlverdienten Ruhestand ist fehlt seine Arbeit sichtbar an vielen Stellen und sein in Hofgeismar vielen bekanntes Gesicht.
Danke für eine jahrelange „saubere Arbeit“, die dazu beigetragen hat sich in Hofgeismar wohlzufühlen!
Glaubenssache:
Gottes Segen
Von Lektor Günter Schnellenpfeil
… ist weder eine Käseglocke, die alles Schlimme abhält, noch eine Versicherung die für alle Schäden aufkommt. Wenn wir Anderen Gottes Segen wünschen, wollen wir ihnen Gutes mitgeben. Dabei verfügen wir nicht über Gottes Segen noch haben wir ihn in der Hand. So wünschen wir, dass Gott seinen Segen für den nächsten Lebensabschnitt schenke. Schon von Abraham wissen wir, dass ein langer Weg, zwischen seinem Aufbruch und der Erfüllung der Segenzusage, lag. Viel Geduld ist auch bei uns notwendig, bis sich Gottes Segen für uns sichtbar erschließt. Er weiß nach seinem Willen mein Verlangen zu erfüllen. Wir haben ihm nichts vorzuschreiben.
Wir müssen es Gott überlassen, wann und wie er den Segenswunsch füllt. Bei der Taufe, Konfirmation, Heirat, Geburtstag oder Jubiläum, wird uns Segen zugesprochen. So auch am Schluss des Gottesdienstes. Oftmals werden Verstorbene entlassen mit einer Aussegnung, in einen neuen Abschnitt unter Gottes Geleit. Wir dürfen seiner Treue gewiss sein. Vertrauen wir also nicht auf unsere Erfahrungen, sondern auf Gottes Zusage. ER ist stets bei uns. So wirst du selbst ein Segen sein!
6. August
Gedanken zum Sonntag:
Mehr als alle anderen
Von Pfarrer Sven Wollert
„Ihr müsst teilen, was da ist!“ In dieser Woche war ich mal wieder in unserer Kita unterwegs. Die Großen, die in vier Wochen eingeschult werden, sind schon nicht mehr da. Etliche Kinder sind schon im Urlaub, die neuen kommen zum großen Teil erst im September. Es ist kein Vergleich zu dem, wie es sonst in Hochzeiten im „Regenbogenhaus“ summt und brummt.
Und doch schaute eines der Kinder bedröppelt bei einer Erzieherin vorbei. Er hätte auch gerne mit einer bestimmten Sorte Bauklötze gespielt, aber andere hatten sie schon gehortet. Es schien ihnen auch nicht recht einsichtig, warum sie nun davon etwas abgeben sollten. Also sollte die Erzieherin richten, was sich nicht von selbst regeln ließ: „Ihr müsst teilen, was da ist!“
Auch wir Erwachsenen werden wieder lernen müssen, das zu teilen, was da ist, zum Beispiel Energie und Gas. Viele von uns hatten sich daran gewöhnt, dass sie nur etwas von dem abgeben, was im Überfluss vorhanden ist. Das geht leicht, naja, zumindest gibt es sich leichter. Aber das zu teilen, was man eigentlich selbst dringend braucht, ist viel schwerer.
Jesus hat einmal eine Frau beobachtet, die genau das tat. Er hat seine Freunde auf sie hingewiesen: „Sie hat mehr gegeben als alle anderen!“. Dabei war es gar nicht viel – heute wären es ein paar Cent. Für andere ein Klacks, für sie eine Welt.
Glaubenssache:
Auf dem Barfußpfad
Von Lektorin Anja Mueller-Opfermann
Vor einiger Zeit hat unsere Familie einen Barfußpfad besucht. Mit nackten Füßen liefen wir über Sand, Holz, Fichtenzapfen, Schlamm, Steinpflaster und andere Materialien. Oft waren die Untergründe weich, und wir hatten richtig Spaß darüber zu gehen. Nur die Kieselsteine waren gar nichts für mich. Jeder Schritt musste gut überlegt sein und war trotzdem schmerzhaft. In Vers 12 von Psalm 91 heißt es: „Dass du deinen Fuß nicht an einen Stein stoßest.“ Ja, das wünsche ich mir für diesen Abschnitt des Barfußpfades, aber auch für mein ganzes Leben. Kein Anecken, keine Stolperfallen und keine schmerzenden Erlebnisse! Leider sieht das Leben anders aus. Es gibt jede Menge Steine, die mir auf dem Lebensweg begegnen. Manchmal stehe ich sogar in Bergen von Geröll. Dann fällt es schwer, sich für den nächsten Schritt zu entscheiden.
Gott ebnet nicht jeden Weg so, dass er sich meinen Vorstellungen anpasst. Aber im Rückblick sind es die unebenen Wege, die mir helfen, mich im Leben weiterzuentwickeln. Doch der Gedanke aus Psalm 91, dass Gott nur das Beste für mich will und mich besonders auf schweren Wegen begleitet, hilft dabei weiterzugehen. Manchmal merke ich nach ein paar Schritten, dass der Weg gar nicht so schlecht ist. Immer wieder fordert mich so ein steiniger Weg heraus, aber oft passt er doch irgendwie und verlangt nichts Unmögliches von mir.
Trotzdem freue ich mich nicht auf den nächsten holprigen Weg und darauf auf schmerzenden Steinen laufen zu müssen.
Ob ich ihn trotzdem beginnen werde? Hoffentlich – denn so lerne ich Gott und mich selbst ein Stück besser kennen.
30. Juli
Gedanken zum Sonntag:
Welchen Wert hat der Mensch?
Von Arno Backhaus
Die Würde ist Teil meiner Persönlichkeit und unterliegt keiner menschlichen Fremdbestimmung. Das Wort „Würde“ hat die gleiche Sprachwurzel wie „Wert“ und „Ansehen“. Ein Diamant besteht nur aus Kohlenstoff und hat somit kaum einen eigenen Wert. Er hat nur den Wert, den wir ihm geben.
Und wer gibt uns unseren Wert? Wie wertlos menschliches Leben werden kann, zeigen die Russen, die im Militär für eine Ideologie geopfert und „verheizt“ werden. Und wie sieht es mit unseren westlichen Werten aus? Immer mehr Menschen fühlen sich wertlos. Wie herzlos wird mit etlichen Hartz-IV-Empfängern umgegangen. Auch Behinderte empfinden sich oft nicht wertgeachtet. Alte Menschen sind nicht der Rede wert. Behinderte, Alte und Kranke können wir uns einfach nicht mehr leisten. Weil wir alles dem Götzen Geld opfern.
Bei Gott sind wir keine Randerscheinung. Bei Gott sind wir das Wertvollste. Er schuf uns sich ähnlich. Wunderbar bist du gemacht. Gott schaut nicht zu, wie wir an uns und unseren Fehlentscheidungen kaputtgehen, er möchte aus unserem Leben wieder eine blühende Landschaft machen. Dazu will er uns als seine Mitarbeiter an seiner Seite, dass wir Leben und Hoffnung ausstrahlen, Frieden widerspiegeln, Zuversicht vermitteln, Freundlichkeit teilen, Liebe weitergeben. Das schaffen wir nicht alleine. Dazu brauchen wir Gott an unserer Seite.
Glaubenssache:
Das Kind in uns
Von Pfarrerin Pille Heckmann-Talvar
Krieg, Zerstörung, Klimakatastrophen. Das sind die Themen, die uns heute unablässig beschäftigen. Zurecht. Weil es schlimm ist und verrückt, wie es in dieser Welt gerade läuft. Wer trägt die Schuld dafür? Das wollte auch der kleine Sem wissen. Die Frage, die er stellte, ist schon fast ein Schuldeingeständnis: „Warum stellen sich die Haare an unseren Körpern auf, wenn wir Blut riechen?“, fragte er den großen Bären Tjodolf. „Weil wir Raubtiere sind, nicht nur ich, du auch.“ antwortete der Bär.(F. Nilsson, „Sem und Mo im Land der Lindwürmer“).„Der Mensch ist des Menschen Wolf“, den Spruch kennen wir. „Das Gute, das ich will, das tue ich nicht; sondern das Böse, das ich nicht will, das tue ich.“ So der Apostel Paulus(Rö.7,19). Es liegt an uns. An unserem menschlichen Wesen. Haben wir Menschen überhaupt noch eine Zukunft?
„Hallo, Pille!“, hörte ich eine Stimme, als ich am Waldrand eines Hauses vorbeigelaufen bin. „Hallo!“, erwiderte ich. Ein Junge aus dem Kindergarten. „Du kannst heute bei uns zu Abend essen“, sagte er. „Wir haben heute Fisch. Sogar zwei“, fügte er hinzu und zeigte, wie groß sie sind. „Es gibt auch Brokkoli dazu.“ „Lasst die Kinder zu mir kommen, denn solchen gehört das Himmelreich.“ Musste ich an Jesu Worte denken. Auch das gehört zu dem menschlichen Wesen, so ein edles Kind, das fähig ist zu glauben, zu hoffen und zu lieben. Jesus weiß das, deshalb glaubt er an uns. Sollten wir das nicht auch tun, an dieses Kind in uns zu glauben, um einander nicht Wolf, sondern Mensch zu sein?
23. Juli
Gedanken zum Sonntag:
Sicher wohnen
Von Pfarrerin Irmhild Heinicke
Zelten im Garten mit Oma – so hatte meine Enkelin sich die Ferien vorgestellt. Einmal etwas ganz Anderes machen, etwas Neues ausprobieren. Und so wurde ein Zelt aufgebaut, Luftmatratzen aufgepustet und in die Schlafsäcke gekrochen. Aber dann waren da so viele ungewohnte Geräusche. Die Vogelstimmen waren viel lauter, vielleicht könnten auch Monster kommen. Schließlich sind wir doch lieber wieder ins Haus gegangen, in das gewohnte Bett, in die Sicherheit des Hauses.
So geht es nicht nur Kindern. Wir haben Lust etwas auszuprobieren, etwas ganz Anderes zu machen. Gerade jetzt in der Urlaubszeit. Und dann merken wir, wie groß unser Sicherheitsbedürfnis ist. Wie gut der gewohnte Rahmen des Normalen ist.
Vielleicht merke ich es in diesem Jahr ganz besonders, weil das Normale so bedroht ist. Die Sicherheit ist brüchig geworden, die mein Leben durch so viele Jahre getragen hat. Es ist auf einmal nicht selbstverständlich, dass ich in Frieden leben kann, dass wir in Europa in Frieden leben können.
‚Ihr sollt sicher wohnen‘, sagt Gott durch den Propheten Jeremia zu seinem Volk (Jer 33,16). Und er meint das sowohl für das Leben jetzt und zugleich als eine Hoffnung für die Ewigkeit. Sicher wohnen, das heißt in Frieden und im Vertrauen auf Gott. Und in Recht und Gerechtigkeit. Und in einem Land, wo die Erde ihren Ertrag bringen kann.
Diese Zusage spricht mich an und macht mir Mut. Gott lässt mich, lass unsere Erde nicht allein. Das ist ein Fundament, mit dem sich die neue Unsicherheit des Lebens für mich leichter aushalten lässt. Und die mir Kraft gibt, meine Komfortzone zu verlassen und offen zu sein für Neues.
Glaubenssache:
»Frost und Hitze«
Von Prädikant Günther Dreisbach
Jetzt kommt der von der Kirche auch noch und gibt »seinen Senf« dazu. Die Hitze plagt uns doch schon genug. Aber ich lerne von meinen Freunden, die lange im Iran gelebt haben: Man muss lernen, damit zu leben. Und es kann gelingen. Für sie sind die Temperaturen, die es momentan bei uns gibt, Erinnerung an alte Zeiten. Aber auch Erinnerung an das Achtgeben Gottes.
Damals, als Gott »die Faxen dicke hatte« von der Welt, von ihrer Sündhaftigkeit, von ihrem gegen Gott sein, hat er acht Menschen und allen Tieren, die es damals gab, eine Chance zum Neubeginn gegeben. Noah hat eine Arche gebaut. Aber von Regen keine Spur. Man kann sich die Nachbarn von Noah gut vorstellen: Alle Menschen hatten ihren Spott. Trockenschwimmer Noah baut für Gott. Aber dann kommt wirklich der Regen. Starkregen. Und Noah und seine Frau und die drei Söhne mit den Frauen und von jedem Tier ein Exemplar werden als einzige gerettet. Weil Noah Gott vertraut hat.
Dann hat Noah Gott gedankt für die Bewahrung. Und man spürt erneut das Achtgeben Gottes auf die Menschheit. Achtgeben – acht Dinge nennt Gott, die er Noah damals und uns heute zusagt: »Solange die Erde steht, soll nicht aufhören Saat und Ernte, Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht.«
Nein, das ist jetzt keine Garantie, dass die Hitze bald vorbeigeht. Die Menschheit ist ja immer wieder in das alte Muster verfallen und hat die Erde, die ihr Gott anvertraut hat, nicht bebaut und bewahrt, sondern oft genau das Gegenteil gemacht. Aus dem Achtgeben Gottes muss eben auch ein Achtgeben der Menschen werden.
16. Juli
Glaubenssache:
Sommer, Sonne, sorgenfrei?
Von Pfarrerin Monika Vöcking
Liebe Leserinnen, liebe Leser, waren Sie schon einmal zu Mohnblüte in Germerode? Auch wenn die Zeit für dieses Jahr fast vorbei ist - ich kann es Ihnen nur sehr empfehlen. Jedes Jahr Ende Juni, Anfang Juli verwandeln sich die Äcker rund um Germerode in wogende Mohnfelder und Blütenmeere. Und schon fällt mir die Liedzeile von Paul Gerhard ein: „Narzissus und die Tulipan, die ziehen sich viel schöner an als Salomonis Seide.“ Wohl wahr, an die Schönheit der Natur, die manchmal so verschwenderisch mit ihrer Pracht umgeht, nur um im nächsten Moment wieder zu vergehen, reichen wir mit unseren Nachbildungen nicht heran. Jesus benutzt das Bild in der Bergpredigt um darauf hinzuweisen, dass wir uns nicht in Sorgen verlieren sollen. Ich gewinne keine Stunde mehr Lebensqualität, wenn ich den Tag grübelnd und mit Sorgen vor der Zukunft zubringe. Das bedeutet nicht so zu leben, als ob das, was nach mir kommt, mich nichts mehr angeht. Gerade in unserer Zeit mit all ihren Herausforderungen macht es Sinn sich Gedanken um die Zukunft zu machen und auch Vorbereitungen dafür zu treffen. Es warten große Herausforderungen auf uns. Aber wenn ich keinen Blick mehr habe für die Schönheit des Augenblicks, wenn ich keinen Moment mehr unbeschwert genießen kann, dann geht das Leben an mir vorbei.
Ich wünsche Ihnen für diesen Sommer immer wieder mal Zeiten, die Sie sorgenfrei verbringen. Erlauben Sie sich und Ihrer Seele durchzuatmen. Es begleite Sie auf allen Ihren Wegen, sei es in der Ferne oder in der Nähe, der Segen Gottes!
Monika Vöcking ist Pfarrerin im evangelischen Kirchspiel Wettesingen.
9. Juli
Gedanken zum Sonntag:
„Mut ist ein Muskel“
Von Pfarrerin Andrea Braner
Vom Training für eine bessere Zukunft
„Zukunft wird aus Mut gemacht“ und „Für mich ist Mut ein Muskel. Er wird größer, wenn wir ihn trainieren. Er erschlafft, wenn wir uns nicht um ihn kümmern.“ Das leuchtet mir ein wie vieles, was Ronja von Wurmb-Seibel in ihrem Buch „Wie wir die Welt sehen. Was negative Nachrichten mit unserem Denken machen und wie wir uns davon befreien“ schreibt.
Also versuche ich, meinen Mut-Muskel zu stärken, um etwas gegen meine Zukunftsängste wegen Krieg und drohendem Klima-Kollaps zu unternehmen; um mein Urvertrauen ins Leben nicht zu verlieren.Wie sieht mein Training aus? Ich stelle mich vor das insektenfreundlich angelegte Staudenbeet und freue mich am Summen der Bienen und Hummeln. Ich höre den Daily Good News Podcast und erfahre, dass Wale durch den Bau einer Windkraftanlage vor der US-Ostküste besser geschützt sind. Ich übe mich mit Schüler:innen einer multikulturellen Klasse in Offenheit, Empathie und gegenseitiger Wertschätzung.
Ich lese unseren Trauspruch „Gott hat uns nicht gegeben den Geist der Furcht, sondern der Kraft und der Liebe und der Besonnenheit.“ Kleine Trainingseinheiten für meinen Mut-Muskel, der oft noch zu schlaff ist.
Können wir einen Mannschaftssport daraus machen? Uns aufmerksam machen auf das Gute, das uns umgibt oder im Werden ist? Mutig eintreten für eine bessere Welt? Trainieren Sie mit?!
Glaubenssache:
O temopra, o mores!
Von Pfarrer Marek Prus
Die Natur ist wenig Kompromissbereit. Das weiß nicht nur jeder, der schon mal vom Kirschbaum gefallen ist –sondern insgeheim auch jeder LGBT-Aktivist. Seit Jahren geistert deswegen das in geschlechtlich divers bewegten Kreisen gern benutzte Schimpfwort „Biologist“, um all jene abzukanzeln, die auf die Fakten der Biologie verweisen. Sie stehen oft im Widerspruch zur regenbogenfarbenen Geschlechterhypothese der Transaktivisten.
So ereignen sich beunruhigende Dinge in Gesellschaft und Politik, die gerade wieder in Berlin ihren Höhepunkt fanden: Eine Doktorandin der Humboldt-Universität sollte einen Vortrag zum Thema: Sex, Gender und warum es in der Biologie nur zwei Geschlechter gibt“ halten. Der „Arbeitskreis kritischer Jurist*innen“ schlug sofort Alarm. Die Thesen seien „unwissenschaftlich, menschenverachtend und trans*feindlich“. Die Uni sprach erst von Sicherheitsbedenken, um sich dann von der Referentin zu distanzieren. Man knickte vor den Drohungen Gender-Aktivisten ein, die nicht mehr aushalten wollen, dass eine andere Meinung, als die eigene ausgesprochen werden darf. Man könnte das als bedauerlichen Einzelfall abtun, fiele diese Episode nicht in die Woche, in der die Ampel-Regierung die Eckdaten eines von den Grünen konzipierten neuen „Selbstbestimmungsgesetzes“ angekündigt hätte.
Demnächst soll jeder Bürger ab 14 Jahren abseits biologischer Fakten durch einfache Aussage am Standesamt sein Geschlecht wechseln dürfen. Warum gab es keinen Aufschrei aus den Reihen der Christdemokraten? Man versuchte mit eben diesen Grünen zwei Landesregierungen zu bilden. Außerdem war Hendrik Wüst als erster Ministerpräsident auf dem CSD an der Seite von Claudia Roth um Solidarität mit der LGBTQI-Szene zu demonstrieren. Die neue Marschrichtung dürfte damit klar sein.
2. Juli
Gedanken zum Sonntag
Von Pfarrerin Ulrike Bundschuh
„Der Menschensohn ist gekommen, zu suchen und selig zu machen, was verloren ist.“ (Lukas 19, 1)
Ich verliere äußerst ungern etwas. Es beschäftigt mich lange, und ich versuche mich zu erinnern, wo ich den Gegenstand gelassen habe. Auch gegenüber meinen Kindern war ich harsch, wenn sie „mal wieder“ einen Turnbeutel nicht mit nach Hause brachten, oder die Tüte mit den Malsachen irgendwo verschwunden war.
Als ich dann selbst als Schulpfarrerin in der Schule war und oft mit Schüler*innen ihre Dinge gesucht habe: Fahrradhelm, Gitarre, … fiel mir auf, wie schwierig es ist, alles beieinander zu behalten im Schulalltag – und ich nahm mir vor, zu Hause über die verlorenen Sachen weniger zu sprechen und den Verlust gelassener zu betrachten.
Verlieren kann man nicht nur Sachen, wir können uns auch selbst verlieren. Davon erzählt die Geschichte, die vor dem Wochenspruch für diesen Sonntag steht: „Der Menschensohn ist gekommen, zu suchen und selig zu machen, was verloren ist.“ Es wird erzählt vom Zöllner Zachäus, der zu sich selbst findet, weil Jesus ihn besucht hat. In seinem Beruf als Zöllner war er offensichtlich korrupt und betrügerisch. Nun will er das zurückgeben, was er zu Unrecht erworben hat. Jesus wertet diese Veränderung als eine gelungene Suche: Er hat den Menschen Zachäus gefunden und dadurch hat sich dieser gefunden. Und mehr: Zachäus ist glücklich, ja selig: er kommt mit sich, mit seinen Mitmenschen und mit Gott ins Reine.
Wir brauchen den Menschensohn, der uns sucht, wenn wir unsere Mitmenschlichkeit verlieren. Wir brauchen Jesus, der uns sagt, dass es sich lohnt, umzukehren und mit ihm einen neuen Weg zu suchen.
Glaubenssache:
Tag des Ungehorsams
Von Lektorin Maryam Parikhahzarmehr
Morgen ist der „Tag des Ungehorsams“. Sagt die UNO. Sage ich nicht unseren beiden Mädchen. Aber nachdenklich macht es mich schon, dass es einen solchen Tag gibt. Und der fällt in diesem Jahr auch noch ausgerechnet auf einen Sonntag.
Meine Biografie hat Spuren von Ungehorsam. Damals, im Iran, als ich meinen Glauben nicht so leben durfte, wie ich ihn hätte leben wollen. Es war ein ständiges Abwägen: Was tue ich? Was tue ich nicht? Bin ich gehorsam? Oder bin ich es nicht? Ich weiß noch, dass ich oft darüber nachgedacht habe. Was sollte ich um Gottes Willen, um des Evangeliums willen tun? Im Lehramtsstudium haben wir kürzlich über die Notlüge nachgedacht. Also über Ungehorsam im Kleinen. Da habe ich auch die Geschichte von dem Intendanten gehört, der wegen eines Dachstuhlbrandes das Theater räumen lassen musste. Er hat sich auf die Bühne gestellt und gesagt, die Sopranistin sei krank. Alle haben ruhig das Theater geräumt – und haben draußen dann den großen Brand wahrgenommen. Das war doch Ungehorsam gegenüber Gottes Wort. Man kann viel darüber nachdenken. Auch über den Ungehorsam von Jesus, der an vielen Stellen seiner Biographie zu spüren ist, Ungehorsam gegenüber den Mächtigen seiner Zeit, die oft gegen Gottes Willen handelten.
Übrigens: In den evangelischen Gottesdiensten geht es morgen in den Predigten auch um Ungehorsam. Um einen der Gesetzesbrüche des alten Volkes Israel. Das ist hoch spannend. Das sollten Sie sich anhören. Besuchen Sie doch einen Gottesdienst. Die Zeiten finden Sie in dieser Zeitung.
25. Juni
Flügel der Morgenröte
Von Dekan Wolfgang Heinicke
Was für ein Morgen! Noch immer bin ich ganz erfüllt. Um drei Uhr in der sprichwörtlichen Herrgottsfrühe in Hofgeismar aufgestanden, dann die Fahrt durch das kurven- und wildreiche Warmetal über Zierenberg nach Burghasungen zum Sonnenaufgang am Sommeranfang. Das Dorf mit seinem charakteristischen Tafelberg kenne ich seit meiner Schulzeit, aber nicht zu diesem Anlass und in dieser Gesellschaft. Schon im Dorf treffe ich den Vertreter der griechisch-orthodoxen Gemeinde; ich kenne ihn als Arzt.
Auf dem Weg zum Hochplateau klingelt das Handy. Es ist Yash, der junge Freiwillige aus Israel. „Where are you? - Wo bist du?“ frage ich ihn besorgt. Alles ist gut; er wartet schon auf mich auf dem Berg, hat seine Gebetsriemen angelegt und sein hebräisches Gebetbuch in der Hand. Ahmadullah, Akin und der Imam aus der islamischen Gemeinde Wolfhagen sind schon vor Ort. Marek, der katholische Priester, kommt mit zwei ukrainischen Frauen, die für uns und den Frieden singen.
Wir teilen in unterschiedlichen Sprachen etwas von unserem Glauben, und die hinter dem Dörnberg aufgehende Sonne gibt uns Licht und Wärme, umhüllt uns. Das Staunen über die Schönheit dieses Sonnenaufgangs, das Lob Gottes als Schöpfer des Himmels und der Erde und der Wunsch nach Frieden verbinden uns. Die Unterschiedlichkeit in Sprache, Herkunft und auch im Glauben tritt weit dahinter zurück. Wir spüren: „Nähme ich Flügel der Morgenröte und bliebe am äußersten Meer, so würde auch dort Gottes Hand mich führen und seine Rechte mich halten“.
18. Juni
Gedanken zum Sonntag:
Geschichten gegen die Angst!
Von Gemeindereferent Peter Happel
Seit dem Angriffskrieg auf die Ukraine hat sich vieles verändert. Menschen verspüren Angst und Unsicherheit. Auch ich habe mich zunächst machtlos gefühlt und mir die Frage gestellt, was man angesichts so massiver Gewalt überhaupt ausrichten kann. Das Kerngeschäft einer Kirche sind nun mal keine Waffen; und wir stellen praktisch gesehen ja auch nichts her. Ich kann Menschen „nur“ zum Gebet einladen und ein Ohr für ihre Ängste und Sorgen haben!
Gerade ältere Menschen, die den zweiten Weltkrieg noch selbst erlebt haben, hilft es, Bilder und Erfahrungen, die nun wieder hochkommen auszusprechen, und ihnen so ein Stück ihrer Macht zu nehmen. Dabei können auch Gebete und Geschichten aus der Bibel eine Hilfe sein. Wer, wie der Beter im Psalm 23 schon mal erlebt hat, dass Gott durch ein dunkles Tal begleitet und geführt hat, kann sich auch daran wieder erinnern! Auf diese Weise erhalten die Geschichten eine große Kraft und können helfen, den Alltag weitgehend angstfrei zu gestalten.
Mir persönlich hilft die Zusage von Jesus am Ende des Matthäusevangeliums. Hier verabschiedet er sich von seinen Freunden mit den Worten: „Seid gewiss, ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt“ (vgl. Mt28,20b). Das ist wirklich eine Frohe Botschaft und eine Aussage gegen meine Angst!
Peter Happel ist Gemeindereferent der katholischen Kirchengemeinde St. Peter in Hofgeismar.
Glaubenssache:
Kurti ist’s egal
Von Pfarrer Kai Scheiding
Feiertage wie vorgestern oder morgen sind Geschenke des Himmels. Wir haben das Recht, eigentlich sogar die Pflicht, Pause zu machen, Kraft zu tanken, soziale Kontakte zu pflegen. Das tut gut und ist notwendig.
Aber es gibt auch Menschen wie Kurti. Für ihn sind Sonn- und Feiertage die Gelegenheit für Arbeiten, zu denen er sonst kaum kommt. Dass er dann mal keinen Lärm machen darf, weiß er immerhin. Also poliert er stattdessen sein Auto oder streicht die Scheune. Immer gut sichtbar für alle. Heute kratzt er auf seinem Hof Unkraut aus den Fugen. Da kommt eine Frau aus dem Dorf vorbei. Ich weiß, dass Feiertage ihr etwas bedeuten. Und dass sie Courage hat.
„Na, das ist ja eine schöne Beschäftigung für einen Feiertag“, spricht sie ihn an. Ich feiere sie innerlich dafür.
„Muss ja gemacht werden“, brummt Kurti, und schiebt dann hinterher: „Ist doch egal, wann es gemacht wird. Hauptsache, es wird gemacht.“
Eigentlich hätte Kurti durch dieses Gespräch merken müssen, dass es offenbar nicht jedem egal ist, wenn heilige Tage öffentlich verunglimpft werden. Wenn es ihm selbst egal ist, könnte er sowas ja an Tagen machen, wo es nicht die Gefühle anderer Menschen verletzt. Das nennt man Rücksicht. Oder Respekt.
Wenn respektvoller Umgang mit den Gefühlen anderer uns egal ist, untergräbt das den sozialen Frieden. Falsch verstandenes „jeder wie er meint“ erodiert unseren Zusammenhalt als Gesellschaft. Und eine dauergestresste Gesellschaft sollte die freien Zeiten, die der liebe Gott ihr geschenkt hat, zur Erholung nutzen. Dafür haben wir sie schließlich, die Feiertage. Gott sei Dank!
11. Juni
Gedanken zum Sonntag:
„To-do“
Von Pfarrerin Adelheid Römer-Bornmann
Mal wieder finde ich eine auf meinem Schreibtisch: eine „to-do“-Liste. Das ist eine schriftliche Auflistung von Dingen, die ich noch erledigen muss.
Möglichst schnell, möglichst bald. Meine Freude darüber hält sich in Grenzen.
Und auch zuhause, im Haushalt und im Garten gäbe es genug zu tun. Dabei wäre ein bisschen Zeit für die Familie auch ganz schön.
Die Liste habe ich mir selbst erstellt. Sie hilft mir, meine Arbeit zu strukturieren. Wichtiges wird zuerst erledigt, weniger Wichtiges rutscht auf die unteren Plätze. Manches hat noch Zeit bis morgen oder vielleicht sogar bis zur nächsten Woche. Der Nachteil der „to-do“-Liste: je länger sie wird, umso größer erscheint der Berg von Arbeit vor meinem inneren Auge. Die Motivation fröhlich ans Werk zu gehen, hält sich in Grenzen. Wenn der Anfang jedoch gemacht ist und eine Aufgabe nach der anderen als erledigt abgehakt werden kann, dann stellt sich ein Gefühl der Zufriedenheit ein. Zudem spüre ich die Sicherheit, bestimmt nichts vergessen zu haben. Hauptsache, es werden nicht zu viele „to-do“- Listen nebeneinander. Dann führen sie leicht dazu, sich zu verzetteln. Im wahrsten Sinne des Wortes. Eine Vielzahl von Merkzetteln und Listen birgt die Gefahr, wirklich Wichtiges dann doch zu übersehen oder aus dem Blick zu verlieren. Und dann gibt es ja noch die „to-do“-Liste in ungeschriebener Form. Wichtiges, was ich nicht auf Zettel, aber in meinem Inneren aufschreiben möchte; sozusagen eine „to-do“-Liste im Herzen.Darauf steht: Zeit mit der Familie, mit Freundinnen und Freunden verbringen; zuhören, lachen und weinen.
Im Gespräch bleiben mit Gott; singen, beten, danken. Auch im Gespräch bleiben mit mir selbst; still sein, atmen, den Wind und die Sonne spüren. Barfuss durch nasses Gras laufen.
Glaubenssache:
Keine anderen Sorgen?
Von Prädikant Günther Dreisbach
Morgen ist „Trinitatis“, der Dreifaltigkeitssonntag. Na und? Hat die Kirche keine anderen Sorgen? Der Umgang mit dem Krieg in der Ukraine und die Herausforderung Jesu aus der Bergpredigt, seine Feinde zu lieben. Die bange Frage: Was ist mit Corona? Sind wir wirklich ausreichend geschützt und gut vorbereitet auf den Herbst? Und dann: Bad Arolsen, Kaulbach-Schule, eine getötete Lehrerin, Trauer und Entsetzen, auch Wut und Verzweiflung. Und dann kommen wir mit „Heilig, heilig, heilig“, mit der Gnade Jesu Christi und der Liebe Gottes und der Gemeinschaft des Heiligen Geistes. Ist das nicht irgendwie daneben?
Denn: Als Kirche sind wir nicht mehr so gefragt wie früher. Menschen wenden sich von der Kirche ab und suchen sich andere „Anbieter“. Und es scheint so, als würden wir in eine Nische gedrängt. Den sonntäglichen Gottesdienst in jeder Gemeinde stellen wir in Frage. Selbst das Friedensgebet auf dem Markplatz in Wolfhagen für die Ukraine hat sich von 250 Beterinnen und Betern auf knapp 30 reduziert. Ich will es nicht glauben, dass wir nicht mehr gefragt sind.
Und dann sehe ich die „Hessenschau“ am Donnerstagabend mit einem Interview mit einem der Arolser Pfarrer vor der Kaulbachschule. Und ich nehme wieder einmal sensibel wahr: Die Seelsorge der Kirche hat ihren Platz. In den Räumen der Stille.
Und wenn es „nur“ ein stellvertretendes Beten ist – das ist Gott doch egal. Hauptsache, es wird gebetet. Und mir wird deutlich: Die strukturellen Fragen sind richtig, aber im Moment nicht. Da haben wir andere Sorgen, die wir in Gottes Namen mit den Menschen teilen
4. Juni
Gedanken zum Sonntag:
Mut zur Unvollkommenheit
Von Pfarrer Christian Brandt
Ich möchte Ihnen von einem Vers aus der Bibel erzählen, der mich diese Woche beschäftigt hat: „Das geknickte Rohr wird er nicht zerbrechen, und den glimmenden Docht wird er nicht auslöschen“ (Jes 42,3). Die Rede ist von Gott – wie Gott mit uns Menschen umgeht. Er rechnet nicht genau mit uns ab, nach dem, was wir in dieser Woche alles geleistet haben, sondern er ist barmherzig mit uns.
Ich habe den Eindruck, dass dieser Bibelvers gar nicht so recht in unsere Zeit passen will, denn bei uns ist kaum Platz für Menschen, die Schwächen zeigen – die sich wie ein geknicktes Rohr vorkommen. Und einen glimmenden Docht will auch niemand sehen, sondern vielmehr eine helle Kerze oder ein loderndes Feuer im Kamin.
Wie gut, dass das bei Gott anders ist! Gott hat einen Blick für die Menschen, die außerhalb der Norm liegen und die nicht die Leistung oder das Verhalten an den Tag legen, das andere von ihnen erwarten. Das macht Mut, dass wir dem inneren Drang nach Perfektion nicht ständig nachgeben müssen, sondern auch mal Fehler machen dürfen. Denn bei Gott gelten andere Maßstäbe und ihm geht es keineswegs darum, dass wir perfekt sind.
Unsere Kirchengemeinden sind so ein Ort, an dem Raum ist für die Geknickten und für die, die sich unvollkommen vorkommen. Und ich denke, solche Orte, an denen wir bedingungslos akzeptiert werden, brauchen wir heute mehr denn je.
Glaubenssache:
Pfingstgeist
Von Pfarrer Friedemann Rahn
Ich habe ihn gespürt. Feuer und Flamme war ich. Erst war es nur eine leise Bewegung in mir. Die Bewegung wurde stärker, bis sie Kraft war. Und dann hat es mich einfach mitgerissen. Pfingstgeist, einfach da, einfach schön.
Beim Tauffest in Escheberg war das. Waren es 400 Leute an einem Ort? Ich weiß es nicht genau. Ich weiß nur noch, wie leicht sich das angefühlt hat. Weit über 20 Tauffamilien, festlich angezogen, die den Park füllen. Vorfreude in den Gesichtern. Herzlichkeit zwischen Menschen, die sich vielleicht länger nicht gesehen haben. Leuchten in den Augen, Lachen in der Luft. So viel heitere Gelassenheit in einem Gottesdienst wie selten.
Und dann die Taufen: Strahlend poliertes Taufgeschirr, durch die Reihen wandernd. Kleine und größere Kinder, die sich über die Taufschalen beugen. Staunend, voll neugieriger Freude und heiligem Ernst. Ein Sonnenstrahl vom aufreißenden Himmel, der sich in den Wassertropfen bricht. Gott ist da mit seinem guten Geist. Ich spüre es, als das Wasser durch meine Hände rinnt.
Hinterher begegnen sich die Menschen zwischen Gegrilltem und Kaffee und Kuchen. Liebe Hände haben gespendet, getragen, gerichtet. Jetzt heißt es: Ihr seid willkommen. Stärkt euch an Leib und Seele. Und wir spüren es: Wir sind willkommen. Als Menschen in der Gemeinde, als Menschen bei Gott. Das muss nirgendwo angeschrieben werden. Es ist jetzt klar für das Herz.
Feuer und Flamme war ich. Kraft war da, und Freude am gemeinsamen Tun, Freude am Wachsen. So kann Kirche sein. So ist Kirche! Mitreißend, leicht, beflügelnd. Pfingstgeist weht. Einfach schön.
28. Mai
Gedanken zum Sonntag
Von Pfarrerin Christina Schnepel
Erinnern Sie sich an den März 2020? Von jetzt auf gleich fanden wir uns in einem Lockdown mit Kontaktbeschränkungen, reihenweise abgesagten Festen und Veranstaltungen und großer Unsicherheit. Damals war das Gefühl: wenn das alles bald vorbei ist, feiern wir eine große Party, weil Begegnung, Singen, Tanzen und Feiern zum Leben dazu gehören.
Mit und seit der Pandemie hat sich unsere Welt und unser Leben grundlegend verändert. Die Klimakrise hat mit dem tödlichen Hochwasser im Ahrtal deutlich gezeigt, welche Folgen sie mit sich bringt, es ist Krieg in der Ukraine und Corona ist nicht vorbei. Uns ist nicht wirklich zum Feiern und trotzdem feiern wir: es ist Viehmarkt in Hofgeismar. Geht das?
Jesus hat was vom Feiern verstanden. Hochzeiten, Festmahle, Versöhnungsfeiern, davon erzählt die Bibel. Und immer geht es bei den Erzählungen von den Festen um „Rettung“: Rettung vor Vereinzelung, vor Krankheit, vor Ausgestoßen sein, vor Hunger oder Freude über Heilung. Und das Wunder ist: Jesu Feiern sind in der Lage, diese Rettung herzustellen, weil die Gemeinschaft mit Jesus tragfähig ist und heilt. Rettung durch Feiern. Wir werden mit dem Viehmarkt nicht alles retten, aber wir können eine Gemeinschaft feiern, die aufeinander geachtet hat und weiter aufeinander aufpasst - und zwar tragfähig, rücksichtsvoll und ausgelassen.
Aber - übertreibt es nicht!
Glaubenssache:
„Unser Herr kommt“
Von Pfarrer Jens Holstein
Affenpocken statt Krieg! Das war ein Vorschlag am letzten Montag in der Karikatur in dieser Zeitung. Tatsächlich, die Nachrichten vom Krieg sind nur schwer zu ertragen. Irgendwann will man etwas Anderes sehen. Denn letztlich können wir das alles nur ohnmächtig zur Kenntnis nehmen. Aber selbst, wenn dieser Krieg einmal vorbei sein sollte, wiederholt sich die Geschichte.
Genau heute vor 80 Jahren gab es in der Ukraine schon einmal eine Kapitulation. Die eingekesselten sowjetischen Truppen ergaben sich damals bei der Stadt Charkow den deutschen Angreifern. Das ließ die Deutschen weitere Angriffe gegen die Sowjets wagen. Heute wissen wir, dass diese Überschätzung für beide Seiten zur Katastrophe geführt hat.
Immer wieder haben Diktatoren in der Geschichte der Menschheit in ihrem Größenwahn Krieg, Gewalt und Tod gebracht. Unendliches Leid und Verzweiflung waren für Millionen Menschen die Folge. Am Ende sind diese Herren selbst Opfer ihres Handelns geworden.
Ich bin mir sicher, dass Gott für diese Welt etwas Gutes will. Bei allem Schrecken habe ich diese Hoffnung. Vor allem möchte ich nicht verzweifeln und mich der Ohnmacht hingeben. Darin bestärkt mich der Glaube. Gott weiß, was Leiden ist, das hat er am Kreuz den Menschen gezeigt. Und letztlich war mit Ostern die Macht des Todes besiegt.
Der einstige Bundespräsident Gustav Heinemann hat es für mich 1950 auf dem Kirchentag in Essen auf den Punkt gebracht: „Die Herren der Welt gehen, unser Herr kommt.“
So schrecklich die Herren dieser Welt diese Welt quälen, ist das nicht das letzte Wort. Vielmehr bleibt das Wort Gottes in Ewigkeit.
21. Mai
Gedanken zum Sonntag
Von Pfarrer Andreas Schreiner
„Ihr Männer von Galiläa, was steht ihr da und schaut zum Himmel empor!“ Das mussten sich die verblüfften Jünger sagen lassen, als sie da standen und in den Himmel schauten, in den ihr Freund und Lehrer Jesus gerade aufgenommen worden war. Und das heißt nichts anderes als: auch wenn euer Jesus jetzt nicht mehr leibhaft hier bei euch ist, eure Aufgabe ist und bleibt hier in dieser Welt.
Und auch Jesus bleibt in der Welt gegenwärtig. Um ihm zu begegnen, reicht ein Blick in den Himmel allein nicht aus, sondern nur ein offenes Herz für das Leben in dieser Welt.
Er ist dort, wo Menschen ihr Leben miteinander gestalten. Es dort, wo sich das Leben der Menschen abspielt. Er ist dort, wo Menschen einander in Liebe begegnen. Er ist dort, wo Menschen um ihre Existenz und ihre Würde ringen:
Zweieinhalb Jahre Corona, Krieg in der Ukraine, Inflation, Nahrungsmittelknappheit bis hin zu Hungersnöten in ärmeren Regionen der Welt, und dazu noch unsere persönlichen Probleme und Kümmernisse…
Wir Christen glauben, dass Jesus nicht fern im Himmel ist, unerreichbar für die Nöte und den Kummer der Menschen. Er ist gegenwärtig in der Begegnung mit jedem Menschen, ob arm oder reich, krank oder gesund. Anzupacken, an der Not zu ändern, was in unseren Kräften steht, in Liebe für einander da zu sein, das ist und bleibt die Aufgabe, die uns Christus hinterlassen hat, als er in den Himmel aufgenommen wurde, um auch durch uns hier in dieser Welt zu bleiben.
Andreas Schreiner ist katholischer Pfarrer in Immenhausen, Vellmar, Fuldatal und Reinhardshagen.
Glaubenssache:
Stilles Lob
Von Pfarrerin Pille Heckmann-Talvar
Die Maske ausziehen, Luft holen. Auf das Fahrrad setzen, durch die Gegend rasen. Sich bewusst losreißen von den schweren Gedanken, die die letzte Zeit uns ja alle beschäftigen. Frühling! Gott, ist das schön, diese Deine Welt. Die Vögel singen, der Flieder duftet, alle mögliche Farben nebeneinander, alles passt zueinander. Am Weidelshof vorbei. Die bunte Gesellschaft, die dort auf vier oder zwei Beinen rumläuft, ist an die Besucher und ihre Aufmerksamkeit gewöhnt. Ich bewundere sie jedes Mal.
Ein Stück Wald Richtung Ippinghausen. Die Lieblingsstrecke der Spaziergänger und Radfahrer. Im Dorf. Begegnungen. Winken. Rufen. An der Kirche vorbei. „Ich habe Dir einen Salatkopf in die Tüte gepackt!“, höre ich die vertraute Stimme. Kurz anhalten. Dann weiter. Eine Frau bückt sich über dem Hochbeet. Sie hat neulich ihren 80. Geburtstag gefeiert. Sie kann nicht mehr gut laufen. Aber gegen den Ruf des Frühlings kann auch sie sich nicht wehren. Links hoch, an den Fischteichen vorbei. Ich beobachte eine Bewegung an dem Häuschen. Ein Hündchen läuft bellend mir entgegen, sein Weg, sein Revier. Forsthaus, Hasenmühle, an den Wisenten vorbei. Ich bin im Alten Wald. Es duftet nach Harz. „Wo läufst du hin, pass auf!“ Fast ein Unfall mit einem Reh. 300 Meter den Berg hoch. Nun geht es langsam weiter. Das macht nichts. Die Zeit gönne ich mir, bis ich wieder den Berg runterfahre.
„Gott, man lobt dich in der Stille.“ Psalm 65, 2a.
Haus Sankt Martin. Jemand kommt mir mit einem kleinen Dackel entgegen. „Ach, Herr …!“ Dann ist sie vorbei, diese Stunde. Ich ziehe die Maske wieder an. Ich will nicht, ich muss. Aber diese Bilder, die Begegnungen nehme ich mit; mein stilles Lob an Gott.
14. Mai
Gedanken zum Sonntag
Mittelalterlich
Von Pfarrer Daniel Fricke
Im Moment lese ich Ken Follets Buch „Die Tore der Welt“. Es ist ein historischer Roman, der im Mittelalter spielt. Damals waren es harte Zeiten. Entweder hat der Krieg tiefe Spuren durch das Land und das Leben der Menschen geschlagen. Oder die Pest hat die Menschen getötet. Dagegen schützen konnte man sich durch ein Stück Stoff, das man sich über Mund und Nase gezogen hat. Gegen den Krieg konnte man sich nicht schützen.
Man musste einfach Glück haben, dass es vor Ort keinen Krieg gab. Denn im Krieg haben meist alle verloren. Und doch gab es damals immer wieder machtsüchtige Gestalten, die vor allem wollten, dass alle sie fürchten.
Es war für sie eine Schmach und unerträglich, wenn jemand ihnen unerschrocken die Stirn bot. Gut, dass wir nicht mehr im Mittelalter leben. Und doch kommt mir unsere Zeit manchmal mittelalterlich vor, wenn ich das Buch zur Seite lege. Damals haben immer mehr Menschen erkannt, dass Gott uns liebt. Trotz aller Schwierigkeit haben sie fest dran geglaubt.
Ich wünsche auch uns, dass wir auf Gottes Liebe vertrauen können. Egal wie dunkel die Zeiten sind.
Glaubenssache:
Staub von den Füßen schütteln
Von Pfarrerin Dr. Gisela Natt
Sind Sie schon mal umgezogen?
Mir steht gerade ein Umzug bevor. Ich ziehe aus einem großen Haus in eine kleine Wohnung. Darum bin ich seit einiger Zeit am aussortieren: Was geht mit? Was könnte ich verschenken? Was muss in den Müll?
Dabei nehme ich alles in die Hand, was sich über Jahre und Jahrzehnte angesammelt hat.
Viele Erinnerungen kommen hoch. Da sind die Geschenke von Kindern und Freunden. Da sind die vom ersten Geld gekauften Taschenbücher. Da ist viel Geerbtes von Eltern und Tanten.
Bisher war das so in Ordnung mit diesem Hausrat. Jetzt aber spüre ich die Last der Dinge.
Denn bei jedem Buch denke ich, dass könnte ich ja nochmal lesen wollen. Oder, was noch schlimmer ist, ich denke: Das könnte ich irgendwann nochmal gebrauchen. Oder ich spüre die Scheu, etwas, das mir vermacht wurde, aus der Hand zu geben.
Ach, dass Dinge so einen Druck ausüben können!
Dabei wünsche ich mir diese Leichtigkeit, wie sie in diesem Bild der Bibel anklingt: Sich den Staub von den Füßen schütteln und weiter gehen. Es hört sich so gut an, ohne den Ballast des Alten sich der Zukunft zuzuwenden.
Doch erst muss wohl harte Arbeit geleistet werden. Ich muss innerlich und äußerlich loslassen. Das schmerzt. Und ich merke, so schüttle ich den vielen Staub von meinen Füßen, indem ich nach und nach die Abfalltonnen fülle.
Dann aber winken gute Aussichten, nämlich viel Freude und Heiliger Geist. Auch davon erzählt die Bibel. Und darauf vertraue ich.
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen auf Ihren Wegstücken gutes Gelingen, Freude und den Heiligen Geist.
7. Mai
Gedanken zum Sonntag
Von Pfarrer Stephan Bretschneider
Die aktuellen Zeiten sind nicht gerade rosig und eher selten ein Grund zum Jubeln. Sie wissen schon, woran ich denke. Und dann kommt morgen ein Sonntag daher, der seit alters den Namen Jubilate trägt – Jubilate: Jubelt, freut euch! Klingt doch eher unpassend in dieser Zeit, oder?
Aber dann frage ich mich: Hatten die Menschen früher mehr Grund zur Freude und zum Jubeln als wir Menschen heute? Wahrscheinlich war es so: Mal mehr und mal auch noch weniger.
Und ich frage mich auch: Was bedeutet eigentlich Jubel und Freude? Ist damit nur die ausgelassene Freude und der große Jubel gemeint nach einem tollen Tor beim Fußballspiel oder nach einem grandiosen Auftritt der Lieblingsband? Oder gibt es auch noch eine andere Art des Jubels und der Freude?
Ich lese immer wieder gerne in den Psalmen der Bibel. Dies sind alte Gedichte und Lieder voller Lebensweisheit und Gottvertrauen. Manche davon sind geprägt von Jubel und Lebensfreude, andere von Klage und Trauer. Und dann gibt es auch jene, die mit der Klage vor Gott beginnen, die viel Not und Sorge zum Ausdruck bringen und die doch in Freude und Dankbarkeit und sogar Jubel enden.
Solch einen Psalm habe ich neulich (wieder-)entdeckt. Seine Worte haben mir gut getan: Aus der Klage zur Freude, aus der Sorge zu neuem Mut, aus dem Tod zum Leben.
Greifen Sie doch einfach (wieder mal) zur Bibel und lesen Sie z.B. Psalm 13, Vers für Vers. Vielleicht tun Ihnen diese Worte auch so gut wie mir – heute, morgen, am Sonntag Jubilate, in dieser Zeit.
Glaubenssache
Im Labyrinth
Von Pfarrer Oliver Jusek
Es ist echt warm. Die Sonne brennt und es gibt keinen Schatten. Ich bin in der siebten Klasse und wir machen gerade einen Schüleraustausch. Eine Woche sind wir in England. Sprechen die Sprache kaum und sind bei uns völlig fremden Familien untergebracht. Und jetzt dieser Ausflug. In einen echten englischen Garten. Der hat ein Labyrinth. Natürlich hat der ein Labyrinth. Mitten drin stehen wir gerade. Keine Ahnung wo es langgeht. Es ist echt warm. Die Sonne brennt. In einem Labyrinth gibt es keinen Schatten. Sackgasse für Sackgasse laufen wir durch diese immergleichen grünen Gänge. Plötzlich kommt uns ein Mann in grüner Arbeitskleidung entgegen. Er ist schon etwas älter. Sonnengebräunt. Er lächelt uns freundlich und auch ein bisschen verschmitzt an. Er deutet uns an, dass wir ihm folgen sollen. Zwei Abzweigungen und wir sind draußen. Die Erleichterung spüre ich noch heute.
So einen freundlich lächelnden Menschen wünsche ich mir so manches mal in meinem Leben. Einen, der weiß wo es langgeht. Der mir den Weg zeigt. Dann wenn ich wieder das Gefühl habe: Niemand versteht mich so richtig. Ich weiß gar nicht wo ich lang muss.
Das hätte was. Zwei Abzweigungen und dann ist das Thema durch. Doch zeigt die Erfahrung, dass das Leben so nicht funktioniert. In den allerseltensten Fällen taucht jemand auf und zeigt einem den Ausgang aus der Misere. Doch was mir damals im Labyrinth mindestens genauso geholfen hat, war der Mitschüler an meiner Seite. Ab und an haben wir heute noch Kontakt.
Ich hatte keine Ahnung wo lang. Aber ich war nicht allein.
So eine Begleitung sagt Gott dir zu! „Ich lasse dich nicht aus den Augen.“ Psalm 32,8
30. April
Glaubenssache:
In die Wolken
Von Pfarrerin Kathrin Wittich-Jung
Als Kind habe ich es geliebt: Im warmen Gras liegen und in den Himmel starren. Den blauen Himmel betrachten und gegen die Sonne blinzeln und Wolken anschauen. Je länger ich in die Wolken geschaut habe, umso mehr habe ich gesehen:
Einen großen Elefanten. Ein Herz. Drachen und Hasen.
Als Erwachsene liege ich nicht mehr im Gras und schaue in den Himmel. Anderes ist wichtiger: Die Welt. Und die Sorgen. Gedanken kreisen um den Krieg in der Ukraine. Da ist kaum Platz für den Himmel. Und doch genieße ich es, wenn doch mal Zeit ist, in den Himmel zu blicken. In der Bibel heißt es: Wer Gott dient, den nimmt er mit Wohlgefallen an, und sein Gebet reicht bis in die Wolken.
Ein wunderbares Bild. Ich mag die Vorstellung, dass die Gebete so durch die Wolken hindurch gehen. Bis zu Gott. Er hört uns egal wie weit die Entfernung ist.
Manchmal suche ich mir bewusst Raum und Zeit für das Gebet. Dann kehre ich dem Alltag kurz den Rücken und werde still.
Dann kommt Ruhe in die aufgewühlte Seele. Da purzeln die Worte aus dem Herz und irgendwie kommt Klarheit ins Chaos. Das Herz wird leicht. Meine Worte ziehen hoch zu den Wolken und noch weiter.
Manchmal da gibt es noch nicht mal Worte für meine Gefühle. Dann sitze ich einfach nur da. Meine Gedanken sind weit weg und doch bei mir. Es fließen keine Worte nur Gedanken und die Gefühle. Einfach so. Zu ihm. Mein Geist ist offen und weit. Seine Ruhe kommt zu mir. Auf einmal kann ich meine Gedanken ordnen und finde neue Kraft und Mut. Und vielleicht ist es das, was hilft: Das Gefühl: Ich bin nicht allein. In diesen Tagen besonders.
16. April
Gedanken zum Sonntag:
Osterfreu(n)de
Von Pfarrerin Adelheid Römer-Bornmann
Die Kinder haben Ferien. Die Sonne scheint. Der Frühling kündigt sich an. Viele machen Urlaub, genießen ihre freie Zeit. Für mich ist die Woche vor Ostern immer eine nachdenkliche Zeit. Eine Zeit der Vorbereitung und Feier zahlreicher Gottesdienste. In diesem Jahr haben Freundschaft, Leid, Tod und Auferstehung noch einmal ein besonderes Gesicht bekommen. Die Bilder und Nachrichten vom Krieg in der Ukraine erschrecken mich. Werden weitere Waffenlieferungen den Krieg wirklich beenden oder erhöhen sie nur die Zahl der Opfer? Wie wird es in Syrien und anderen Krisengebieten unserer Welt weitergehen? Wie können wir den Geflüchteten am besten helfen? Viele Fragen gehen mir durch den Kopf.
Hoffnungslosigkeit macht sich breit. - Da begegnet mir eine Freundin: „Du, sei mir nicht böse, aber in diesem Jahr bin ich bei der Osternachtsfeier nicht dabei. Die Kinder werden in unserem Garten Ostereier suchen. Das kennen sie noch nicht und ich möchte es gerne miterleben! Später beim Gottesdienst bin ich dann da!“ Sie strahlt über das ganze Gesicht. Ihre Fröhlichkeit ist ansteckend. Ich weiß, in ihrer Ferienwohnung hat sie Frauen und Kinder aus der Ukraine aufgenommen. Mit ihnen möchte sie den Ostermorgen feiern. Und neben all dem Schweren stellt sich auch bei mir Fröhlichkeit ein.
So einfach kann Osterfreude aussehen: im Miteinander von Menschen, die gemeinsam feiern! Davon möchte ich mich anstecken lassen. Die Gegensätze dieser Welt will ich aushalten. Die Hoffnung zum Guten will ich nicht aufgeben, denn: Christus ist auferstanden! Er ist wahrhaftig auferstanden! Halleluja!
Glaubenssache:
Viel zu tun
Von Pfarrerin Katharina Ufholz
Es ist Anfang der Woche. Ich sitze an den Vorbereitungen für meine Ostergottesdienste. Um mich herum lauter Bücher und Hefte. Beim Lesen stoße ich auf einen Satz, der mir seitdem nicht aus dem Kopf geht: „Die Hoffnung hat viel zu tun in diesen Tagen.“
Sofort habe ich ein Bild vor Augen. Die Hoffnung, so ganz und gar menschlich. Ich stelle mir vor, wie sie durch die Welt eilt – mit hochgekrempelten Ärmeln und Schweiß auf der Stirn. Mit Händen, die helfen und Worten, die Mut machen wollen. Wo es am dunkelsten und die Verzweiflung am größten ist, dort will sie sein. Dort wird sie am meisten gebraucht. Und so bahnt sie sich ihren Weg durch Stacheldrahtzaun und sitzt selbst in den Trümmern zerstörter Städte.
Ostern ist das Fest der Hoffnung. Wir feiern, dass Jesus auferstanden ist. Das Leben hat den Tod besiegt. Für mich ist es immer ein besonderer Moment, wenn ich in der Osternacht zusammen mit anderen in der Kirche bin. Völlig im Dunkeln sitzen wir da. Dann wird endlich das Osterlicht entzündet und bringt Licht in die Dunkelheit. Und indem wir es einander weitergeben, wird der Raum allmählich heller und heller. Hoffnung breitet sich aus: Hoffnung auf Neubeginn, wo alles verloren scheint. Hoffnung auf neues Leben, wo wir umgeben sind vom Tod. Hoffnung auf Frieden mitten im Krieg.
„Die Hoffnung hat viel zu tun in diesen Tagen.“ Helfen wir ihr und geben, wo wir es können, ein Stück Hoffnung weiter.
9. April
Gedanken zum Sonntag:
Träume sind keine Schäume
Von Pfarrerin Anne Hammann
Vor einiger Zeit saß ich – meinen Gedanken nachhängend – in einem Cafe. Neben mir bemerkte ich ein Paar jüngeren Alters, das Kontakt suchend immer wieder zu mir herübersah. Als wir dann ins Gespräch kamen, fragte mich die Frau ziemlich bald, was ich denn beruflich so machte. Ich sagte ihr, dass ich Pfarrerin sei und ahnte nicht, welche Wendung diese Information in unseren Austausch bringen würde.
Innerhalb von wenigen Minuten erzählte mir die Frau ihr ganzes Leben, und so erfuhr ich, dass sie – da ihre Mutter schwer krank und ein Vater nie bekannt gewesen war – bei ihrer Tante aufwuchs. Als diese starb, war meine Gesprächspartnerin sehr traurig, denn sie hatte ihre Tante sehr geliebt. In einer der auf den endgültigen Abschied folgenden Nächte hatte die Trauernde einen Traum: Die Tante sei ihr erschienen und sie habe diese gefragt, wie lange sie selbst, die Träumerin, noch zu leben hätte. Da habe die Tante sich abgewandt, und ein weißes, einmal in der Mitte gefaltetes Blatt geholt, um es ihr zu überreichen. Als die Träumende dieses gerade entfalten wollte, um den Inhalt zu erfassen, wurde sie wach.
„Was bedeutet dieser Traum?“, fragte sie mich.
Ich überlegte eine Weile und sagte ihr dann: „Ich glaube, auf dem Blatt stand gar nichts, schon gar keine Zahl. Ihre Tante hat Sie in dieser Nacht besucht, um Ihnen mitzuteilen, dass Sie noch viel Zeit haben und jeden neuen Tag wie ein noch unbeschriebenes Blatt beginnen dürfen.“
Und das gilt, liebe Leser*innen, für uns alle. Im Glauben an Jesus Christus dürfen wir immer wieder neu beginnen.
Denn „Gott hat den Schuldbrief getilgt, der mit seinen Forderungen gegen uns war, und hat ihn weggetan und ans Kreuz geheftet.“ (Kol.2,14)
Möge diese Gewissheit nicht nur inneren, sondern auch äußeren Frieden bringen – uns und der ganzen Welt. So wie John Lennon in seinem berühmten Lied „Imaging“ singt: „Imaging all the people sharing all the world….”
In diesem Sinn wünsche ich Ihnen einen gesegneten Palmsonntag!
Anne Hammann ist Schulpfarrerin an der Arnold-Bode-Schule in Kassel.
Glaubenssache:
Frieden schaffen…
Von Ursula Muth
…ohne Waffen? Ob sie immer noch daran glaube, frage ich meine Schwester. Sie hat zusammen mit inzwischen 43000 Prominenten einen Aufruf gegen die Aufrüstung der BRD unterschrieben. Ich fand das schon immer bestechend klar – aber auch provozierend: Jede Waffenproduktion sei falsch, denn so würden Kriege angeheizt, Rüstungsfirmen reich und soziale Bereiche vernachlässigt. Mit Putins Angriff auf die Ukraine und erst recht jetzt angesichts der grausamen Kriegsbilder, die uns erreichen, steht der Pazifismus in der Kritik: Abschreckung, sogar Waffenlieferungen tun Not. Es scheint weltfremd und naiv, wenn die Evangelische Kirche in Deutschland seit 2019 fordert, „Jesus mit aktivem Gewaltverzicht zu folgen“.
Ich fürchte, wir haben gegen einen Machthaber, der für Vernunft nicht mehr zugänglich ist, ohne Abschreckung keine Chance. Putin sagte, man solle sich von der Vorstellung verabschieden, dass „die Guten“, also er, immer gewaltfrei sein müssten. Er sieht keine Bedrohung in der Osterweiterung der Nato, scheint mir, sondern will dem "historischen Schicksal Russlands" zu Gerechtigkeit verhelfen. Es geht ihm nicht um ein gemeinsames Aushandeln von Sicherheit und Gerechtigkeit.
Das mühselige Suchen von Wegen zu einem gedeihlichen Miteinander ist unsere Aufgabe als Christen. Wir haben die Hoffnung, Gewalt vermeiden zu können bzw. da zu minimieren, wo Androhung und Ausübung von Gewalt unvermeidlich sind. Es ist eine empfindliche Balance. Gut, dass es Pazifisten und Friedensgebete gibt, die zur Besinnung rufen und vor Gefahren gewaltsamer Auseinandersetzungen warnen.
2. April
Gedanken zum Sonntag:
Gold im Herzen
Von Pfarrer Markus Schnepel
Ganz schön eisig. So mit nackten Füßen im Sand. Aber was für ein herrlicher Abend. Ich stehe am letzten Dienstagabend mit mehr als 20 Konfis auf dem Beachvolleyballfeld neben der Jugendherberge Helmarshausen. Die Abendsonne taucht uns in goldenes Licht. Was wir da spielen, kann man nicht wirklich Volleyball nennen. Es ist eher Quatschball. Und es macht allen einen Riesenspaß. Mir auch. Da wird gealbert und gekichert, wie ich es lange vermisst habe.
Eine wild zusammengewürfelte Gruppe von 8. Klässlern, die sich so vorher auch noch nicht getroffen hatten, da wir wegen Corona streng getrennt in Gruppen unterrichten. „Geht das denn?“, fährt es mir durch die Knochen. Ist das wirklich verantwortlich angesichts der hohen Inzidenzen? Können wir das denn so unbeschwert genießen, wo andere vor dem Krieg flüchten müssen? Wir haben es gewagt. Wir haben gehört und gespürt, dass wir Gottes geliebte Kinder sind.
In einer bewegenden Tauferinnerungsfeier haben wir es uns gegenseitig zugesagt und mit einem Wasserkreuz in die Hand geschrieben. Wir nehmen es als Proviant in Seele und Herz auf. Für die Tage, in denen uns das Gold der Sonne ausgeht und uns nicht mehr nach Kichern zumute ist. Ihr wart super, Konfis! Gott sei Dank, dass es euch gibt!
Glaubenssache:
Versteckspiel oder was dahinter?
Von Gemeindereferent Alexander von Rüden
„Wo hat sich denn der Vitus versteckt?“ – Ich spiele mit meinem dreijährigen Sohn Verstecken. Er hat sich ein Tuch über den Kopf gelegt und meint, nun sei er unsichtbar. Irgendwann hebe ich es langsam hoch, und ich blicke in ein strahlendes Gesicht. Vitus greift zu neuem Verhüllmaterial – Tüchern und Decken – und hält tapfer die Spannung aus, bis ich ihn finde.
Um ein Verhüllen anderer Art geht es ab heute in den katholischen Kirchen: Die Kreuze werden mit einem violetten Tuch zugehängt. Jetzt sind es nur noch zwei Wochen bis Ostern. Die Kreuzverhüllung macht diese letzte Etappe der Vorbereitungszeit optisch sichtbar: Unsere Augen fasten nun eine sonst gewohnte Ansicht. Genau darin liegt das Ansinnen, durch die Verhüllung bewusst auf das Kreuz dahinter hinzuweisen und es wieder neu in den Blickpunkt zu rücken.
Für mich versinnbildlicht das Verhüllen der Kreuze noch etwas anderes: Ich vertraue darauf, dass Gott da ist, auch wenn ich in gerade nicht sehen, nicht spüren kann. Warum gehen die Kriegswirren ständig weiter? Warum kehrt kein Friede ein? Ich weiß es nicht und verstehe es nicht! Auch Menschen, von denen die Bibel berichtet, hatten ihre Zweifel und Nöte: Mose, Elija, Hiob, die Emmausjünger …
Letztlich stellte sich immer heraus: Gott ist und bleibt und geht mit an der Seite der Geschundenen. Auch in der Finsternis. Auch im Verborgenen. Auch in der Dunkelheit der Geschichte. Mir bleibt da nur das Vertrauen, dass das auch jetzt so ist und die Menschen nicht allein ihrem Schicksal überlassen sind.
„Wo ist der Vitus?“ – „Da!“
Wo ist Gott? Er ist da!
26. März
Glaubenssache:
Vater, vergib!
Von Pfarrer Karl-Alfred Dautermann
"Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht was sie tun!" (Lukas 23,24) – ein alter Passionstext läuft mir über den Weg. Ja wirklich, sie wissen nicht was sie tun! Es gibt so Vieles, was mich richtig aufregt und manchmal wütend macht, manchmal ohnmächtig.
Die immerwährende Pandemie mit ihren widerstreitenden Meinungen. Und jetzt der schreckliche Krieg, der so viel Leid über alle Welt bringt und wahrscheinlich noch bringen wird. Als ob wir nicht schon genug Kummer hätten. Der Klimawandel wartet ja nicht und meine vermüllte Umwelt zeigt mir unsere Gedankenlosigkeit auf Schritt und Tritt. Hat meine Generation (ich bin Jahrgang 1961) vielleicht auf der ganzen Linie versagt? Waren wir wirklich so naiv, nach Mauerfall und neuen globalen Chancen zu glauben, unser Glück würde auf ewig halten?
Vergebt uns! Die Rechnung bezahlen die, denen wir diese Welt übergeben, unsere Kinder und Enkelkinder.
Ertragen kann ich das nur, weil mir schon vergeben ist. Es ist Jesus Christus, der diesen Satz von der Vergebung spricht. Da haben sie ihn schon angenagelt ans Kreuz, unschuldig verurteilt von den Mächtigen seiner Zeit. Sie ahnen nicht, dass er auch für sie stirbt, für die Schuld der ganzen Welt. Von dieser Vergebung lebe auch ich. Das enthebt mich nicht meiner Verantwortung für meine Zeit, für meine Welt.
Ich bin dankbar für alle, die erneut und immer wieder Verantwortung übernehmen und zupacken. Denn die Kriegsherren und Zerstörer werden eines Tages diese Welt auch wieder verlassen. Wie aber sollen die Völker wieder zusammenfinden, wenn nicht durch Versöhnung? Jesus Christus hat es uns vorgemacht. Dafür lasst uns beten und arbeiten. Herr, erbarme dich! Christus erbarme dich!
19. März
Gedanken zum Sonntag:
Frieden stiften
Von Pfarrer Dr. Jochen Gerlach
"Selig sind die Frieden stiften", vertritt Jesus in der Bergpredigt. Dies ist die Grundhaltung von Christinnen und Christen mit vielen anderen in der Friedensbewegung. Es ist die tiefe Überzeugung und Erfahrung, dass nur Prävention, Dialog und der Verzicht auf Drohungen den Frieden erhalten kann und dass es keine Rechtfertigung für Krieg gibt. Militärische Gewalt kann nur das allerallerletzte Mittel sein, um noch schlimmeres Leid zu verhindern - so etwa im März 1999 die Bombardierung Serbiens, um die grausamen Tötungen der Albaner im Kosovo zu stoppen.
Entsetzt sehen wir die Bilder, wie die russische Armee in der Ukraine Wohnungen, Krankenhäuser, Kindergärten zerstört und unzählige Menschen tötet. Die russische Führung will den Widerstand der ukrainischen Kämpferinnen und Soldaten, den Mut aller Freiwilligen, den Durchhaltewillen aller Bürgerinnen und Bürger brechen. Diesen Widerstand habe ich genau wie viele andere seit dem Beginn des Krieges bewundert, ihre Tapferkeit, ihren Mut, die Entschlossenheit, das eigene Land und die eigene Freiheit zu verteidigen. Das Recht auf Widerstand begründet auch die Waffenlieferungen an die Kämpferinnen und Kämpfer. Das Gesetz von Gewalt und gewaltsamen Widerstand führt aber zu einer „Spirale der Gewalt“, unter der die ukrainische Bevölkerung leidet und die wir medial miterleben. Sie führt - wenn sie weiterläuft - bis zur völligen Zerstörung und Erschöpfung durch ein beidseitiges Ausbluten.
Christliche Friedensethik spricht Widerstandskämpferinnen und -kämpfern nicht ihr Recht ab, ihr Land zu verteidigen. Sie verbietet auch nicht, sie zu unterstützen. Aber die Einstellung Jesu trägt viel Realismus in sich, weil er weiß, wohin die Wege der Gewalt führen. Es gibt erste Hoffnungszeichen, dass Verhandlungen, die Frieden stiften, aufgenommen werden. Hier werden schmerzhafte Kompromisse ausgelotet, die die Ansprüche der Großmächte und das Recht auf Selbstbestimmung der Ukrainer berücksichtigten. Dies ist allemal besser als das gegenseitige Töten und die schrecklichen Zerstörungen.
Uns bleibt das Gebet um Frieden und die Aufgabe, den flüchtenden Menschen mit viel Einsatz und Geld zu helfen, und die Bereitschaft, die Lasten der Sanktionen auch langfristig zu tragen.
Glaubenssache:
Verleih uns Frieden!
Von Prädikant Günther Dreisbach
Die christliche Gemeinde singt so: »Verleih uns Frieden gnädiglich«. Seit es die christliche Gemeinde gibt, singt sie für den Frieden. In den römischen Katakomben und in den Hungerlagern Sibiriens. Am Ufer des Mississippi und im Konzentrationslager in Auschwitz. In den Kindergärten und auf dem Friedhof. Beim monatlichen Friedensgebet im kleinen Kreis in der Kirche und mit 250 Menschen auf dem Marktplatz. Na und? Was bringt es?
Klar fragen wir so. Und es ist gut, dass wir so fragen. Ich finde die Antwort in der Weihnachtsgeschichte. Da singen die Engel über dem Hirtenfeld von Bethlehem: »Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden.« Das heißt doch: Je mehr Gott die Ehre bekommt, umso mehr Chancen hat der Friede. Und je mehr Gott vergessen, missachtet wird, desto mehr Unfrieden und Unzufriedenheit wird es geben. Dieses Grundgesetz müssen wir deutlich machen in diesem Jahr 2022 nach Christus, nach dem Gesang der Engel in einem Land, das schon so lange wieder von Unfrieden geplagt ist.
Ich bin mitschuldig. Ich habe zu wenig für den Frieden und für die Politiker gebetet. Alle vier Wochen in der Stadtkirche, zwar ökumenisch, aber das war zu wenig. Ich weiß es doch: Nur Gott kann ein verfinstertes Herz erhellen, wie das von Wladimir Putin. Ich glaube: Die Umkehr zu Gott ist die einzige Chance für den Frieden. Gott loben, das ist unser Amt. Beten wir weiter intensiv für den Frieden. Intensiver als bisher. Nicht nur auf dem Marktplatz. Nicht nur in der Kirche. Auch zu Hause, als Mittagsgebet oder ... Hören Sie bitte nicht auf zu beten für den Frieden.
12. März
Gedanken zum Sonntag
Von Pfarrer Jonathan Bergau
Drei Fragezeichen stehen vor mir auf dem Bildschirm. Zu mehr habe ich es noch nicht gebracht. Dabei will ich doch die Andacht schreiben. Was ist jetzt dran, was ist richtig? Die Gedanken schwirren in meinem Kopf. Ich schaue die Nachrichten, lese die Neuigkeiten und bleibe mit meinem Fragezeichen sitzen. Ich möchte doch etwas tun, möchte dazu beitragen, dass das Furchtbare ein bisschen gelindert wird.
Etwas zu tun, tut gut. Ich kann spenden, Wohnraum dem Landkreis anbieten und...??? Da sind sie wieder, meine drei Fragezeichen. In all dem spüre ich eine Leere. Ist es richtig, diese Leere zuzulassen, nicht zu wissen, was das absolut Richtige ist? Ich würde jetzt gerne eine Leerzeile einziehen, eine Pause in all dem Denken, in all den Gesprächen, in all den vielen Aktivitäten. Zur Ruhe kommen, zu mir und schließlich zu Gott. Mir ist aufgefallen, dass sich Jesus in den biblischen Geschichten immer mal zurückzieht: zum Beten, aber auch zum Ausruhen. Ich suche diese, die meine Fragen zulassen.
Einer dieser Zufluchtsorte sind die Friedensgebete, die in vielen Gemeinden an verschiedenen Tagen und Orten gestaltet werden. Es geht bei diesen Gebeten nicht um Antworten, auch nicht um Vertröstung. Die Friedensgebete möchten Freiraum bieten für eigene Gedanken, für Zweifel und Fragen, auch für Hoffnung in Gegenwart des lebendigen Gottes.
Ich wünsche Ihnen, dass sie Gelegenheiten finden, mit ihren Fragezeichen nicht allein zu bleiben.
Glaubenssache
Von Lektorin Maryam Parikhahzarmehr
Eure Heiligkeit Kyrill I.,
in großer Sorge um den Frieden in der Welt und besonders in der Ukraine wende ich mich an Sie, den Patriarchen der russisch-orthodoxen Kirche. Wir haben die gleichen Grundlagen für unseren Glauben. Wir vertrauen beide auf die Botschaft der Engel, die in Bethlehem über dem Jesuskind den Frieden verkündigt haben.
Ich bitte Sie inständig: Wirken Sie auf Präsident Putin ein, dass er den Krieg gegen die Menschen in der Ukraine beendet. Die Menschen sind doch unsere Schwestern und Brüder. Gott will doch nicht, dass ein Mensch den anderen tötet. Das muss man doch dem Präsidenten des großen Russlands deutlich machen können. Ich habe im Internet so schöne Bilder gesehen, die Eure Heiligkeit und den Präsidenten zeigen. Ich gewinne den Eindruck, dass es Ihnen gelingen kann, dass es Ihnen gelingen muss, friedlichen Einfluss zu nehmen.
Bitte tun Sie das. So viele Mütter in Russland und in der Ukraine und in der ganzen Welt werden es Ihnen danken. Und so viele Menschen, die sich darauf verlassen, dass wir, die wir in Christus verbunden sind, Boten des Friedens sind. »Du sollst nicht töten« hat der allmächtige Gott der Welt befohlen. Wie will Präsident Putin einst in der Ewigkeit vor dem lebendigen Gott sein Tun verteidigen? Ich weiß es nicht. Ich bin ratlos. Bitte tun Sie etwas für den Frieden. Bitte tun Sie etwas für Ihre und meine Schwestern und Brüder in Christus. Bitte helfen Sie, dass – wie die Propheten des Alten Testamentes verheißen haben – Schwerter zu Pflugscharen werden.
Danke für Ihren Einsatz für den Frieden, Eure Heiligkeit!
5. März
Gedanken zum Sonntag
Von Pfarrerin Ulrike Bundschuh
Krieg soll nach Gottes Willen nicht sein – so sagten es drei Jahre nach dem 2. Weltkrieg Christinnen und Christen. Das Leid und die Zerstörungen wirkten fort. Bis heute! Nun schauen wir mit Entsetzen auf den Krieg, der seit dem 24. Februar in der Ukraine stattfindet. Nein: Krieg SOLL nicht sein – nach Gottes Willen! Damals nicht und heute nicht. Und doch findet er statt. Die Gewalt eskaliert, Menschen sind zu Tode gekommen, Soldaten und Zivilbevölkerung. Häuser, Städte und Lebensgrundlagen werden zerstört. Hunderttausende von Menschen sind auf der Flucht.
Was können wir tun, damit es wieder Frieden werden kann? Der Wochenspruch für den ersten Sonntag in der Passionszeit weist uns den Weg: „Dazu ist erschienen der Sohn Gottes, dass er die Werke des Teufels zerstöre.“ (1. Johannesbrief 3, 8b). Zu den Werken der Macht, die Verwirrung stiftet und Böses hervorbringt, gehören die Versprechungen, dass man sich mit Gewalt durchsetzen kann. Dass Größe sich in Brutalität und Erbarmungslosigkeit zeige. Das Gegenteil ist der Fall: Jesus lebt gewaltfrei. Die, die Frieden stiften, werden von ihm gepriesen.
Unsere Aufgabe ist es, alles zu tun, damit die Spirale der Gewalt beendet wird: mit Friedensgebeten, mit Gesprächen hier bei uns, mit Unterstützung für die Opfer dieses Krieges.
Wir sind mit den Christinnen und Christen in Osteuropa durch unseren Glauben verbunden. Lassen Sie uns füreinander und miteinander in dieser Passionszeit beten: Gott, richte unsere Füße auf den Weg des Friedens!
Glaubenssache:
Er ist unser Friede
Von Jürgen Krackrügge
In großen Buchstaben prangte dieses Zitat aus dem Epheserbrief ( Eph.2,14) an der Kopfwand des Gemeindesaales meiner Heimatgemeinde. Dieses Bibelwort kam mir in den Sinn, als ich mir Gedanken für diesen Artikel der „Glaubenssache“ machte.
Mit großer Erschütterung und Trauer verfolge ich das furchtbare Kriegsgeschehen in der Ukraine, und mir kommen die Tränen, wenn ich im Fernsehen die zerrissenen Familien sehe, die getrennt auf der Flucht sind. Ich versuche mich, in ihre Lage hineinzuversetzen. Der Vater bleibt zurück, um sein Land gegen den Aggressor zu verteidigen, die Mutter mit den kleinen Kindern versucht sich, über die Grenze ins Nachbarland in Sicherheit zu bringen. Was ist das doch für eine große Not!
Ich bekomme es mit der Angst zu tun gerade im Blick auf die Generation meiner Kinder und Enkelkinder, wenn ein Präsident Putin seinen Finger an den Abzugshebel des tödlichen Atomwaffenarsenals legt. Wie ohnmächtig komme mir vor!
Und dann fällt mir ein Zitat des evangelischen Pfarrers Reinhold Schneider ein, der in der Zeit der Schreckensherrschaft des Nationalsozialismus in unserem Land das Gedicht schrieb: „Allein den Betern kann es noch gelingen, das Schwert ob unseren Häuptern aufzuhalten und diese Welt den richtenden Gewalten durch ein geheiligt Leben abzuringen.“
Im Kern spricht Schneider hier genau das aus, was Jesus Christus seiner Gemeinde aufgetragen hat. Wir sind zum Gebet für den Frieden aufgerufen. Und ich möchte Sie einladen, dass Sie persönlich oder auch in Gemeinschaft mit anderen Christen für den Frieden beten. Seien Sie sicher: Gott hört Ihr Gebet.
26. Februar
Gedanken zum Sonntag:
Gedanken zum Krieg
Von Pfarrer Martin Schöppe
Es fällt mir schwer diese Gedanken zum Sonntag zu schreiben. Es fällt mir schwer, Gedanken über den Ruhetag der Woche, die aufblühende Natur im Frühling oder das Miteinander der Menschen zu schreiben. Ich tue es nicht.
Russland hat die Ukraine angegriffen und in Europa ist Krieg. Menschen sind an Leib und Leben bedroht, sind auf der Flucht und ihrer Existenzgrundlage beraubt. Ich bin erschüttert und erinnere mich daran, dass wir Menschen leider genau so sind. Allzuoft siegt die Lüge und das Unrecht des Stärkeren über die Stärke des Rechts und der Freiheit.
Was kann ich tun? Demokratie und Freiheit in meinem Alltag fördern, Menschen in der Ukraine unterstützen, besonder die, die jetzt flüchten müssen. Und wenn ich an einen Gott glaube, ganz gleich in welcher Religion: ein Gebet sprechen.
Glaubenssache:
Gib Frieden!
Von Pfarrerin Kathrin Wittich-Jung
Als ich am Donnerstagmorgen die Nachrichten hörte, stockte mir das Herz: In Europa fallen Bomben!
Der russische Präsident Wladimir Putin hat die Ukraine von mehreren Seiten angegriffen. Ich höre von Bomben und Explosionen. Der Kriegszustand ist ausgerufen. Krieg in der Ukraine. Krieg in Europa. Mir stockt das Herz. Und ich verstehe die Welt nicht mehr.
Bis jetzt habe ich in einem friedlichen Europa gelebt. Auf einmal befällt mich Angst und Wut. Dass da einer den Krieg befeuert und nicht mehr für gute Worte und Diplomatie zugänglich war, kann ich kaum verstehen. Mein Herz stockt und ich denke an die Menschen im Kriegsgebiet. Menschen, wie Du und ich. Ihr Leben ist aus den Fugen geraten. Sie haben Angst ums Überleben und um die Menschen, die kämpfen. Viele Menschen versuchen, die Ukraine, ihre Heimat, zu verlassen. Der Krieg zerstört alle ihre Hoffnung. Hoffnung auf Freiheit, Demokratie und Frieden in der Ukraine. Die geordnete Welt zerbricht in tausend Scherben.
Können wir eigentlich nichts lernen aus der Geschichte? Müssen wir immer wieder Krieg befeuern? Am Rad von Hass und Gewalt drehen? Es ist zum Verzweifeln!
Ich bete heute und in diesen Tagen aus tiefstem Herzen für die Menschen in der Ukraine. Dass sie die Hoffnung nicht verlieren. Gott möge ihnen Kraft und Trost geben. Und ich bete für die Kriegstreiber: Dass sie Einsicht finden und ihre Herzen weich werden. Dass sich der Friede in ihren Köpfen und Herzen breit machen möge.
Gib Frieden, Gott! Wir bitten! Aus vollem Herzen und mit ganzer Seele. Ach, Gott!
19. Februar
Gedanken zum Sonntag:
Wirklich Zuhören
Von Pfarrerin Renate Wollert
„Sag mal, hörst du mir überhaupt zu?“ Bestimmt haben Sie das auch schon bei einem Gespräch gefragt, wenn ihr Gegenüber den Blick zu lange aus dem Fenster hat schweifen lassen. „Klar, natürlich!“ ist dann die empörte Antwort. Ob das dann auch so war, sei mal dahin gestellt.
Wenn wir etwas erzählen, dann möchten wir gehört werden. Zuhören – das geschieht scheinbar automatisch, ist aber nicht selbstverständlich. Und wenn wir ehrlich sind, kennen wir das nicht nur von unserem Gesprächspartner. Wie schnell sind wir in Gedanken bei uns selbst und nicht mehr beim anderen.
Auch auf Gottes Wort zu hören ist nicht selbstverständlich. „Heute, wenn ihr seine Stimme hört, verhärtet euer Herz nicht.“, so beschreibt dies der Hebräerbrief. Mit Gottes Stimme ist das ja nicht so einfach wie mit einem Menschen, der uns gegenüber sitzt.
Um auf Gott zu hören, muss ich mir Zeit nehmen und Ruhe gönnen. Dabei darf ich dann ruhig aus dem Fenster schauen. Ich kann einmal die Bibel zur Hand nehmen. Ich kann in eine Kirche gehen, kann einen Gottesdienst mitfeiern, in diesen Zeiten auch digital.
Zuhören, um mehr bei mir selbst zu sein ist kein Widerspruch. Mit einem offenen Herzen und offenen Ohren bin ich ganz bei mir, und gleichzeitig ganz bei Gott.
Glaubenssache:
„Es lebe die Freiheit!“
Von Pfarrer Lars Bachmann
Es gibt letzte Worte, die einem durch Mark und Bein gehen. Diese Worte in Verbindung mit einem Leben und Wirken können zur authentischen Orientierung werden. Vor allem dann, wenn sie im Angesicht von „grauenvollstem und jegliches Maß unendlich überschreitendem Verbrechen“ gerade und frei durch’s Leben gegangen sind. Und wenn sie es geschafft haben, durch einen harten Geist ein weiches Herz zu bewahren. Hans Scholl und seine Schwester Sophie waren dazu vor 79 Jahren in der Lage.
Als bekennende Christen sind sie aufrecht vor ihren Ankläger getreten, wohl wissend, dass das Urteil in diesem Schauprozess bereits feststand. Wie befreiend kann es sein, wenn solche Worte, solche Menschen wie ein Stachel in meinem Kopf und Herz sind. Verhindern sie nicht, dass das Mark aus meinem Innersten gesogen wird? Sind sie nicht „lebendig und kräftig und schärfer als jedes zweischneidige Schwert“, das die Dornen des Zorns und des Neids zerschlägt? Bewahren sie uns nicht davor, vom Liberalen ins Libertäre abzugleiten? Schenken sie uns nicht Hoffnung und Zuversicht, so dass es gelingen kann, mich selbst und meinen Nächsten zu lieben?
Vielleicht bin ich aber auch nur wie der Apostel Paulus ein Narr, der davon überzeugt ist, dass Gesundheit und Freiheit keine Gegensätze sind und dass das eine nicht über dem anderen steht.
Das sprechende Zeugnis von Menschen der Geschwister Scholl möge immer wieder mein Herz und meinen Geist erfüllen, damit es aufgeht und hundertfach Frucht bringt. Oder wie es Jesus uns im Evangelium sagt: „Wer Ohren hat zu hören, der höre!“ (Lukas 8,8)
Lars Bachmann ist evangelischer Pfarrer an der Herwig-Blankertz-Schule in Wolfhagen.
12. Februar
Gedanken zum Sonntag:
Ist „dabei sein“ alles?
Von Pfarrer Daniel Fricke
Ein bekanntes olympisches Motto lautet: „Dabei sein ist alles“. Es wird ganz häufig denjenigen gesagt, die nicht als erste ins Ziel kommen. Manche Teilnehmer sagen es sich auch selbst zum Trost.
Wer sportlichen Ehrgeiz hat und wer sich mit anderen messen will, der will auch gewinnen. „Dabei sein“ ist sicher etwas Besonderes gerade bei Olympia. Nicht jeder schafft die Qualifikation. Man kann sich mit den Weltbesten messen. Da ist ein besonderes Flair. Alle kommen friedlich zusammen. Die Eindrücke nimmt einem keiner. Auch wenn es dieses Mal viele Störfeuer außerhalb des Sports gibt. Dennoch kann nur einer oder eine ganz oben stehen.
Ich erinnere mich an die Sommerspiele im letzten Jahr. Eine sehr junge chinesische Schützin kam ins Finale. Sie war gut und wurde am Ende zweite. Aber da war keine Freude und kein Jubel. Man merkte nur eine ganz große Verunsicherung. Sie war angetreten, um zu siegen, das erwarteten alle von ihr. Verlieren war nicht vorgesehen. Verlieren war nichts.
Es platzen wohl deutlich mehr Träume bei Olympia, als sie sich erfüllen. Ich wünsche allen Verlierern, dass sie jemanden haben, der sie hält. Geborgensein ist alles, ist mein Motto. So lesen wir in den Psalmen über Gott: „Von allem Seiten umgibst du mich und hältst deine Hand über mir.“ (Psalm 139,5)
Glaubenssache:
Totholz
Von Pfarrer i.R. Ulrich Trzeciok
„Mein Vater hat mir einst beigebracht, dass Holz frühzeitig gesägt und gespalten werden müsse, um zu trocknen und seine Heizkraft zu erhalten. Holz, das dagegen lange im Wald liegt, habe als Brennholz keinen Wert.“ So habe ich es dieser Tage in einem Zeitungsbeitrag gelesen.
In der Kirche hat sich im Lauf der Zeit eine Menge an „totem Holz“ angesammelt, das noch dasteht oder schon herumliegt und vermodert. Wenn man es aufarbeiten würde, könnte es Energie für notwendige Erneuerungen liefern. Die ersten Christen sind ja nicht unter dem Bild einer Holzplantage angetreten, sondern wurden von den anderen als „Der neue Weg“ bezeichnet (Apostelgeschichte). Einen neuen Weg muss die Kirche jetzt weiter gehen. Er kann auch zurück führen zum Anfang –verheiratete Priester und Bischöfe, synodale Verfassung, das gab es schon- aber auch weiterführen –Gleichstellung der Frauen bei den Weiheämtern. Und was schon vermodert ist, Sexualstraftaten an Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen, das muss gründlich aufgearbeitet und fortgeschafft werden.
Ich wünsche unserer katholischen Kirche –nicht nur in Deutschland- dass sie auf einem neuen Weg mutig vorangeht. Das wird nur gelingen, wenn wir mitgehen und nicht austreten.
Ulrich Trzeciok ist Stadtpfarrer im Ruhestand und Geistlicher Rat aus Naumburg.
5. Februar
Gedanken zum Sonntag:
Licht empfangen und sein
Von Pfarrer Karl Waldeck
In diesen Wochen werden die Tage länger; das Licht gewinnt die Überhand. Es ist das Licht, das Gott als erstes schafft, folgt man der Bibel bereits auf ihren ersten Seiten, Ohne Licht gibt es kein Leben, weder Pflanze, Tier oder Mensch. Diese Erkenntnis verbindet Wissenschaft und Religion.
Auch im Neuen Testament spielt das Licht eine große Rolle: „Ich bin das Licht der Welt“, sagt Jesus. „Wer mir nachfolgt, der wird nicht wandeln in der Finsternis, sondern das Licht des Lebens hat.“ Wer Jesus, seiner Botschaft der Liebe nachfolgt, bleibt im Licht und hat eine gute Orientierung, auch wenn das Leben durch dunkle, unübersichtliche Etappen führt.
Jesus spricht von sich als Licht. Zugleich mutet und traut er es auch seinen Jüngerinnen und Jüngern zu, Licht zu sein: „Ihr seid das Licht der Welt.“ Das klingt anspruchsvoll. Sollte es mir kleinem Licht gelingen gegen die Dunkelheit dieser Welt anzukommen? Licht sein zu wollen, muss nicht überfordern. Licht vermag das Leben bereits im Kleinen verändern: Ein gutes Wort, ein strahlendes Lächeln kann die Stimmung in einem Gespräch verändern – in der Familie genauso wie am Arbeitsplatz. Es tut gut, das Licht dankbar von Gott anzunehmen und es weiterzugeben.
Glaubenssache:
Gebet und Siri
Von Lektor Günter Schnellenpfeil
„Hey Siri, stell mal den Timer auf 20 Minuten!“ „20 Minuten, der Countdown läuft!“ antwortet mir eine Frauenstimme. Siri nutze ich oft, sei es zur Erstellung von Erinnerungen, Terminen oder auch zum Anrufen. Siri ist eine Sprachsteuerungsassistentin eines Elektronikherstellers. Sie erleichtert meinen Telefon-Alltag. Die aktuelle Tätigkeit muss ich nicht unterbrechen.
Wie schön wäre es eigentlich, wenn ich mich im Alltag, so mit Gott unterhalten könnte.
ER sagt mir, welchen Schritt ich zunächst gehen soll. Direkt antworten – wie Siri! Aber halt: ich spreche doch schon zu Gott in meinen täglichen Gebeten. Antwortet er mir dort etwa nicht? Natürlich antwortet Gott mir, zwar nicht immer sofort. ER ist kein Automat. Vermutlich bin ich im Alltagstrott so versunken, dass ich ihn nicht höre, geschweige denn wahrnehme. Bin ich taub oder rastlos?
Beim Nachdenken fällt mir der Bibelvers ein: Mt. 6 v 6: Wenn du aber betest, so geh in dein Kämmerlein und schließ die Tür zu, und bete zu deinem Vater, der im Verborgenen ist; und dein Vater, der in das Verborgene sieht, wird dir´s vergelten. Darüber hab ich mir kaum Gedanken gemacht. Dieses Gotteswort hat etwas Beruhigendes. Einfach mal auf Gott hören und mit ihm sprechen - allein im Raum. Eine Kerze zünde ich an und setzte mich. Spüre meine Unruhe. Dann schalte ich das Handy aus, werde ruhiger und bitte Gott, dass er mir Ohren gebe, die seine Stimme hören: Zeit mit dem himmlischen Vater, ganz ohne Siri – und wesentlich wertvoller. Nach dieser Zeit denke ich: Das hat Verheißung, Gott zu suchen in der Stille meiner „Kammer“.
29. Januar
Glaubenssache:
Ihre Würde blieb!
Von Pfarrer Dr. Michael Dorhs
In der Schule musste sie immer allein in einer Ecke sitzen, getrennt von den anderen Kindern. Nur vom christlichen Religionsunterricht war sie befreit. Allerdings wurden dort ihre Mitschüler mit antisemitischen Karikaturen aus dem „Stürmer“ so aufgehetzt, dass ihr in den Stunden danach blanker Hass entgegenschlug.
Angespuckt wurde sie und ihr das Butterbrot aus der Hand geschlagen. Nein, verstanden haben wird sie es nicht. Wie hätte sie das auch sollen? Sie hatte ja nichts Schlimmes getan. Zehn Jahre lang war sie ein ganz normales „Brünsker Mäken“ gewesen. Dann, 1933, von einem Tag auf den anderen, war sie nicht mehr das „Mäken“ aus der Nachbarschaft, sondern nur noch ein „Jüdenwanst“, kein Mensch mehr, sondern ein „Untermensch“. Man braucht nicht viel Phantasie, um sich auszumalen, wie einsam und verzweifelt sie sich gefühlt haben muss. Irma Hamberg aus Breuna – ein Schicksal von vielen in Nordhessen. Sieben Jahre dauerte ihr Martyrium. Dann entkam sie ihren Peinigern in die USA, seelisch verwundet für den Rest ihres Lebens – aber immerhin: Sie hatte überlebt!
Anders als z.B. Denny Rosenstein aus Wolfhagen, dessen nur zweijähriges Leben an der Rampe in Auschwitz endete. Anders auch als Inge Lichtenstein aus Volkmarsen, Heinz Rothschild aus Zierenberg oder Walter Plaut aus Naumburg – alle erschlagen, erschossen, vergast oder verhungert in deutschen Ghettos und Konzentrationslagern.
Ungefähr anderthalb Millionen jüdische Kinder wurden im Holocaust vernichtet und mit ihnen ihre Träume von einem gelingenden Leben. Anderthalb Millionen Jungen und Mädchen, die nie erleben durften, was es heißt, frei und menschenwürdig aufzuwachsen. „Seht, welch ein Mensch!“ sagt Pilatus angesichts des gefolterten und gedemütigten Juden Jesus (Joh 19,5). Vielleicht weil im Leiden eines Menschen etwas von seiner Menschlichkeit sichtbar wird. So, wie in den gedemütigten Gesichtern jüdischer Kinder etwas aufscheint von ihrer Würde als Gottes Ebenbilder. Freiheit und Leben konnten die Nazis ihnen nehmen – ihre Würde nicht! Wenn wir anlässlich des Holocaust-Gedenktages in ihren-unseren Orten an sie erinnern, dann zollen wir nicht nur ihnen, sondern auch Gott damit den Respekt, an dem es vielen unserer Vorväter und -mütter aus Angst oder Überzeugung mangelte.
22. Januar
Gedanken zum Sonntag:
Grenzenlos gesund!?
Von Pfarrer Sven Wollert
"Hauptsache Gesundheit!" So höre ich es immer wieder. Und das war auch schon vor Corona so. Bei Geburtstagen und zu Beginn des neuen Jahres wünscht man sich alles Gute – und eben vor allem Gesundheit.
Offensichtlich wussten wir schon lange: Es ist nicht selbstverständlich, gesund zu sein. Man muss es ja nicht gleich mit Ärzten halten, die sagen: "Es gibt keine gesunden Menschen, nur welche, die noch nicht ausreichend untersucht wurden." Krankheit, bleibende Einschränkungen und selbst das Sterben gehören zum Leben dazu. Auch das macht uns als Menschen aus.
Und trotzdem wollen wir uns nicht damit abfinden. Wir tun vieles, um gesund zu bleiben oder gesund zu werden. Und oft machen wir auch Dinge, die das genaue Gegenteil bewirken. Nach dem Sport ein Bier oder eine Zigarette oder auch beides. Es gehört immer noch dazu. Bei manchen dauert die dritte Halbzeit länger als die ersten beiden zusammen.
Bin ich da anders? Nicht wirklich. Bei mir ist es selten ein Bier und nie die Zigarette. Aber weniger essen und mehr schlafen wäre besser für mich – sagt mein Arzt. "Dafür sind Sie noch ganz gut in Form …" Ich entscheide mich, vor allem das Ende des Satzes zu hören.
Wenn Sie morgen in einen der Gottesdienste gehen, werden sie wahrscheinlich von einem Mann hören, der für die Gesundheit Grenzen übertrat, sich Unerhörtes traute. Und er tat das nicht einmal für sich selbst, sondern für einen, der ihm anvertraut war. Es war ein Hauptmann der römischen Armee, der zu Jesus ging. Ihn bat er um Hilfe. Das gehörte sich nicht.
Er tat es trotzdem. Er lebte, was wir oft sagen: "Hauptsache Gesundheit!"
Die Geschichte vom "Hauptmann von Kapernaum" finden Sie im Matthäusevangelium, Kapitel 8, Verse 5-13.
Glaubenssache:
Die kleinen Dinge
Von Pfarrer Martin Jung
Haben Sie´s schon gemerkt? Die Tage werden wieder länger. Und immer früher kommt die Sonne raus. In der letzten Zeit hat mich das kaum interessiert. Und ehrlich gesagt, mir ist das gar nicht aufgefallen. Ich war so in Gedanken.
Das neue Jahr hat begonnen und vieles vom alten Jahr trage ich noch mit mir: die Arbeit, die Sorgen und auch manchen Frust über die Zeit, in der wir leben. Und als ich wieder einmal in mir selbst am Nörgeln und Jammern war, da nahm ich mir den Hund und ging raus. Laufen. Den Kopf frei bekommen. Und dann passierte was: Die Sonne kam raus und das frostige Gras knirschte unter meinen Füßen. Der Hund hörte wie eine Eins, und in mir waren zwei Gedanken: Heute Mittag gibt es Spagetti und am Wochenende werden wir meine Eltern besuchen.
Eigentlich ist das nichts besonders. Alles kleine Dinge. Selbst der Besuch bei meinen Eltern kommt wieder öfters vor. Aber als ich so lief und die warmen Strahlen auf mein Gesicht fielen, da dachte ich: Die kleinen Dinge machen den Unterschied. Sie sind es, die mein Leben schön machen. Sicher, ich freue mich auch auf Besonderes: auf den nächsten Urlaub, das Konzert im Sommer und auf rauschende Feste. Aber in diesem Moment in der Sonne merkte ich, wie viel Gutes und Großes ich jeden Tag um mich habe. „Lobe den Herrn, meine Seele, und vergiss nicht, was er dir Gutes getan hat.“
Vieles ist immer noch anstrengend und oft kann ich nicht sehen, was Gott mir alles schenkt. Aber dann denke an diese Worte aus der Bibel. Sie stoßen mich auf die kleinen, großen Dinge, die mein Leben reich und schön machen. Die Tage werden wieder länger. Und immer früher kommt die Sonne raus. Haben Sie´s schon gemerkt?
15. Januar
Gedanken zum Sonntag:
Vorfreude aufs neue Jahr
Von Pfarrerin Andrea Braner
Worauf ich mich - trotz allem - freue?
Auf heller werdende Tage und sternklare Nächte;
auf Schneeglöckchen und Schlüsselblumen;
auf Vogelgezwitscher und Blütenbäume;
auf Spaziergänge mit Kinderwagen;
auf kulturelle Vielfalt in meinen Klassen;
auf Bürgersteig-Gespräche und WhatsApp-Nachrichten;
aufs Eintauchen in Geschichten - und ins Badewasser;
auf tolle Aktionen und kleine Schritte zum Klimaschutz;
auf überraschende Unterbrechungen und vertrauten Alltag;
auf Zärtlichkeiten und Verstehen ohne Worte;
auf das Ende der Maske, aber das kann noch dauern;
aufs Singen von „Vertraut den neuen Wegen …“ (EG 395)
und noch viel mehr …
Worauf freuen Sie sich?
Alles Gute für ein neues Jahr voller Leben und mit Gottes Segen!
Ihre Andrea Braner
8. Januar
Gedanken zum Sonntag:
Was bleibt?
Von Pfarrerin Irmhild Heinicke
Heute werden traditionell die Weihnachtsbäume abgeholt. Abgeschmückt und mehr oder weniger vertrocknet stehen sie am Straßenrand. In unserer Wohnung habe ich den Christbaumschmuck für nächstes Jahr weggeräumt und die Nadeln vom Baum zusammengekehrt. Und die Figuren der Weihnachtskrippe sind jetzt auch wieder in den Karton gewandert.
Was bleibt von Weihnachten? Alles schon wieder vorbei?
Bei uns bleibt noch der Herrenhuter Stern im Flur hängen. Mindestens bis Mariä Lichtmess am 2. Februar, manchmal auch noch etwas länger. Er leuchtet abends und morgens im Fenster im Flur. Er bleibt als Erinnerung an das Licht, das weiter in die Dunkelheit scheint. Er bleibt als Erinnerung an die Orientierung und Hoffnung, für die Weihnachten steht.
Ja, das Fest ist vorbei, aber Gottes Zusagen bleiben: Gottes Liebe, die zu Weihnachten mit Jesus in die Welt gekommen ist, bleibt - bei mir, bei allen Menschen. Gottes Licht, das an unseren Weihnachtsbäumen aufgeleuchtet ist, bleibt in meinem Herzen. Und dieses Licht trotzt wie der Herrenhuter Stern den dunklen Wintertagen.
Und schließlich bleibt Gottes Geist und gibt mir Kraft für mein Leben in diesem neuen Jahr. Jesus verspricht: "Siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende." (Matthäus 28,20).
Glaubenssache:
Kein leeres Blatt
Von Pfarrerin Katharina Ufholz
Ich mochte sie schon immer, diese ersten Tage im neuen Jahr. Da ist alles noch so frisch und unberührt – wie ein weißes Blatt Papier, das neu beschrieben werden will. Es tut gut, einfach mal die Reset-Taste zu drücken, wieder neu zu starten. Das Vergangene lasse ich im alten Jahr zurück, vor allem das, was schlecht war. Neues Jahr, neues Glück! "Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne", wusste schon der Dichter Hermann Hesse.
Doch in diesem Jahr ist es irgendwie anders. Der Anfangszauber will sich bei mir nicht so recht einstellen. Und das weiße Blatt ist gefühlt auch gar nicht so weiß und unbeschrieben. Denn das alte Jahr geht mit. Die Angst vor der Omikron-Welle geht mit. Die Sorge, wie sich unsere Gesellschaft entwickelt, geht mit. Die Klimakrise geht mit und so viele andere Probleme auch.
So schön es vielleicht wäre - ich kann keine Reset-Taste drücken. Aber gerade deshalb ist der Jahresbeginn für mich ein so wichtiger Zeitpunkt: Ich halte inne. Ich denke darüber nach, was gut war und was schlecht, und welche Richtung ich meinem Leben geben will.
Und neben all den Problemen entdecke ich so viel Gutes, das mit mir ins neue Jahr geht. Ich bin nicht allein unterwegs. Familie und Freunde gehen mit und so viele andere Menschen, die mir wichtig sind. Und: Auch Gott geht mit. In der Weihnachtsgeschichte wird das Kind in der Krippe einmal "Immanuel" genannt: "Gott mit uns".
Vielleicht wohnt diesem Jahresanfang ja doch ein Zauber inne. Ich mache mich auf jeden Fall auf, ihn zu entdecken.